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Leitsätze:
1) Auch eine nur zu Sport- und Vergnügungszwecken, nicht zur gewerblichen Benutzung verwendete Motoryacht ist ein Schiff im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes.
2) Im Falle der leihweisen Überlassung einer Motoryacht an andere Personen zur freien Benutzung findet § 3 BSchG zu Lasten des Schiffseigners keine Anwendung, da die Entleiher der Yacht keine Besatzungsmitglieder im gesetzlichen Sinne sind; ein Dienstverhältnis zwischen Schiffseigner und Besatzungsmitgliedern besteht nicht und kann auch nicht in entsprechender Weise angenommen werden.
Urteil des Kammergerichts Berlin
Binnenschifffahrtsobergericht
vom 28. Januar 1974
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte die ihr gehörende und auf Berliner Seen eingesetzte Motoryacht (11 m lang, 3,5 m breit, 2 Motore von je 160 PS) zu Pfingsten 1971 „mehreren Personen zur freien Benutzung überlassen". Von dieser Motoryacht wurde ein bei der Klägerin versichertes Boot, als es von dem Versicherungsnehmer zum Angeln benutzt wurde, an der Nordspitze der Insel Schwanenwerder beschädigt.
Die Klägerin verlangt Ersatz des bereits erstatteten Schadens in Höhe von ca. 550,- DM mit der Behauptung, dass das Boot ihres Versicherungsnehmers von der Yacht der Beklagten „mehrfach bedrängt und schließlich auf das Land abgedrängt" worden sei. Dabei habe das Boot Grundberührung bekommen und sei beschädigt worden. Ferner seien die mitversicherten Angelgeräte zerstört worden.
Die Beklagte hat den Sachvortrag der Klägerin zunächst nicht bestritten und erst in der 2. Instanz geleugnet, dass von den Personen, die die Motoryacht ausgeliehen hätten, ein Unfall verursacht worden sei. Sie hat in erster Linie die Meinung vertreten, dass es sich bei einer Motoryacht der bezeichneten Art (Typ Troyan) nicht um ein Schiff im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes handele. Die Beklagte könne ferner nicht als Schiffseignerin im Sinne des Gesetzes angesehen werden; auch sei - was unstreitig ist - keine der an Bord anwesend gewesenen Personen von ihr als Besatzungsmitglied angestellt oder auch nur bestellt worden.
Das Binnenschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat als Binnenschifffahrtsobergericht die Berufung zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Es bestehen allerdings keine Bedenken, die Motoryacht der Beklagten als Schiff im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes anzusehen.
Die Inanspruchnahme eines Schiffseigentümers auf Ersatz eines durch sein Schiff verursachten Schadens (§ 92 BinnSchG, §§ 734, 735, 738 HGB) setzt jedoch, wenn ihn wie hier kein Verschulden trifft, nach § 3 BinnSchG weiter voraus, dass eine Person seiner Schiffsbesatzung in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen schuldhaft gehandelt hat.
§ 3 BinnSchG ist daher unmittelbar nur anzuwenden, wenn ein Dienstverhältnis zwischen Schiffseigentümer und dem schuldhaft handelnden Besatzungsmitglied bestanden hat (BGHZ 3, 34, 39 = NJW 1952, 64, 65; BGHZ 57, 309, 313 = NJW 1972, 538, 5401]). Dieses Tatbestandsmerkmal ist nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht erfüllt. Aber auch eine entsprechende Anwendung von § 3 BinnSchG kommt nicht in Betracht. Sie ist nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn bei gleicher Interessenlage dem Geschädigten ein gleichwertiger Schutz gewährt werden muss. Eine gleiche Interessenlage liegt zum Beispiel vor, wenn der Schiffseigner Arbeiten, die typische Schiffsgefahren abwenden sollen, so die Bewachung beladener Schuten, nicht durch Angehörige der Schiffsbesatzung, sondern durch Angehörige eines anderen, selbständigen Betriebes ausführen lässt und hierbei Schäden entstehen (BGHZ 3, 34, 40 ff = NJW 1952, 64, 65). § 3 BinnSchG ist vom BGH ferner für entsprechend anwendbar gehalten worden, wenn ein Jollenkreuzer nicht von der des Segelns unkundigen Eigentümerin, sondern von einem Bekannten der Eigentümerin aus Gefälligkeit dieser gegenüber geführt wird (BGHZ 57, 309 = NJW 1972, 5381] = VersR 1972, 246). In diesen Fällen liegt zwar kein Dienstverhältnis zwischen Schiffseigner und Schiffsführer bzw. Schiffsbesatzung vor. Die entsprechende Anwendung des § 3 BinnSchG ist jedoch deshalb gerechtfertigt, weil die Personen, bei deren Tätigkeit die typischen Schiffsgefahren zum Tragen kommen, im Interesse des Eigentümers tätig werden. Ein dem Tatbestand des § 3 BinnSchG rechtsähnlicher Sachverhalt liegt aber dann nicht vor, wenn der Eigentümer wie im vorliegenden Falle das Schiff anderen Personen zur freien Benutzung überlassen hatte, denn diese wurden dann nicht im Interesse des Eigentümers tätig, sie benutzten das Schiff vielmehr im eigenen Interesse und auf eigene Verantwortung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie für mit dem Schiff schuldhaft verursachte Schäden nicht nur nach § 823 BGB, sondern auch nach § 2 BinnSchG haften (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Gesetzesbestimmung Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., Anm. 1 a, b und 2 a, b zu § 2 Binnen-schifffahrtsgesetz). Selbst wenn die letztgenannte Gesetzesbestimmung nicht anwendbar wäre, so ließe das nicht den Umkehrschluss darauf zu, dass § 3 BinnSchG zu Lasten des Schiffseigentümers angewendet werden müsse.
Ebenso wenig kommt eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB in Frage. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass die Personen, denen die Beklagte die Benutzung der Motoryacht überlassen hatte, als Verrichtungsgehilfen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung anzusehen sind. Für das in § 831 BGB vorausgesetzte Abhängigkeitsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Verrichtungsgehilfen (vgl. zum Beispiel Erman-Drees, BGB, 5. Aufl., § 831 Anm. 18; Palandt-Thomas, BGB, 32. Aufl., § 831 Anm. 3 a) besteht hier auch kein Anhaltspunkt.
Der Senat hat nicht verkannt, dass die Gefahren, die für Dritte bei der Benutzung einer Motoryacht entstehen können, erheblich sein können. Er ist jedoch der Auffassung, dass es dem Gesetzgeber überlassen bleiben muss, ob er für bei dem Betrieb solcher oder ähnlicher auf Binnenschifffahrtsstraßen zu benutzender Fahrzeuge für den Schiffseigner eine Gefährdungshaftung ähnlich der in den §§ 7 ff StVG geregelten einführen will.
Anmerkung:
ZfB 1974 S. 388, ZfB 1974, 388
Auch eine nur zu Sport- und Vergnügungszwecken, nicht zur gewerblichen Benutzung verwendete Motoryacht ist ein Schiff im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes.
Im Falle der leihweisen Überlassung einer Motoryacht an andere Personen zur freien Benutzung findet § 3 BSchG zu Lasten des Schiffseigners keine Anwendung, da die Entleiher der Yacht keine Besatzungsmitglieder im gesetzlichen Sinne sind; ein Dienstverhältnis zwischen Schiffseigner und Besatzungsmitgliedern besteht nicht und kann auch nicht in entsprechender Weise angenommen werden.
Urteil des Kammergerichts-Binnenschifffahrtsobergericht
vom 28. Januar 1974
12 U 999/73
(Binnenschifffahrtsgericht Berlin-Charlottenburg).
Das Kammergericht verweist auf den Fall des Jollenkreuzers, dessen Führung ein Bekannter aus Gefälligkeit übernommen hatte, weil die Eignerin des Segelns unkundig war. ZfB 72, 225 = BGHZ 57, 309. Hier sieht das KG die entsprechende Anwendung des § 3 BSchG als gerechtfertigt an, weil der Bekannte im Interesse der Eignerin tätig geworden sei. Im vorliegenden Fall hätten aber die Personen das Schiff im eigenen Interesse und auf eigene Verantwortung benutzt. Sie seien nicht im Interesse des Eigners tätig geworden.
Diese Auslegung der Rechtsprechung des BGH dürfte zu eng sein. In ZfB 72, 225 = BGHZ 57, 309 heißt es allgemein, die Haftungsbestimmungen der §§ 3, 4, 114 BSchG seien entsprechend anzuwenden, wenn die Gleichheit der Interessenlage es gebiete, dem Geschädigten einen gleichartigen Schutz zu gewähren. Das Schutzbedürfnis Dritter bestehe unabhängig davon, ob ein Dienstverhältnis bestehe oder ob jemand das Schiff aus Gefälligkeit führe. Dann aber sei es nicht gerechtfertigt, den Schiffseigner je nach seinen Beziehungen zu dem Schiffsführer haftungsmäßig unterschiedlich zu behandeln, zumal er in allen Fällen dem Schiffer die Führung des Schiffes überlassen und erst dadurch die Fahrt des Schiffes und das Auftreten der damit für andere verbundenen Gefahren ermöglicht habe. In der Besprechung bei LM § 1 BSchG Nr. 1 meint Bauer, beschreite man den Weg, den die Entscheidung gegangen sei, weiter, so werde man in Zukunft die Vorschrift des § 3 BSchG unmittelbar oder entsprechend auch auf alle Kleinfahrzeuge anzuwenden haben.
Dass es nicht darauf ankommen kann, ob die Fahrt im Interesse des Eigners erfolgte, zeigt auch die Rechtsprechung zur Schwarzfahrt. Als ein Matrose mit seinen Zechkumpanen, die alle betrunken waren, eine Schwarzfahrt unternahm und Schaden anrichtete, hat der BGH die Haftung des Eigners aus § 3 BSchG bejaht. Der Begriff in Ausführung der Dienstverrichtungen sei weit auszulegen. ZfB 68, 403 = VersR. 68, 938. Gewiss hat hier der Matrose nicht im Interesse des Eigners gehandelt, womit sich bestätigt, dass diese Interessenlage kein Tatbestandsmerkmal von § 3 BSchG ist.
Die Bestimmung des § 2 BSchG sollte grundsätzlich nicht auf Sportfahrzeuge angewandt werden. Weil vorübergehende Überlassungen von Sportfahrzeugen nicht selten sein dürften, müsste daraus eine große Rechtsunsicherheit entstehen. Bei einer kommenden Neuregelung - hierzu Herber in ZfB 72, 465 - sollte klargestellt werden, dass § 2 BSchG auf Sportfahrzeuge nicht anwendbar ist.
Auch das KG hat auf die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung hingewiesen. Es müsse dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob er etwa für den Schiffseigner eine Gefährdungshaftung nach dem Vorbild von §§ 7 ff StVG einführen wolle. Dem muss widersprochen werden. In Art. 2 Nr. 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen (UeZfB) heißt es: „Eine Schadensersatzhaftpflicht besteht nur, wenn der Schaden durch Verschulden herbeigeführt ist." Die gleiche Regelung hat in dem Seerecht und in dem Flußrecht seit langem bestanden. Rodiere meint in DMF 73, 259 zu diesem Grundsatz, die große Regel des Seerechts sei das Primat des Verschuldens. Ein Großteil der Sportfahrzeuge sind Schiffe, auf die das IUeZfB und §§ 92 ff BSchG anwendbar sind. Der nationale Gesetzgeber würde daher auch für Sportfahrzeuge von dem Grundsatz des Verschuldens nicht abgehen können.
RA. Dr. Heinz Wassermeyer