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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 24. März 1982
(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 28. Januar 1981 - 5 OWi 150/80 BSch -)
Tatbestand und Urteilsgründe:
Am 19.4.1980 befand sich der Betroffene - Eigner und Führer des MS "L" - mit diesem Schiff auf der Fahrt nach Rotterdam. Wegen einer Schiffahrtssperre bei km 767,5 musste er vorübergehend stillliegen. Nach etwa zweistündiger Wartezeit begann er, ohne dass ihm die Weiterfahrt durch die Wasserschutzpolizei freigegeben worden war, mit dem Wenden zu Tal, um seine Reise fortzusetzen. Während des Wendemanövers wurde er durch die Wasserschutzpolizei aufgefordert, sein Manöver abzubrechen und sein Schiff wieder stillzulegen. Der Betroffene beachtete diese Aufforderung nicht, da ihre Befolgung ihm gefährlich zu sein schien. Er befürchtete, hinter ihm stilliegende Schiffe würden ebenso wie er zu Tal wenden und dabei auf Kollisionskurs mit seinem Schiff kommen, wenn dessen Manöver abgebrochen werde. Gegen den Betroffenen erging wegen dieses Verhaltens ein auf § 1.19 RSchPVO gestützter Bußgeldbescheid über DM 100,-, gegen den er wirksam Einspruch eingelegt hat. Das daraufhin mit der Sache befasste Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat wegen der genannten Übertretung die gleiche Geldbusse festgesetzt. Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, zu der die Berufungskammer die folgenden Erwägungen angestellt hat:
1. In formeller Hinsicht:
Geht man davon aus, dass die Berufung am 30.1.1981 bei Gericht eingegangen ist, so ist sie nicht rechtzeitig begründet worden, da die Begründungsschrift erst am 24.3.1981 dem Gericht vorgelegt worden ist. Eine solche Feststellung lässt aber die Tatsache außer Acht, dass das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort dem Betroffenen erst am 5.3.1981 zugestellt worden ist. Wäre die Berufung nicht schon früher eingelegt worden, so hätte die hierfür geltende Frist erst an dem genannten Tag begonnen und wäre am 24.3.1981 noch im Lauf gewesen. Der Betroffene hätte also noch Berufung einlegen können, und zwar auch in der Form, dass die bereits eingelegte zurückgenommen und eine neue an ihrer Stelle gesetzt wurde. Eine Berufungsbegründung, die in einer solchen Verfahrenslage erfolgt, kann nicht als verspätet angesehen werden, da in ihr auch eine zulässige erneute Berufungseinlegung liegt, die gleichzeitig begründet wird.
2. In materieller Hinsicht:
Die Einlassung des Betroffenen, mit der er seinen objektiv gegebenen Verstoss gegen § 1.19 RSchPVO rechtfertigen oder entschuldigen will, muss in vollem Umfange als nicht glaubwürdig zurückgewiesen werden. Es ist jedem Rheinschiffer bekannt, dass Schiffsansammlungen, die mit einer vorübergehenden Sperrung des Stromes für den durchgehenden Verkehr notwendigerweise verbunden sind, von der Strompolizei in den Uferstaaten dadurch nach Aufhebung der Sperre aufgelöst werden, dass nacheinander jedem einzelnen Schiff die Weiterreise freigegeben wird. Diese Freigabe kann über Kanal 10, über Megaphon oder dadurch erfolgen, dass ein Polizeiboot an das betreffende Schiff heranfährt und dabei die entsprechende Erklärung abgegeben wird. Nur so kann verhindert werden, dass nach Aufhebung der Stromsperre die stilliegenden Schiffe in dem Bestreben nach möglichst schneller Fortsetzung der Fahrt fast gleichzeitig aufbrechen, und dass dabei eine unfallträchtige Unordnung entsteht. Dem Betroffenen kann nicht entgangen sein, dass sich ein Polizeiboot in der Nähe seines Liegeplatzes befand. Die Aufgabe seiner Besatzung konnte erkennbar nur darin bestehen, eine geordnete Unterbrechung der Fahrt während der Stromsperre und ihre geordnete Wiederaufnahme nach deren Aufhebung zu gewährleisten. Schon die geschilderten Umstände mussten dem Betroffenen sagen, dass er seine Fahrt nur nach Freigabe durch die Wasserschutzpolizei fortsetzen durfte, weil dies die ständige Regelung war. Hinzu kommt, dass nach den Aussagen der Polizeibeamten G. und K. die Regelung im konkreten Fall so angeordnet worden war. Wenn der Betroffene nichts davon gehört hat, so lag das daran, dass er sein Sprechfunkgerät abgeschaltet hatte beziehungsweise, dass seine Ehefrau es so leise eingestellt hatte, dass sie nichts hören konnte. Das war angesichts einer Situation, in der auf polizeiliche Anordnungen gewartet werden musste, eine Fahrlässigkeit, auf die der Betroffene sich nicht zu seiner Entlastung berufen kann. Schon diese Begründung reicht aus, um den Verstoß gegen § 1.19 RSchPVO festzustellen. Außerdem kann dem Betroffenen auch die Erklärung nicht abgenommen werden, er habe der Aufforderung der Wasserschutzpolizei, sein Wendemanöver abzubrechen, nicht folgen können. Zur Begründung argumentiert er nämlich nicht mit einer wirklich gegebenen, sondern mit einer von ihm unterstellten Gefahr. Sie soll darin bestanden haben, dass auch andere stilliegende Schiffe mit dem Wenden zu Tal hätten beginnen und dabei auf Kollisionskurs mit einem das gleiche Manöver abbrechenden Schiff hätten kommen können. In Wirklichkeit hat kein einziges Schiff außer demjenigen des Betroffenen versucht, ohne polizeiliche Freigabe die Weiterfahrt anzutreten. Der Betroffene hätte also sein Wendemanöver gefahrlos abbrechen können.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisbourg-Ruhrort vom 28.1.1981 wird zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil wird bestätigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Betroffene.
Die Kostenfestsetzung erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte.
Der Stellvertretende Gerichtskanzler: Der Vorsitzende:
(gez.) A. BOUR (gez.) P. QUANJARD