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18 U 229/91 - Oberlandesgericht (-)
Decision Date: 11.06.1992
File Reference: 18 U 229/91
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Düsseldorf
Department: -

Leitsätze:

1) Eine „Abschlußbestätigung" enthält die bestätigende, schriftliche Festlegung eines zuvor mündlich erfolgten Vertragsabschlusses. Ihr Inhalt ist für die Bestimmung des Leistungsumfangs des Frachtführers maßgeblich.
2) Ein Vertrag über die Lagerung und den Transport eines Gefahrguts im Sinne des ADNR ist auch bei unzulässiger Verpackung des Ladeguts nicht unwirksam.
3) Vorschriftsgemäße richtige Verpackung ist Sache des Absenders. Deshalb haftet der Frachtführer nicht für den Schaden, der durch eine mangelhafte Verpackung verursacht wird.

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf

vom 11.6.1992

18 U 229/91

(Kammer für Handelssachen des LG Duisburg)

Zum Tatbestand:

Die Beklagte, eine Spediteurin, hatte den Auftrag übernommen, einen Schiffstransport von Duisburg nach Dordrecht zu besorgen. Das Ladegut wurde als „Aluminiumkugelmühlenstaub in Big Bags" beschrieben. Sie beauftragte die Klägerin mit dem Transport und vorheriger Lagerung in einem von der Klägerin zu stellenden Schubleichter. Die Zeit der vorgesehenen Lagerung von 2 bis 3 Monaten wurde um mehrere Monate überschritten, da die Beklagte die Transportorder nicht erteilte und schriftlich erklärte, sie betrachte den Transportabschluss als null und nichtig. Lagergeld zahlte die Beklagte nur für einige Monate. Es war fraglich geworden, ob und ggf. unter welchen Bedingungen das Ladegut transportiert werden durfte.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten weiteres Lagergeld, Räumung ihres Schubleichters, Entschädigung für die Nutzung ihres Leichters bis zu dessen Übergabe nach Räumung und, in der Form einer Feststellungsklage, Ersatz allen Schadens, der daraus erstehe, dass sie von der öffentlichen Hand gezwungen werden sollte, die Partie Aluminium-Kugelmühlenstaub aus dem Leichter zu löschen und zu entsorgen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision durch Beschluss vom 29.3.1993 - II ZR 130/92 - nicht angenommen.


Aus den Entscheidungsgründen:

„I. Zu dem tatsächlichen Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages:


Der Vertragsabschluß als solcher ist unstreitig, ebenso der Umstand, dass die Beklagte dabei als Spediteurin im eigenen Namen aufgetreten ist. Der Inhalt der getroffenen Abmachungen ist dagegen insofern streitig, als nach Darstellung der Beklagten nicht nur Transport und Lagerung vereinbart sein sollen, sondern auch folgende zusätzliche Leistungen der Klägerin: Prüfung des Transportgutes auf seine Eigenschaft als Gefahrgut und in Abhängigkeit von dem Ergebnis dieser Prüfung die Durchführung eines Gefahrguttransportes. Das ergibt sich aus den Angaben der Beklagten in zweiter Instanz, wonach sie der Klägerin ausdrücklich erklärt haben will, sie wisse nicht, ob das Transportgut den ADNR-Bestimmungen unterfalle, sie wende sich gerade deswegen an die Klägerin als Spezialunternehmen auf dem Gebiet solcher Transporte.
Diese Behauptungen der Beklagten übereinen zusätzlichen Leistungsumfang der Klägerin sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen. Dazu ist in erster Linie auf die schriftliche Abschlussbestätigung der Klägerin vom 22.2.1990 zu verweisen, welche die Beklagte unstreitig erhalten und welcher die Beklagte nicht widersprochen hat. Die Abschlussbestätigung enthält lediglich Angaben über den vereinbarten Schiffstransport und die vorübergehende Lagerung des Transportgutes in dem vorgesehenen Schubleichter („Miete"). Hingegen werden weitere Pflichten der Klägerin in dieser Abschlussbestätigung nicht angegeben, es fehlt insbesondere jeglicher Hinweis darauf, dass es sich bei dem Transportgut um so genanntes Gefahrgut handeln könnte. Dieser Inhalt der „Abschlussbestätigung" ist maßgeblich. Die „Abschlussbestätigung" enthält nämlich die bestätigende, schriftliche Festlegung eines bereits zuvor mündlich erfolgten Vertragsabschlusses. Deshalb sind die unter Kaufleuten geltenden Grundsätze für Bestätigungsschreiben anwendbar: Der Empfänger, der das Bestätigungsschreiben widerspruchslos hinnimmt, muss dessen Inhalt als richtig gegen sich gelten lassen.

Die ergänzend vom Einzelrichter durchgeführte Beweisaufnahme zu dem Inhalt der zwischen den Parteien vor Vertragsabschluß gepflegten Verhandlungen hat zu keinem abweichenden Ergebnis geführt.

II. Zur rechtlichen Wertung der vertraglichen Vereinbarungen:

Es handelt sich um einen kombinierten Vertrag, der einerseits die Beförderung von Gütern auf einem Binnenschiff der Klägerin zum Gegenstand hat, zum anderen um die vor dem eigentlichen Transport ebenfalls von der Klägerin übernommene Einlagerung des späteren Transportgutes in einem Binnenschiff (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 26 Binnenschifffahrtsgesetz, Randnote 24, Seite 166). Der Transportteil des Vertrages stellt sich rechtlich als Frachtgeschäft dar, für welches neben den entsprechenden Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes (§ 26 f) die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über das Frachtgeschäft gelten (nach § 26 Binnenschifffahrtsgesetz: §§ 425 bis 427, 430 bis 436, 439 bis 443, 445 bis 451 HGB). Ergänzend kommen die Spezialvorschriften für Binnenschifffahrtstransporte zur Anwendung (z.B. Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein = ADNR).
Soweit außerhalb die Einlagerung von Gütern in einem Binnenschiff vereinbart worden ist, handelt es sich um einen Verwahrungs- oder Lagervertrag. Es sind folglich die für solche Verträge geltenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuches (§§ 416 f HGB) und des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 688 f BGB) anwendbar. Die Besonderheit der Einlagerung, die Verwendung eines Schiffes als „Lagerplatz" für Schüttgut, das in Säcken (Big Bags) verpackt ist, gibt überdies dem Lagervertrag Ähnlichkeiten mit einem Mietverhältnis, so dass u.U. auf Mietrechtsbestimmungen zurückgegriffen werden muss.

III. Zur Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages:

Aus dem unstreitigen Ablauf der Vorverhandlungen und dem Vertragsabschluß selbst ergeben sich keine rechtlich bedeutsamen Abschlussfehler. Eine Unwirksamkeit lässt sich aber auch nicht aus dem Inhalt des Vertrages ableiten, es liegt weder ein verbotenes Rechtsgeschäft vor, noch ist der Vertrag auf eine von Anfang an unmögliche Leistung gerichtet.

1. Bei dem Transportgut handelt es sich um „Aluminiumkugelmühlenstaub". Dieser ist ein „Gefahrgut" im Sinne des ADNR. Der Sachverständige Dr. R. hat in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten das Transportgut in die Klasse IV a der ADNR eingestuft und innerhalb dieser Klage die Bezifferung 32 für maßgeblich gehalten. Das hat dieser Sachverständige noch einmal in seinem für das Gericht erstellte Gutachten bestätigt.
Unter IV a 32 a der ADNR wird „Natriumazid" aufgeführt (siehe: ADNR, Randziffer 6401), welches entsprechend seiner Klassifizierung (Klasse IV a) als giftiger Stoff gilt.
Davon gehen auch beide Parteien aus.

2. Das Transportgut/Gefahrgut darf jedoch bei Beachtung der Vorschriften über den Transport gefährlicher Güter in ein Binnenschiff verladen - und damit auch vorübergehend gelagert - und mit einem Binnenschiff transportiert werden. Es ist allerdings ein für solche Transporte besonders zugelassener Schubleichter erforderlich, außerdem eine den Vorschriften entsprechende Dokumentation. Auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. dazu wird Bezug genommen. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Telefax-Schreiben des Polizeipräsidenten der Wasserschutzpolizei in Duisburg vom 17.1.1991 zu verweisen, dort heißt es nämlich ausdrücklich, dass aufgrund der Analyseergebnisse „aus wasserschutzpolizeilicher Sicht keine Bedenken gegen eine Schiffstransport" bestünden.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Transport in den so genannten „Big Bags" nicht zulässig ist. Dazu hat der Sachverständige Dr. R. darauf hingewiesen, dass die ADNR für das hier vorliegende Transportgut eine Verpackung nach Maßgaben der Randnote 2607 der ADNR verlangen, dass also flexible Großpackmittel aus Kunststoff unzulässig sind. Das trifft den vorliegenden Fall, weil es sich bei den so genannten „Big Bags" um doppelwandige Säcke aus Kunststoffgewebe handelt - das hat die Klägerin in zweiter Instanz ohne Widerspruch der Beklagten so vorgetragen. Bei der richtigen und zulässigen Verpackung des Transportgutes handelt es sich aber nur um eine Modalität des Transportes wie auch der vorübergehenden Lagerung auf einem Binnenschiff, es bleibt deshalb dabei: Unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen über Gefahrguttransporte, auch der Bestimmungen über die richtige Verpackung, sind sowohl Transport wie vorübergehende Einlagerung tatsächlich und rechtlich möglich. Beides verstößt auch nicht gegen ein Gesetz.

3. Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, wonach hier selbst bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot keine Nichtigkeit nach § 134 BGB anzunehmen wäre.

4. Hinsichtlich der Verpackungsfrage sei ergänzend auf folgende Rechtslage hingewiesen:

Die Verpackung und damit auch die richtige/vorgeschriebene Verpackung ist Sache des Absenders (Begriff des Binnenschifffahrtsgesetzes für den Auftraggeber). Deshalb haftet der Frachtführer z.B. nicht für den Schaden, welcher durch eine mangelhafte Verpackung verursacht wird (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 Binnenschifffahrtsgesetz). Entsprechende Regelungen finden sich für nationale und internationale Transporte mit Kraftfahrzeugen (§ 18 Abs. 1 KVO; Artikel 17 Nr. 4 b CMR). Ist es aber Aufgabe der Beklagten, u.a. für die richtige Verpackung des Transportgutes Sorge zu tragen, dann kann sie sich nicht darauf berufen, dass ein „Transport in Big Bags" unzulässig ist. Die von der Klägerin geschuldete Leistung ist der Transport (und die vorübergehende Einlagerung), der Zusatz „in Big Bags" beschreibt lediglich die vorhandene Verpackung, die Aufgabe der Beklagten bleibt.

IV. Für die einzelnen Ansprüche der Klage und der Widerklage folgt aus alledem:

1. Klageantrag zu Nr. 1.a)
Zahlung von 435 600 DM nebst Zinsen:
Es handelt sich um einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Lagergeldes. Dieser ist nach § 420 HGB berechtigt....

2. Klageantrag zu Nr. 1 11):
Räumung des Leichters:
Die Klägerin macht mit diesem Anspruch das Recht des Lagerhalters auf Rücknahme des eingelagerten Gutes geltend. Lediglich in seiner tatsächlichen Ausgestaltung enthält dieser Anspruch hier wegen der Eigenart des „Lagerplatzes" in einem Binnenschiff den Charakter einer „Räumung". Dieser Anspruch ist nach § 422 HGB begründet. Die Klägerin hat zwar nach Ablauf der zunächst bedungenen Lagerzeit das Gut auf dem Lager behalten, danach aber den Lagervertrag gekündigt. Einer Kündigungsfrist bedurfte es nicht, weil ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt (§ 422 Abs. 2 HGB): Die Situation war bereits im Oktober 1990 für die Klägerin unerträglich geworden, weil sich der Charakter des Transportgutes als Gefahrgut herausgestellt hatte, weil hohe Kosten aufliefen und gleichzeitig der finanzielle Zusammenbruch des Kunden der Beklagten zu befürchten war, und weil vor allem die Beklagte nichts mit der Sache zu tun haben wollte....

3 Klageanspruch zu 1.c):
Zahlung von Nutzungsentgelt:
Hierbei handelt es sich um einen Anspruch auf weitere Zahlung von Lagergeld, soweit der Lagervertrag noch Bestand hatte. Soweit er infolge von Kündigung aufgelöst war, handelt es sich um die Zahlung von Nutzungsentgelt bis zur tatsächlichen Rücknahme des Lagergutes (=Räumung). Der zuerst genannte Anspruch ist nach § 420 HGB begründet (siehe oben), die Berechtigung des zweiten Anspruchs ergibt sich aus § 557 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung. Es kann deshalb dahinstehen, zu welchem genauen Zeitpunkt der Lagervertrag kraft berechtigter Kündigung tatsächlich erloschen ist.

4. Klageantrag zu 2.:
Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten:

Auch hinsichtlich dieses Anspruchs folgt der Senat der Entscheidung des Landgerichts. Der Antrag ist zulässig und begründet. Er findet seine rechtliche Grundlage in den Geschäftsbedingungen („Übernahmebedingungen") der Klägerin.... Daneben bestehen auch gesetzliche Grundlagen für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch: § 45 Binnenschifffahrtsgesetz und - so das Landgericht - die Grundsätze über eine Schadensersatzpflicht bei culpa in contrahendo...."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993- Nr.18 (Sammlung Seite 1439 f.); ZfB 1993, 1439 f.