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Urteil
des Berufungsausschuss der Moselkommission
vom 10. September 2009
Auf Berufung gegen das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 20.03.2008 - 4 C 8/06.BSchMo -
In der Moselschifffahrtssache
___,
Beklagter und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ___
gegen
___,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ___
hat der Berufungsausschuss der Moselkommission in Trier nach öffentlicher Verhandlung in seiner Sitzung vom 03. Juli 2009, an welcher teilgenommen haben ___ (Vorsitzender), ___ und ___ in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, ___, gestützt auf Art. 34 des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel vom 27. Oktober 1956 in Verbindung mit Art. 37 der revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 folgendes Urteil erlassen:
Es wird Bezug genommen auf:
1.
das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 20.03.2008, das dem Beklagten am 27.03.2008 zugestellt worden ist;
2.
die Berufungsschrift des Beklagten vom 15.04.2008, eingegangen bei Gericht am 17.04.2008;
3.
die Berufungsbegründung des Beklagten vom 13.05.2008, eingegangen bei Gericht am 14.05.2008;
4.
die Berufungserwiderung der Klägerin vom 02.06.2008, eingegangen bei Gericht am 17.06.2008;
5.
den Schriftsatz der Klägerin vom 04.06.2009, eingegangen bei der Moselkommission am 08.06.2009;
6.
die Akten 4 C 8/06.BSchMo Moselschifffahrtsgericht St. Goar sowie die Akten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest OWi-Nr. 61/06.
Die genannten Akten haben dem Berufungsausschuss vorgelegen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit für einen Schiffsunfall, der sich am 24.09.2005 gegen 17.30 Uhr auf der Mosel bei Brodenbach ereignet hat. Die Klägerin ist Kaskoversicherer des Segelbootes „___“ (6,30 m lang, 1,90 m breit) und nimmt aus übergegangenem und abgetretenem Recht den Beklagten als Schiffseigner und Schiffsführer der MS „___“ (80 m lang, 8,20 m breit, 1.210 t) auf Schadenersatz in Anspruch.
Am Unfalltag veranstaltete der Segelclub ___ bei Brodenbach (Mosel-km 24,000-27,000 rechtes Ufer) eine genehmigte Segelregatta. Die durchgehende gewerbliche Schifffahrt wurde über den nautischen Informationsfunk (NIF) auf diese Veranstaltung hingewiesen. Der entsprechende Sendeauftrag hatte u.a. zum Gegenstand, dass die in diesem Bereich gelegene Wasserskistrecke gesperrt sei und in den Regattapausen die Schifffahrt nach Anweisung der Wasserschutzpolizei die genannte Strecke in langsamer Fahrt passieren könne. An dieser Veranstaltung nahm das Segelboot „___“ teil, das vom Bootseigner und Bootsführer ___ geführt wurde; weiteres Besatzungsmitglied war dessen Ehefrau.
MS „___“ befuhr die Regattastrecke, auf der einige Segelboote unterwegs waren, talwärts. An seinem Schlepptau befand sich die polnische Segelyacht „___“ (8,15 m lang, 2,20 m breit, Verdrängung 5,9 t), die einen Motorschaden erlitten hatte und deshalb von MS „___“ gezogen wurde. Schleppleine war ein dunkelblaues Nylontau (ca. 1,5 cm dick) mit einer Gesamtlänge von etwa 40 m, das aber nicht in voller Länge ausgebracht war. Auf MS „___“ war kein Schleppzylinder gesetzt; das Schlepptau war nicht durch zusätzliche Markierungen besonders kenntlich gemacht.
Gegen 17.30 Uhr begegneten sich das Segelboot „___“, das links der Flußmitte zu Berg fuhr, und der Schleppverband etwa bei Mosel-km 26,500. Nach Umfahren der Wendeboje kreuzte „___“ gegen den Wind und wollte zu Tal fahrend hinter dem MS „___“, aber noch vor der polnischen Segelyacht „___“ zum rechten Moselufer gelangen, um seine Talfahrt im Regattabereich fortzusetzen. Dabei erkannte der Zeuge ___ das Schlepptau zwischen MS „___“ und „___“ nicht, so dass der Mast des Segelbootes gegen das Tau prallte und in einer Höhe von etwa 2,70 m brach. „___“ vollzog eine Eigendrehung, kenterte und wurde kieloben treibend von der Segelyacht „___“ gerammt. Dabei wurden die Insassen von „___“ nicht unerheblich verletzt. Das Segelboot wurde beschädigt.
Unter Bezug auf die Regulierung des Kaskoschadens und gestützt auf eine Abtretung der Zeugen ___ und ___ vom 07.04./05.05.2006 (Bl. 51 GA) hat die Klägerin Erstattung des Sachschadens sowie wegen der Verletzung der Zeugen ___ Schmerzensgeld und Ersatz deren Unkosten, u.a. Heilbehandlungskosten verlangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand im Urteil des Moselschifffahrtsgerichts vom 20.03.2008 (Bl. 183 ff GA) Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Moselschifffahrtsgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 6.063,40 € Schadenersatz, weitere 4.230,00 € Schmerzensgeld und 883,34 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren jeweils nebst 5 % Zinsen seit dem 29.06.2006 zu zahlen; wegen eines Teils der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren hat es die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung schulde der Beklagte Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1.04 MoselSchPV. Der Beklagte habe gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1.04 MoselSchPV als auch gegen die Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht verstoßen, in dem er die Segelyacht „___“ mit einem dunklen, dünnen Schleppseil hinter sich hergezogen habe, ohne dies als solches erkennbar zu machen. Das Schlepptau sei, was nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme feststehe, nur schwer oder erst zu spät – etwa in einem Abstand von 10 m – erkennbar gewesen. Der Beklagte habe, auch im Hinblick auf die ihm bekannte Segelregatta, das Schlepptau gesondert kenntlich machen müssen, etwa durch Fäden, Fahnen oder Stofffetzen. Ein Mitverschulden des Zeugen ___ liege nicht vor; selbst wenn das Schleppseil nur auf eine Länge von etwa 20 m ausgebracht gewesen sei, habe der Zeuge ___ mit dem Segelboot gefahrlos zwischen MS „___“ und der nachfolgenden Segelyacht „___“ kreuzen können. Es gereiche auch nicht zum Mitverschulden, dass der Zeuge ___ etwaige Warnrufe nicht beachtet habe, da nicht feststehe, dass der Zeuge ___ noch rechtzeitig habe reagieren können.
Das Moselschifffahrtsgericht ist von der Aktivlegitimation der Klägerin ausgegangen und hat den geltend gemachten Kaskoschaden in Höhe von 5.112,52 €, Gutachterkosten in Höhe von 530,63 € und materielle Schäden der Zeugen ___ in Höhe von 419,85 € zuerkannt. Unter Berücksichtigung der Verletzungen und psychosomatischen Beschwerden des Zeugen ___ hat es für diesen ein Schmerzensgeld von 2.025,00 € zuerkannt, hinsichtlich der Zeugin ___, ausgehend von einer offenen Mittelhandfraktur, Prellungen und Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit von 6 Wochen, ein Schmerzensgeld von 2.205,00 €. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihm am 27.03.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17.04.2008 Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Moselkommission eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 13.05.2008, bei Gericht eingegangen am 14.05.2008, begründet.
Der Beklagte greift das Urteil in vollem Umfang an. Er macht geltend, dass die fehlende gesonderte Kennzeichnung des Schlepptaus nicht nach § 1.04 MoselSchPV sowie wegen Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflicht geahndet werden könne, da nach speziellen Vorschriften der Moselschifffahrtspolizeiverordnung, insbesondere § 3.09 Ziff. 6, eine Kennzeichnung gerade nicht vorgeschrieben sei. Unzutreffend sei auch, dass der Beklagte von einer in Gang befindlichen Segelregatta Kenntnis gehabt habe; nach dem Text der NIF-Durchsage sei der Beklagte von einer Regattapause ausgegangen, zumal er von einem Begleitboot des veranstaltenden Segelclubs eskortiert worden sei. Entgegen der Erlaubnis und der NIF-Durchsage sei die Strecke nicht abgesichert gewesen. Der Zeuge ___ habe bei gebotener Aufmerksamkeit und nautischer Sorgfalt auch ohne die eingeforderten Hilfsmittel die Schleppleine bemerken müssen, für ihn sei auch erkennbar gewesen, dass die Yacht „___“ nicht aus eigener Kraft fahre, sondern geschleppt werde. Seinen hierzu angebotenen Beweis habe das Moselschifffahrtsgericht übergangen. Der Beklagte rügt ferner Verfahrensfehler bei der Beweiserhebung und wendet sich gegen die Beweiswürdigung sowie gegen die Ablehnung eines Mitverschuldens des Zeugen ___. Ferner greift er die Beweisfeststellungen zur Schadenshöhe und zum Schmerzensgeld an.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts – Moselschifffahrtsgericht – St. Goar vom 20.03.2008 (4 C 8/06.BSchMo) abzuändern, die Klage abzuweisen und im Kostenpunkt aufzuheben,
hilfsweise
das Verfahren an das Moselschifffahrtsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und die Beweisfeststellungen. Sie vertritt die Auffassung, dass MS „___“ einen Schleppzylinder nach § 3.09 Nr. 1 MoselSchPV habe setzen müssen, da die Ausnahme nach § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV nicht eingreife. Jedenfalls verlange es das Rücksichtnahmegebot und die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, dass der Beklagte beim Durchfahren eines Regattafeldes die schwer erkennbare Schleppleine kennzeichne und gesondert sichere. Dem Beklagten sei auch vorzuwerfen, dass er seine Geschwindigkeit von ca. 6 – 8 km/h im Regattafeld nicht herabgesetzt und seinen Wahrschauposten am Heck des Schiffes zu früh verlassen habe.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 823, 249 ff BGB, 3, 92 ff, 114 BSchG, 67 VVG, 398 BGB gegen den Beklagten zu. Soweit sie aus abgetretenem Recht Ansprüche der Zeugen ___ verfolgt, fehlt es bereits an ihrer Aktivlegitimation (Ziffer I.). Im Übrigen scheitert ihr Begehren daran, dass sich ein schuldhaftes Fehlverhalten des Schiffsführers von MS „___“ nicht feststellen lässt (Ziffer II).
I.
Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert, soweit sie wegen der Verletzung der Zeugen ___ Schmerzensgeld und Erstattung der ihnen entstandenen Unkosten, auch Heilbehandlungskosten verlangt. Der aufgrund der Abtretung vom 07.04./05.05.2006 verfolgte Rechtsübergang der Ansprüche auf die Klägerin ist wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz gem. § 134 BGB i. V. m. Art. 1 § 1 Abs. 1, RBerG nichtig. Auf entsprechend erfolgten Hinweis in der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass die Abtretung aus prozessökonomischen Gründen erfolgt sei, um zwei getrennte Rechtstreitigkeiten, die insgesamt höhere Kosten auslösen könnten, zu vermeiden. Mit diesem Anlass ist die Abtretung auf die Verfolgung und Einziehung von persönlichen Schadensersatzforderungen der Zeugen ___ gerichtet und erschöpft sich im Kern in einer Inkassofunktion. Steht bei der Abtretung einer Kundenforderung das Bestreben im Vordergrund, für den Kunden die Regulierung von Ersatzansprüchen aus Anlass eines Unfalles zu besorgen, handelt es sich um die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit (ständige Rechtsprechung BGH NJW 1985, 1223). Dies gilt für den Zeugen ___ als Versicherungsnehmer, erst recht für seine Ehefrau, die Zeugin ___. Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i. S. d. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG ist jedoch ohne Erlaubnis unwirksam. Das Rechtsberatungsgesetz ist zwar am 01.07.2008 außer Kraft getreten (BGBl. I 2007, Seite 2840, 2860), aber auf den vorliegenden Fall der Abtretung im Jahre 2006 anwendbar (BGH, Urteil vom 03.07.2008 – III ZR 260/07 -, NJW 2008, 3069). Dass die Klägerin als Versicherungsunternehmen über eine gesonderte Inkassoerlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 2 RBerG verfügt, ist nicht geltend gemacht und auch aus sonstigen Umständen nicht ersichtlich.
Eine Erlaubnis ist im vorliegenden Fall auch nicht gem. Art. 1 § 5, insbesondere Nr. 1 RBerG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung können kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit dem Geschäft ihres Gewerbebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Sie betrifft Fälle, in denen die Haupttätigkeit des Unternehmers ohne die Erledigung rechtlicher Angelegenheiten für seine Kunden überhaupt unmöglich wäre oder in denen die Haupttätigkeit sonst nicht sachgemäß erledigt werden kann, wobei Hilfsansprüche mit einbezogen sind. Zu dem Geschäftsbereich der Klägerin als Sachversicherer gehört es, Ersatzansprüche zur Regulierung des Kaskoschadens zu verfolgen. Hierzu zählen aber keine immateriellen Schadenersatzansprüche sowie Ansprüche aus der Heilbehandlung einer Person oder sonstige erstattungsfähige Unkosten, die – wie hier – mit dem versicherten Sachschaden nicht unmittelbar in Zusammenhang stehen; es handelt sich hierbei auch nicht um ergänzende Ansprüche, wie etwa der Selbstbehalt des Versicherungsnehmers, die die Regulierung des Schadens am versicherten Gegenstand komplettieren sollen.
II.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet, da ein schuldhaftes Fehlverhalten des Beklagten nicht festzustellen ist.
1.
Ein Verstoß gegen die Bezeichnung des Schleppverbandes in Fahrt nach § 3.09 Nr. 1 MoselSchPV liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung muss das Fahrzeug mit Maschinenantrieb an der Spitze eines Schleppverbandes bei Tag einen näher gekennzeichneten gelben Zylinder auf dem Vorschiff so setzen, dass er von allen Seiten sichtbar ist. Dieser sogenannte Schleppzylinder war hier nicht gesetzt. Seiner bedurfte es nach der Ausnahmebestimmung des § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung, die bis zum 28.02.2007 Gültigkeit hatte, aber nicht. § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV bestimmte, dass dieser Paragraph weder für Kleinfahrzeuge gilt, die ausschließlich Kleinfahrzeuge schleppen, noch für das Schleppen von Kleinfahrzeugen; für diese Kleinfahrzeuge gilt § 3.13 Nr. 2 und 3. Letztere Bestimmungen sehen Regelungen für die Nachtbeleuchtung vor. Die Havarie erfolgte hier nach Jahres- und Uhrzeit bei Tageslicht mit ausreichender Sicht, wie die erstinstanzlich vernommenen Zeugen bestätigt haben.
Bei der Segelyacht „___“ handelt es sich unstreitig um ein Kleinfahrzeug i. S. v. § 1.01 lit. m MoselSchPV, nämlich um ein Fahrzeug, dessen Schiffskörper, ohne Ruder und Bugspriet, eine Höchstlänge von weniger als 20 m aufweist. Die weiter geregelten Ausnahmen treffen nach der Größe der Yacht nicht zu.
Nach § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV a. F. gilt für das Schleppen eines derartigen Kleinfahrzeugs die Kennzeichnung durch einen Schleppzylinder gem. Nr. 1 der Bestimmung nicht. Dieser Wortlaut in seiner damaligen Fassung ist eindeutig und insoweit auch übereinstimmend mit der entsprechenden Regelung des § 3.09 Nr. 6 RheinSchPV. Nach der in Nr. 6 vorhandenen Verknüpfung beider Alternativen (weder – noch) kommt auch hinreichend zum Ausdruck, dass die Bestimmung sich nicht nur auf schleppende Kleinfahrzeuge, sondern auch auf das Schleppen von Kleinfahrzeugen durch gewerbliche Schifffahrt bezieht. Soweit sich in der Literatur die Auffassung findet (Bemm/von Waldstein, RheinSchPV, 3. Aufl. 1996, RheinSchPV § 3.09 Rnr. 2, 3), dass das schleppende Fahrzeug an der Spitze des Verbandes den Schleppzylinder auch dann zu setzen habe, wenn es lediglich ein Kleinfahrzeug schleppe, steht dem der Wortlaut von § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV (entsprechend RheinSchPV) in der damaligen Fassung entgegen, mag auch die vom Verfasser gegebene Begründung, nämlich bessere Erkennbarkeit für andere Verkehrsteilnehmer, als Anregung, eine Änderung zu überdenken, sinnvoll sein. § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV in der seit dem 01.03.2007 geltenden Fassung bestimmt nunmehr (wie § 3.29 Nr. 4 DonauSchPV Anlage A), dass dieser Paragraph nicht für Kleinfahrzeuge gilt, die ausschließlich Kleinfahrzeuge schleppen, und nicht für geschleppte Kleinfahrzeuge; für diese Kleinfahrzeuge gilt § 3.13 Nr. 2 und 3. Aus dieser Änderung lässt sich jedoch nicht rückwirkend ein Pflichtenverstoß herleiten.
2.
Eine schuldhafte Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 MoselSchPV oder der hiermit einhergehenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht lässt sich nach Auffassung des Berufungsausschusses ebenfalls nicht feststellen.
Grundsätzlich kann eine Haftung wegen Verstoßes gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht oder Verkehrssicherungspflichten neben speziellen Vorschriften in Betracht kommen. Ist allerdings in speziellen Vorschriften ein bestimmtes Verhalten geregelt, geht diese spezielle Regelung der allgemeinen Norm vor; eine von der speziellen Norm abweichende Verhaltenspflicht ergibt sich nur dann, wenn besondere Umstände einen eigenständigen Sorgfaltsverstoß begründen können. Diese Grundsätze gelten auch für die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht (BGH Urteil vom 16.05.2006 – VI ZR 189/05 -, NJW 2006, 2326 „baurechtliche Sicherheitsvorschriften“; Urteil der Berufungskammer der ZKR vom 03.03.1999, ZfB 1999, SaS 1740; Bemm/von Waldstein, RheinSchPV 3. Aufl. 1996, § 1.04 Rnr. 2; für den Straßenverkehr: OLG Karlsruhe NZV 1992, 248; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 1 StVO Rn 48).
Nach den für die Mosel geltenden schifffahrtspolizeilichen Vorschriften erforderte zum Unfallzeitpunkt das Schleppen eines Kleinfahrzeugs bei Tag keine gesonderte Kennzeichnung. Es müssen demgemäß besondere Umstände hinzutreten, die nach der allgemeinen Sorgfaltspflicht im nautischen Verkehr ein weitergehendes Handeln erfordern. Im Rahmen der gleichgelagerten Verkehrssicherungspflicht entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Hierbei kann nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden, nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts muss Vorsorge getroffen werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es reicht daher aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf. In Fällen, in denen nach diesen Grundsätzen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, trifft den Schädiger kein Unrechtsvorwurf (ständige Rechtsprechung BGH NJW 2006, 610; NJW 2006, 2326).
Für den Schiffsverkehr ist anerkannt, dass unbeschadet des gewissen Vorrangs der Großschifffahrt gegenüber Kleinfahrzeugen die Grundregel des Schiffsverkehrs unberührt bleibt, nach der die Schiffsführer über die Bestimmungen der einzelnen Schifffahrtspolizeiverordnungen hinaus alle Vorsichtsmaßregeln zu treffen haben, welche die allgemeine Sorgfaltspflicht und die berufliche Übung gebieten, um gegenseitige Beschädigungen und Behinderungen der Schifffahrt zu vermeiden. Ist durch das Verhalten der Großschifffahrt eine Gefahrenlage entstanden, so ist sie verpflichtet, bei der Sicherung des Verkehrs auch die Kleinfahrzeuge im Auge zu behalten; hierzu kann es notwendig sein, andere oder weiter gehende Maßnahmen als solche zu ergreifen, die allein zum Schutz der Großschifffahrt erforderlich sind (zum Vorstehenden BGH VersR 1974, 468, 469).
An diese Grundsätze anknüpfend ist ein vorwerfbarer Pflichtenverstoß des Beklagten nicht festzustellen.
In der Schlepplänge kann kein gefahrerhöhender, nicht vom Regelungsbereich des § 3.09 Nr. 6 MoselSchPV erfasster Umstand gesehen werden. Der Schleppabstand ist letztlich ungeklärt. Er ist begrenzt durch die Länge des Schlepptaus von ca. 40 m abzüglich der nötigen Befestigungslängen. Nach dem Vortrag der Parteien und den Angaben der Zeugen lag der Schleppabstand in einem Bereich zwischen 20 m bis wahrscheinlich 35 m; soweit Zeugen von Abständen über 40 m berichtet haben, kann diese Schätzung nach der Seillänge nicht zutreffen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsausschuss eine ausgebrachte Länge von ca. 35 m für am ehesten wahrscheinlich gehalten, was allerdings wegen des auf MS „___“ zurückversetzten Befestigungspunkts um 2 m noch zu reduzieren wäre (Bl. 6 d. Beiakte OWi-Nr. 61/06). Ein derartiger Schleppabstand in einem Bereich von 20 m bis ca. 35 m kann nicht als außergewöhnlich bezeichnet werden. Hierbei kann zu Lasten des Beklagten nicht der größte Abstand zugrunde gelegt werden; für den Beklagten belastende Umstände ist die Klägerin beweispflichtig; ein Nachweis für eine bestimmte Schlepplänge im vorgenannten Größenbereich ist nicht erbracht. Nach den Zeugenaussagen, die auf ungefähren – erfahrungsgemäß nicht hinreichend zuverlässigen – Schätzungen beruhen und nur grobe Anhaltspunkte vermitteln können, besteht keine Möglichkeit, den Abstand im Bereich zwischen 20 m und 35 m zuverlässig zu bemessen. Bei einem Schleppabstand im Bereich der vorgenannten Größenordnung mit dem an der Spitze fahrenden MS „___“ mit 80 m Länge und ca. 8 m Breite brauchte bei Tag mit einer besonderen Gefahrenlage für die Schifffahrt nicht gerechnet werden, die daraus resultiert, dass bei einem kreuzenden Kurs zwischen MS „___“ und der Segelyacht „___“ in Verkennung des Schleppvorgangs die Schleppleine übersehen werden könnte. Der Schleppverband befand sich in Fahrt, die Schiffe waren keine Stilllieger, bei denen mit einer Nutzung der Lücke als nicht fernliegend zu rechnen gewesen wäre (zu diesem Gesichtspunkt vgl. BGH VersR 1974, 468, 469). Bei diesen Gegebenheiten lässt sich nicht feststellen, dass für den Beklagten sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergeben musste, dass es bei der gebotenen nautischen Sorgfalt zu kreuzenden Kursen von Kleinfahrzeugen im verhältnismäßig engen Schleppbereich kommen würde und deshalb der Gefährdungsgefahr durch besondere Kennzeichnung der Leine entgegengewirkt werden müsse. Dies war auch nicht vorsorglich wegen der Ankündigung einer auf der Strecke stattfindenden Regatta erforderlich, da der Beklagte aufgrund der NIF-Meldung nicht damit zu rechnen brauchte, in einen laufenden Regattabetrieb mit eventuell ungewöhnlich gefahrenen Kursen zu geraten, und eine durch Wettbewerbseifer beeinflusste Fahrweise vorausschauend zu bedenken.
Als gefahrerhöhender Umstand, der dem Beklagten Anlass zum Handeln hätte sein müssen, ist auch nicht die (ungehinderte) Einfahrt in die Regattastrecke zu werten, die für die Berufsschifffahrt freigegeben war. Dahinstehen kann, ob entsprechend der NIF-Meldung der Beklagte von einer Regattapause ausging. Der Beklagte konnte jedenfalls bei freier Fahrt von einem verkehrsgerechten Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen, zumal ihn ein Begleitboot des veranstaltenden Vereins geleitete. Auch wenn andere Segelboote, so auch „___“, im Revier waren, löste dies allein rechtlich keine weitergehende Verhaltenspflicht aus, abgesehen davon, welche Handlungsalternativen dem Beklagten für eine Kennzeichnung der Schleppleine zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch zur Verfügung standen. Eine Gefahrerhöhung ist nicht durch den den Vorschriften entsprechenden Schleppzug entstanden, sondern konnte allenfalls durch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer hervorgerufen werden. Der Beklagte, der nach seinem Vortrag am Heck seines Schiffes Wahrschau gehalten hat, mag insoweit die Befürchtung gehabt haben, dass die Führer der Kleinfahrzeuge in Verkennung der Schlepplage versuchen könnten, einen kreuzenden Kurs zu fahren. Es mag dahinstehen, ob der Beklagte rechtlich verpflichtet war, Vorsorge gegen eine mögliche Eigengefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu treffen, die durch ihr eigenes Verhalten und den eingeschlagenen Kurs hervorgerufen wurde. Jedenfalls ist – gleichermaßen als Maßnahme des letzten Augenblicks – eine Warnung erfolgt, wie die Zeugen ___ bekundet haben, auch wenn diese nach ihren Angaben nicht mehr schadensverhütend reagieren konnten. Diese Abläufe können aber die allgemeine Sorgfaltspflicht des Beklagten und seine Verkehrssicherungspflicht nicht dahingehend erhöhen, die Führer der im Revier befindlichen Kleinfahrzeuge über mögliche gefahrenträchtige Kurse vorbeugend zu informieren. Der Beklagte konnte grundsätzlich davon ausgehen, dass sich die betroffenen Verkehrskreise mit der gebotenen nautischen Sorgfalt über den für sich und andere gefahrlosen Kurs vergewissern.
In der von der Klägerin angesprochenen Geschwindigkeit des Schleppverbandes von 6 bis 8 km/h zu Tal lässt sich kein Sorgfaltsverstoß und auch keine Unfallursächlichkeit erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 20.03.2008 – 4 C 8/06.BSchMo – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2009 - Nr.12 (Sammlung Seite 2057 ff.)