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Leitsätze:
1) Das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg ist zuständig für Umschlagsschäden, auch wenn das Schiff bis zum Schadeneintritt nicht bewegt wurde und den Ladeort nicht verlassen hat.
2) Gegebenenfalls ist eine Gerichtsstandsvereinbarung zum ordentlichen Gericht zulässig.
Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg
Chambre Commerciale
vom 11. Oktober 2012
Az.: 11/00671
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger betreibt eine Kiesgrube am Grand Canal d'Alsace. MS »Serena« das im Eigentum des Beklagten steht, ist während des Beladens gebrochen, die Ladung ist in den Kanal gerutscht.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen des Verlustes der Ware sowie Reinigungskosten und Entschädigung für Nutzungsausfall des Betriebes an der Ladestelle am Canal d'Alsace geltend. Die Klage ist vor dem allgemein in Handelssachen zuständigem Tribunal de Grande Instance Landgericht) (Kammer für Handelssachen) von Strasbourg eingereicht worden.
Der Beklagte hält das Tribunal de Grande Instance für unzuständig, weil der Rechtsstreit unter den Anwendungsbereich des Artikel 34111 lit. c der MA falle, wonach die Rheinschifffahrtsgerichte kompetent sind »für Klagen wegen der Beschädigung, welche Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden andern verursacht haben.« Das Gericht hat den Beklagten im Beschluss vom 11. Oktober 2012 Recht gegeben.
Aus den Gründen:
Wie der Kläger vorträgt, kann für die Bestimmung der Zuständigkeit des Gerichts nicht auf die Bestimmungen des Vertrages zwischen dem Hafen von Strassburg und dem Kläger zurückgegriffen werden, der die Anwendung der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung bestimmt, da es sich insoweit um strafrechtliche Normen handelt. Außerdem ergibt sich aus den von den Parteien vorgelegten Dokumenten, dass das strafrechtliche Verfahren wegen Verstoß gegen die Schifffahrtspolizeiverordnung eingestellt worden ist.
Wie der Beklagte mit Recht vorträgt, finden die Bestimmungen der MA vom 17. Oktober 1867, insbesondere die Artikel 34 I und 34 II der MA vorliegend Anwendung. Artikel 34 II lit. c bestimmt, dass die Rheinschifffahrtsgerichte zuständig sind für Klagen wegen der Beschädigung, welche Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen verursacht haben.
Der Kläger verfolgt deliktrechtliche Ansprüche gegen den Schiffseigner- und Schiffsführer des MS »Serena«, das am 25. April 2008 gegen 11:30 Uhr an der Ladestelle des Klägers am Grand Canal d'Alsace mit einem Partie Kies beladen wurde. Die Kiesladung sollte von dieser Ladestelle in Offendorf (Elsass) nach Hasselt a/d Ijssel transportiert werden. Käufer der Ladung und Auftraggeber des Transports war die Firma Trans SPLITT in Basel, eine Tochtergesellschaft der Firma ALFS.
Die Bestimmungen der MA werden nach ständiger Rechtssprechung auf den kanalisierten Rhein auf französischem Staatsgebiet angewendet einschließlich Offendorf, wo der Unfall sich ereignet hat.
Der Begriff » Fahrt« im Sinne des Artikels 34 II lit. c MA ist so zu verstehen, dass die Fahrt des Schiffes, welches auf dem Rhein verkehrt, mit der Beladung beginnt und mit der Entladung der beförderten Güter endet. Im vorliegenden Fall hat sich der Unfall während der Beladung des MS »Serena« auf dem französischen. Kanalisierten Rhein ereignet.
Aus diesem Grunde (ergänze: wird entschieden):
Für den Rechtsstreit ist das Rheinschifffahrtsgericht zuständig, dies ist für die französische Rheinseite das Tribunal d'Instance in Strassburg Amtsgericht) nach den Bestimmungen der Artikel L 222- 3 und D 223-2 des französischen Code de l'Organisation Judiciaire.
Die Parteien hätten sich nach Artikel 35ter MA darauf einigen können, dass das hiesige Gericht für den Rechtsstreit zuständig sein soll.
Gemäß Artikel 35ter der MA hätten die Parteien auch die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes vereinbaren können. Gemäß Artikel 35ter der MA, können die Parteien eine zivilrechtliche Streitigkeit durch Vereinbarung entweder einem anderen als dem nach den Artikeln 35 bis zuständigen Rheinschifffahrtsgericht oder aber, sofern das innerstaatliche Recht dem nicht entgegensteht, einem anderen Gericht oder einem Schiedsgericht zuweisen. Es gibt keine Bestimmung des Code de l'Organisation Judiciaire, die festlegt, dass die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts nicht abdingbar sein sollte. Im vorliegenden Fall ist aber eine solche Vereinbarung der Parteien nicht zustande gekommen, zumal der Beklagte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts betont.
Das Rheinschifffahrtsgericht in Strassburg ist zuständig. Die Parteien, insbesondere der Kläger, sind daher nach Artikel 96 I des Code de Procedure'Civile Zivilprozessordnung) aufzufordern, den Rechtsstreit vor dem zuständigen Gericht anhängig zu machen. Das Rheinschifffahrtsgericht ist nämlich nicht eine interne französische Gerichtsbarkeit, sondern eine Sondergerichtsbarkeit, deren Zuständigkeit durch eine internationale Konvention bestimmt ist. Nur dieses Gericht ist zuständig, über die von der Beklagten erhobenen Einwände der Verjährung zu entscheiden.
Daraus folgt:
Wir ... Richter, kontradiktorisch und in erster Instanz entscheiden:
Die Handelskammer des TGI von Strassburg ist für den Rechtsstreit unzuständig. Die Parteien, insbesondere der Kläger wird darauf verwiesen, den Rechtsstreit vor dem zuständigen Gericht anhängig zu machen. Der Kläger hat die Gerichtskosten zu übernehmen.
Gegen diese Entscheidung kann binnen 15 Tagen nach Zustellung Berufung eingelegt werden.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2012 - Nr.12 (Sammlung Seite 2211 f.); ZfB 2012, 2211 f.