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Leitsatz:
Beweislastfragen im Zusammenhang mit der des Nachts erfolgten Abfahrung einer Fahrwasserbegrenzungstonne.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 22. November 1984
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin behauptet, daß ein der Beklagten gehörender Koppelverband, bestehend aus dem MS G und dem hinter ihm hängenden Leichter S, am 30. Januar 1982 gegen 19.00 Uhr bei Rhein-km 562,6 eine schwarze Fahrwasserbegrenzungstonne abgefahren und durch die Beschädigung unbrauchbar gemacht habe. Die Klägerin verlangt Ersatz des Schadens von ca. 1570,- DM.
Die Beklagte bestreitet Grund und Höhe der Forderung. Ihr Verband habe korrekten Talkurs in der Nähe der Linie der roten Fahrwasserbegrenzungstonnen gefahren. Die Besatzung habe auch von einer Berührung schwarzer Tonnen nichts gespürt. Gelegenheit zur Überprüfung der angeblich beschädigten Tonne habe vor ihrer Verschrottung nicht bestanden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage unter Berücksichtigung der Aussagen von 3 Zeugen, die in der fraglichen Zeit bei km 562,6 Wahrschaudienst gehabt haben, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die von der Beklagten eingelegte Berufung wurde von der Berufungskammer der Rheinzentralkommission als unbegründet zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„....
1. Die Stelle des Rheins, an der sich das umstrittene Geschehen zugetragen hat, war damals eine Baustelle, deren Passage schwierig war. Die zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion unterhielt deshalb dort einen ständigen Wahrschaudienst, der von einem Boote aus arbeitete. Seine Aufgabe war es u. a., die Talfahrt auf die Baustelle hinzuweisen und sie aufzufordern, die roten Fahrwasserbegrenzungstonnen so hart wie möglich anzuhalten. Diesen Dienst versahen in der hier kritischen Zeit die Zeugen B., K. und H. vom Motorboote R aus. Sie hatten jeden Talfahrer über Sprechfunk anzurufen und seinen Kurs zu beobachten. Von solchen Zeugen, deren spezielle Aufgabe die Beobachtung des Reviers und von Veränderungen in demselben durch Talfahrer war, können zuverlässige Wahrnehmungen erwartet werden, denn ihre Beobachtungen erfolgen gezielt und sind nicht zufälliger Art. Alle genannten Zeugen haben dem Rheinschiffahrtsgericht erklärt, sie hätten die umstrittene schwarze Tonne vor der Vorbeifahrt des Koppelverbandes der Beklagten gesehen, während sie unmittelbar danach nicht mehr sichtbar gewesen sei. Ist diese Behauptung richtig, so gibt es für das Verschwinden der Tonne nur eine vernünftige Erklärung, nämlich ihre Anfahrung durch den Verband. Die Aussagen rechtfertigen deshalb eine entsprechende Feststellung. Regeln der Beweislast, deren Anwendung voraussagt, daß eine beweisbedürftige Behauptung unbewiesen geblieben ist, sind nicht anwendbar.
An der Richtigkeit der genannten Zeugenaussagen kann nicht gezweifelt werden. Die Wahrnehmungen, welche sie wiedergeben, erfolgten zwar bei Dunkelheit, aber unter Benutzung eines Radargerätes. Die Aussagen stimmen überein und lassen keine Unsicherheit der Zeugen erkennen. Eine solche liegt entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung nicht in der Erklärung des Zeugen B., er könne nicht den genauen Zeitpunkt nennen, an dem er vor der Vorbeifahrt des Verbandes die umstrittene schwarze Tonne zuletzt gesehen habe. Der Zeuge hat nämlich hinzugefügt, er habe sie vor dieser Vorbeifahrt gesehen. Die Aussage des Zeugen K., man könne „das im Radarbild ja nicht so hundertprozentig genau beurteilen" bezieht sich auf den Kurs des Koppelverbandes und nicht auf die schwarze Tonne. Die betreffende Zeugenaussage ist präzise. Für die Richtigkeit der Beobachtungen der Zeugen spricht auch, daß sie ihren Wahrnehmungen entsprechend gehandelt und den Koppelverband auf das Verschwinden der Tonne angesprochen haben.
2. Die Beklagte macht den Versuch, durch den Hinweis auf den Kurs ihres Verbandes die Feststellung unmöglich zu machen, er habe die umstrittene Tonne, angefahren. Dazu ist zu sagen. Die bereits genannten Zeugen haben erklärt, der Kurs des Verbandes sei nicht zu beanstanden gewesen. Die roten Fahrwasserbegrenzungstonnen seien hart genug angehalten worden. Damit ist aber nicht gesagt, der Verband könne keine schwarze Tonne angefahren haben. Er war 165 m lang. Das Fahrwasser war nur 60 m breit und lag in einer Stromkrümmung. Unter solchen Umständen konnte der Verband, auch wenn er die roten Tonnen anhielt, eine schwarze Tonne anfahren. Wie das im einzelnen geschehen konnte, muß hier nicht dargelegt werden. Es genügt vielmehr die Feststellung, der Kurs schließe eine Anfahrung nicht aus, da deren Feststellung auf anderen Grundlagen beruht.
3. Die Aussagen der Besatzung des Koppelverbandes konnten zur Klärung des Sachverhaltes nichts beitragen. Kein Mitglied der Besatzung hat Wahrnehmungen gemacht, die auf eine Anfahrung schließen lassen. Das schließt aber eine solche nicht aus.
Aus den dargelegten Gründen sieht auch die Berufungskammer den von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt als bewiesen an. Das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts entspricht deshalb den §§ 823 BGB, 3, 4, 114 BSchGes, 304 ZPO. Dabei spricht für das Verschulden der Führung des Verbandes der Beklagten ein Beweis des ersten Anscheins, weil er einen an erlaubter Stelle liegenden, verankerten Gegenstand angefahren hat. Weitere Darlegungen sind hierzu nicht notwendig. Die Beklagte hat den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis aus den dargelegten Gründen nicht auszuräumen vermocht.
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