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Leitsätze:
1) Entschuldbarkeit eines sich vorübergehend unter Deck aufhaltenden Schiffsführers für einen regelwidrigen Kurs seines Rudergängers.
2) Zur Bewertung von Zeugenaussagen bzw. Entfernungsschätzungen.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 26. Mai 1981 - 128 B
(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)
Zum Tatbestand:
Das Motorschiff „H" fuhr auf der Bergfahrt in der Höhe von Mainz bei einem Hochwasserstand über Marke 1 entgegen § 10.01 Nr. 1 RhSchPolVO nicht im mittleren Stromdrittel, sondern passierte die Eisenbahnbrücke Mainz-Nord unter dem linksrheinischen Brückenbogen mit 60 m Abstand vom linken Rheinufer. Auf den Einspruch des betroffenen Schiffsführers gegen einen Bußgeldbescheid über 104,- DM erhöhte das Rheinschifffahrtsgericht die Geldbuße auf 150,- DM. Der Betroffene legte Berufung mit der Begründung ein, daß er bei Wiesbaden-Biebrich dem Matrosen R. das Ruder mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die bei Hochwasser geltenden Fahrregeln übergeben habe. Er selbst habe sich unter Deck begeben, um das Schiffstagebuch zu führen und die Toilette aufzusuchen. Als der Matrose ihn an Deck geschellt habe, sei eine Kurskorrektur wegen der Nähe der Brücke nicht mehr möglich gewesen. Die Berufungskammer der Rheinzentralkommission hat den Betroffenen freigesprochen.
Aus den Gründen:
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In der Sache hat die Berufungskammer die vom Rheinschifffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme teilweise dadurch wiederholt, daß sie die Zeugen H. und L. gehört hat. Sie ist aufgrund dieser Vernehmung zu der Ansicht gekommen, daß der Betroffene aus den folgenden Gründen freizusprechen ist. Er hat sich stets mit dem Argument verteidigt, von seinem das Steuer des Schiffes führenden Matrosen erst so spät ins Ruderhaus geschellt worden zu sein, daß er den falschen Kurs seines Schiffes nicht mehr habe verändern können. Die Berufungskammer muß von der Richtigkeit dieser Einlassung ausgehen, da sie durch die Aussagen der von ihr gehörten Zeugen nicht widerlegt wird. Die Zeugen haben die Frage, wie weit das Schiff des Betroffenen von der Eisenbahnbrücke Mainz-Nord entfernt war, als ihre Beobachtungen begannen, unterschiedlich beantwortet. Der Zeuge H. hat die Entfernung auf 400-500 m geschätzt, während die Schätzung des Zeugen L. bei etwa 200 m liegt. Zugunsten des Betroffenen muß von der Richtigkeit dieser letzten Schätzung ausgegangen werden. Das bedeutet, der Entscheidung ist die Feststellung zugrunde zu legen, daß der Betroffene erst ins Ruderhaus kam als sein Schiff etwa 200 m von der Eisenbahnbrücke entfernt war, denn früher ist er dort mit Sicherheit nicht gesehen worden. Auf eine solche Entfernung konnte aber der Kurs seines Schiffes, der nach den Aussagen der von der Berufungskammer gehörten Zeugen eindeutig auf das linksrheinische Brückenjoch und nicht nur auf dessen Strompfeiler gerichtet war, nicht mehr in das mittlere Brückenjoch verlegt werden. Ein solcher Versuch des Betroffenen hätte dessen Schiff fast in eine Querlage gebracht und fast in voller Breite der Wirkung der Strömung ausgesetzt. Das hätte dazu führen können, daß es nicht steuerbar gewesen und deshalb verfallen wäre. Einer solchen Gefahr dürfte es nicht ausgesetzt werden. Die Berufungskammer bemerkt, daß ihrer Ansicht nach die gleiche Gefahr bestanden hätte, wenn das Schiff, als der Betroffene ins Ruderhaus kam, etwa 300 m von der Brücke entfernt gewesen wäre, wie man aus der Aussage des Zeugen H. entnehmen könnte, wenn man unvermeidbare Ungenauigkeiten von Entfernungsschätzungen auf dem Wasser berücksichtigt. Der Betroffene ist aus den dargelegten Gründen auch dann entlastet, wenn man nur die Aussagen der von der Berufungskammer gehörten Zeugen der Entscheidung zugrunde legt. Auf die Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen und der Aussage seines Matrosen vor dem Rheinschifffahrtsgericht kommt es nicht an. Nach beiden erschien der Betroffene erst im Ruderhaus, als sein Schiff fast unter der Eisenbahnbrücke war. Es kann offen bleiben, ob diese Erklärungen richtig sind.
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