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Leitsätze:
1) Aus der Tatsache, dass ein Transportunternehmen mit einer Verladerfirma einen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen hat, folgt nicht, dass es sich um ein Unternehmen im Rechtssinn und demgemäß bei den Transporten für die Verladerfirma um Werksverkehr handelt. Der Ausnahmecharakter des § 5 BSchVG lässt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht zu.
2) Ein Binnenschifffahrtsunternehmen hat seinen Geschäftsbetrieb personell so einzurichten, dass die Einhaltung der Tarifvorschriften gewährleistet ist, auch wenn sich diese täglich ändern ballten.
3) Die Tarifregelung und -sicherung ist ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen Lenkungsmaßnahmen innerhalb der Verkehrsträger, die vor wirtschaftlichen Schäden durch ruinösen Wettbewerb geschützt werden sollen.
Oberlandesgericht Köln
Urteil
vom 12. November 1976
Zum Tatbestand:
Die Beklagte betreibt mit ihrem einzigen Schiff gewerbliche Binnenschifffahrt, indem sie für ihren einzigen Auftraggeber, die Werke A, Sandtransporte von F nach K durchführt. Sämtliche Geschäftsanteile der Beklagten gehören der Fa. A, die mit der Beklagten einen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen hat und auch deren gesamte Verwaltung wahrnimmt.
Die Klägerin (Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die WSD Duisburg) stellte bei einer Überprüfung fest, dass sowohl der Kleinwasserzuschlag in einem Fall als auch die Bruttofracht in 11 Fällen zu hoch angesetzt war.
Die Klägerin verlangt Erstattung der zuviel berechneten Frachten in Höhe von insgesamt ca. 6700,- DM weil die Beklagte grobfahrlässig keine Kenntnis von den richtigen Frachtsätzen gehabt habe.
Die Beklagte weist darauf hin, dass es sich um Interna zweier wirtschaftlich eng verflochtener Gesellschaften handele. Deshalb habe sie sich darauf beschränkt, im Bundesanzeiger die Veröffentlichung der Frachtenausschussbeschlüsse zu verfolgen. Wegen der Transportverpflichtungen in nur einer Verkehrsrelation sei ihr nicht zumutbar gewesen, den gesamten Frachten- und Tarifanzeiger zu beziehen. Von grobfahrlässigem Verhalten könne keine Rede sein.
Das Landgericht hat die Klage mangels Beweises einer groben Fahrlässigkeit abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage jedoch im wesentlichen entsprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Unstreitig hat die Beklagte die für die Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG von den Frachtenausschüssen festgesetzten Beförderungsentgelte, zu denen auch die Zuschläge gehören, überschritten. Diesen als Rechtsverordnung erlassenen Beschlüssen unterlag auch die Beklagte, denn sie hat Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG erbracht. Der zwischen ihr und der Firma A betriebene Frachtverkehr ist nicht als Werkverkehr im Sinne des § 5 Abs. 1 BSchVG erbracht worden. Werksverkehr ist nämlich nur die Beförderung von eigenen Gütern für eigene Zwecke des Unternehmens mit eigenen Schiffen. Die von der Beklagten durchgeführte Güterbeförderung diente aber nicht nur eigenen Zwecken ihres Unternehmens. Richtig ist zwar, worauf auch die Beklagte hinweist, dass sie mit der Firma A personell und kapitalmäßig eng verflochten war. Daraus folgt jedoch nicht, dass sie ein Unternehmen im Rechtssinne darstellten. Die Beklagte und die Firma A waren vielmehr rechtlich selbständige juristische Personen, die lediglich eine organisatorische Einheit darstellten. In einem solchen Fall liegt jedoch kein Werkverkehr vor (Bundesverwaltungsgericht Betriebsberater 1968/648; Urteil des OVG Münster v. 19. 2. 1976 - 8 K 455/74; Urteil des OVG Münster vom 14. 4. 1975 - XIII A 1243/74 - für das hinsichtlich der Tarifsicherung in der Problematik ähnliche Güterkraftverkehrsgesetz), denn der Ausnahmecharakter des § 5 BSchVG lässt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht zu.
Auch der subjektive Tatbestand des § 31 Abs. 3 BSchVG ist erfüllt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Tarife bedingt vorsätzlich umgangen hat. Jedenfalls hat sie den Tarifverstoß grob fahrlässig herbeigeführt.
Zwar trifft es zu, dass grobe Fahrlässigkeit nur dann angenommen werden kann, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders starkem Maße verletzt wird, wenn nicht ganz naheliegende Überlegungen angestellt werden und nicht das getan wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Palandt BGB 35. Aufl. § 277 Anm. 2). Selbst unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe muss die grobe Fahrlässigkeit bejaht werden. Dabei kann es unentschieden bleiben, ob die Zuschläge zu den Frachtsätzen ausschließlich im Bundesanzeiger oder auch ihre Frachten- und Tarifanzeiger veröffentlicht werden. Denn jedenfalls bezog die Beklagte den Bundesanzeiger, in dem nicht nur die Änderung der Frachtsätze, sondern auch die Änderung der Zuschläge veröffentlicht war, so dass die Beklagte sich also un¬schwer hätte informieren können.
Der Senat vermag sich der von der Beklagten vertretenen Ansicht, die Veränderungen seien dem Bundesanzeiger nur in verklausulierter Form zu entnehmen gewesen. nicht zu folgen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Exemplar vom 21. Juni 1974 ist klar und deutlich zu erkennen, dass die Frachtzu- und Abschläge für bestimmte Beförderungen in einen bestimmten Prozentsatz erhöht worden sind. Wenn auch nur allgemein von Frachtzu- und Abschlägen die Rede ist, so musste doch der Beklagten als Gewerbetreibender, zu deren Berufspflichten es gehörte, sich nach den einschlägigen Rechtspflichten zu erkundigen und diese zu beachten, auffallen, dass dazu auch Kleinwasser- und Gasölzuschläge gehörten. Die Tatsache, dass die Beklagte überhaupt derartige Zuschläge - nur in falscher Höhe - berechnete, beweist, dass sie von der Existenz derartiger Zuschläge ausging. Ihr waren lediglich die in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen entgangen. Dies muss ihr umso schwerer angelastet werden, als sie die entsprechenden Rechtsvorschriften nur bezüglich eines bestimmten Frachtgutes und für eine bestimmte Frachtstrecke zu kontrollieren hatte.
Worauf die Nichtbeachtung der Tarifvorschriften zurückzuführen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Die Beklagte hat ihren Geschäftsbetrieb jedenfalls personell so einzurichten, dass die Einhaltung der gesetzlichen Tarifvorschriften gewährleistet ist.
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Der Gewerbetreibende, der ständig mit derartigen Frachtsätzen umgeht, weiß, dass sich der Wasserstand täglich auch ändern kann; er muss daher den Tag, der für die Frachtberechnung maßgeblich ist, genau festhalten, und die für diesen Tag geltenden Sätze sorgfältig kontrollieren und der Frachtberechnung zugrundelegen. Bei den Gasölzuschlägen hat die Beklagte 3 im Laufe der Zeitspanne eingetretene Veränderungen der Frachtzuschläge nicht beachtet und - wie sich aus einem Vergleich des Frachtraumes zur Jahrestransportleistung ergibt - über einen Zeitraum von 6 Monaten von Veränderungen der Zuschläge keinerlei Notiz genommen.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht vermag es sie auch nicht zu entlasten und ihr Verschulden nicht zu mindern, dass die Schifffahrtsdirektion die in den ihr übersandten Transporterklärungen und Rechnungen enthaltenen Frachtberechnungen nicht beanstandet hat. Wie die zusätzlich vorgenommenen Betriebsprüfungen zeigen, dient die Übersendung dieser Belege nicht in erster Linie der Kontrolle der Frachtsätze. Darüber hinaus kann das Schweigen der Behörden schon deshalb keine Bestätigung für den entsprechenden Sachbearbeiter und eine mögliche Entlastung der Beklagten darstellen, weil sich die Frachtsätze sowie die Zuschläge täglich ändern können, also täglich neu überprüft werden müssen.
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Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung in NJW 1975/1283 im Verhältnis zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer entschieden, dass der Hauptfrachtführer nach § 31Abs. 3 BSchVG nur dann zur Zahlung herangezogen werden kann, wenn die unzulässige Tarifüberschreitung höher ist als die im Frachtvertrag mit dem Absender. Ganz abgesehen davon, dass ein solcher Fall hier nicht vorliegt, wäre aber auch bei Berücksichtigung ausschließlich solcher Erwägungen der wirtschaftlichen Bedeutung des Frachtenbildungsverfahrens und seiner Einhaltung nicht genügend Rechnung getragen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Tarifregelung liegt nicht darin, dem einen oder anderen Frachtführer oder Auftraggeber keine finanziellen Vor- oder Nachteile zu verschaffen. Die Tarifregelung und Tarifsicherung ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen Lenkungsmaßnahmen innerhalb der zur Verfügung stehenden Verkehrsträger (Schiene, Straße, Binnenwasserstraße), die durch strukturelle und organisatorische Rationalisierungsmaßnahmen vor wirtschaftlichen Schäden durch ruinösen Wettbewerb unter den verschiedenen Verkehrsträgern und den Unternehmen in den einzelnen Beförderungszweigen geschützt werden sollen. Gegen diesen primären Sinn und Zweck der im Interesse der Allgemeinheit aufgestellten Pflichten - und nicht gegen die bloße Ordnungsfunktion - verstößt die Beklagte, wenn sie die Tarifvorschriften verletzt. Auf die wirtschaftliche Verflechtung der Beklagten mit der Firma A kann es dabei nicht entscheidend ankommen."