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Leitsatz:
Rheinschiffahrtsgerichte sind berechtigt, im Rahmen des Art. 32 der Mannheimer Akte Geldbußen nach Maßgabe der Vorschriften ihres Staates zu verhängen. Die Abschöpfung der Tatvorteile im Sinne der deutschen Vorschrift des § 17 Abs. 4 OWi-Gesetzes ist nur deshalb nicht zulässig, weil eine übereinstimmende und nach gleichen Kriterien erfolgende Ahndung nach den getroffenen Feststellungen nicht in allen Bereichen der deutschen Rheinschiffahrt gewährleistet ist.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 6. Mai 1987
(Auf Berufung gegen den Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 8. Oktober 1985 - 2 OWi 240/85 -)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Der Betroffene ist der verantwortliche Führer des Motorschiffs "M". Bei einer Kontrolle dieses Schiffes am 27.11.1984 bei Rhein-km 297 wurden von der Wasserschutzpolizei die folgenden Mängel festgestellt:
a) An beiden Schiffsseiten fehlten die Tiefgangsanzeiger.
b) Die amtliche Schiffsnummer war nicht angebracht.
c) Seit einschl. April 1984 fehlte der laut Schiffsattest als Besatzungsmitglied vorgeschriebene Schiffsjunge.
Gegen den Betroffenen erging deshalb unter dem 20.1.1985 ein Bußgeldbescheid über DM. 1.600,- wegen Zuwiderhandlungen gegen § 2.04 (2) Rheinschifffahrtspolizeiverordnung in Verbindung mit § 4.06 Rheinschiffs-Untersuchungsordnung, 2.01 (lc) RheinSchPV und § 14.01 Rheinschiffs-UO. Auf den Einspruch des Betroffenen hin hat das Rheinschifffahrtsgericht Kehl gegen ihn eine Geldbusse von DM 1.600,- festgesetzt. Hierin ist ein Betrag von DM 1.500.- enthalten, durch den der wirtschaftliche Vorteil, den der Betroffene durch längeres Fahren mit unterbemanntem Schiff erzielt hat, teilweise abgeschöpft wird. Das Rheinschifffahrtsgericht schätzt diesen Vorteil auf DM. 14.754,-. Lediglich gegen diese Abschöpfung wendet sich die Berufung des Betroffenen, deren Ziel es ist, die Herabsetzung der Geldbusse auf DM 100,- zu erreichen.
Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden, in der Sache hat sie Erfolg.
Die Berufungskammer hat im Einzelnen erwogen:
1) Artikel 32 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte, in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 17. Oktober 1979, bestimmt, dass Zuwiderhandlungen gegen die von den Uferregierungen für den Rhein gemeinsam erlassenen schifffahrtspolizeilichen Vorschriften mit Geldbussen geahndet werden, deren Mindestbetrag dem Wert von drei und deren Höchstbetrag dem Wert von 2 500 Sonderziehungsrechten des internationalen Währungsfonds überprüft, die in die Landeswährung des Staates umgerechnet werden, dessen Verwaltung die Strafe verhängt oder dessen Gericht angerufen wird. Regeln für die Einordnung der im konkreten Fall festzusetzenden Busse in dem abgesteckten Rahmen enthält die Revidierte Rheinschifffahrtsakte nicht. Die mit Bußgeldsachen befassten Rheinschifffahrtsgerichte der Uferstaaten sind also durch die genannte Akte nicht gehindert, bei der Festlegung einer Busse im erwähnten Rahmen diejenigen Regeln zu befolgen, welche die Gesetze ihres Staates enthalten, oder die durch die Strafbemessungspraxis der Gerichte des Staates festgelegt sind. Im vorliegenden Falle durfte also das Rheinschifffahrtsgericht Kehl den § 17 Abs. 4 des deutschen OWi-Gesetzes anwenden, der die Abschöpfung des Vorteils aus der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Besatzungsstärke vorsieht, wie das Rheinschifffahrtsgericht richtig dargelegt hat. Die Ansicht der Berufungsbegründung, § 17 Abs. 4 OWi-Gesetzes sei mit Artikel 32 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte unvereinbar, hält die Berufungskammer deshalb für unrichtig.
2) Die in Ziffer 1 dargelegten Erwägungen hat die Berufungskammer bereits ihrer Entscheidung in der Sache Verlaan (193 B - 15/86) zugrunde gelegt. Dort ist aber weiter ausgeführt worden, die Abschöpfung der Tatvorteile bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sei nur möglich, wenn zumindest in dem Lande, das diesen Grundsatz anwende, in allen Bereichen des Rheins übereinstimmend gehandelt werde. Diese Einschränkung des Abschöpfungsgrundsatzes sei geboten, um sicherzustellen, dass die gleiche Ordnungswidrigkeit ohne Rücksicht auf den Ort ihrer Ahndung nach den gleichen Kriterien behandelt werde. Nur so werde die Einheitlichkeit des Bußgeldrahmens der Revidierten Rheinschifffahrtsakte bei der Behandlung konkreter Verstöße gewahrt. In der Entscheidung Verlaan hat die Berufungskammer festgestellt, dass die gleiche Anwendung des Abschöpfungsgrundsatzes in allen Bereichen des Rheins in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit nicht gewährleistet ist. Die Schwankungen in der Ahndung von Verstößen gegen die Bemannungsvorschriften reichen von gebührenpflichtigen Verwarnungen in Höhe von 20 DM, wobei natürlich der Abschöpfungsgrundsatz nicht angewandt worden sein kann, bis zu Bussen von 1500 DM. bei einschließlicher Anwendung dieses Grundsatzes im vorliegenden Fall. Nur wegen dieser Uneinheitlichkeit ist die Abschöpfung von Tatvorteilen bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zur Zeit nicht möglich.
3) Bei der Bemessung des Bußgeldes für die Fahrt mit unvollständiger Besatzung ist zu beachten, dass ein Verstoß des Betroffenen gegen Bemannungsvorschriften nur für die Reise feststeht, auf der er aufgefallen ist. Bemannungsvorschriften bestehen z.B. in den Niederlanden nur für Fahrten auf dem sog. konventionellen Rhein, nicht aber für die zahlreichen anderen Binnengewässer. Der Betroffene ist Niederländer. Er hat unwiderlegt erklärt, nur gelegentlich den Rhein zu befahren. Selbst wenn er also auch - wie feststeht - seit April 1984 ohne Schiffsjungen fährt, so kann nur vermutet , aber nicht sicher festgestellt werden, dass er bis heute außer der hier in Betracht kommenden weitere Rheinreisen ausgeführt hat. Die für die Fahrt mit unterbemanntem Schiff zu verhängende Geldbusse darf also nur einen einmaligen Verstoß betreffen und den Abschöpfungsgrundsatz nicht enthalten. Dann muss es aber bei der Geldbusse von DM 100.- bleiben, die das Rhenschifffahrtsgericht ohne Anwendung dieses Grundsatzes verhängt hat. Eine Änderung zu Lasten des Betroffenen ist nicht möglich, da sie die ergangene Entscheidung auf seine Berufung hin zu seinen Ungunsten abändern würde.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1) Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 8.10.1985 dahin abgeändert, dass die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbusse auf DM 100,- ermässigt wird.
2) Die Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Staatskasse zu 15/16, der Betroffene trägt sie zu 1/16.
3) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Staatskasse.
4) Die Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Kehl gem. Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.
Der Stellvertretende Gerichtskanzler
Der Vorsitzende
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.2 (Sammlung Seite 1249 f.), ZfB 1989, 1249 f.