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Leitsätze:
1) Ein Schiffsführer kann wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Bußgeld belegt werden, wenn bei einer Fahrt auf einem Fluss zu Berg in drei kurz hintereinander folgenden Messungen mit einem Lasergeschwindigkeitsmessgerät eine Geschwindigkeit von 14 km/h ermittelt wird.
2) In Moselschifffahrtssachen ist es zulässig, wenn nach der mündlichen Urteilsverkündung erster Instanz Berufung eingelegt und begründet und dies nach der Zustellung des schriftlichen Urteiles wiederholt wird.
Urteil des Berufungsauschusses Moselkommission
vom 27.10.2011
Gründe
I.
Durch Urteil vom 26.02.2009 verhängte das Moselschifffahrtsgericht St. Goar gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen § 5.01 Moselschifffahrtspolizeiverordnung in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 3 Nr. 17 der Einführungsverordnung zur Moselschifffahrtspolizeiverordnung in Verbindung mit § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt eine Geldbuße in Höhe von 45,00 €. Dem lag zugrunde, dass der Betroffene als verantwortlicher Schiffsführer des Fahrgastschiffs „C.S.“ am 22.06.2005 gegen 15.05 Uhr die Mosel bei Stromkilometer 4,2 zu Berg mit einer Geschwindigkeit von 14 km/h befahren hat, obwohl in jenem Bereich die Geschwindigkeit auf maximal 8 km/h durch Tafelzeichen B6 Anlage 7 zur Moselschifffahrtspolizeiverordnung beschränkt ist (Zuwiderhandlung gegen den § 5.01 der Moselschiff-fahrtspolizeiverordnung in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 3 Nr. 17 der Einführungsverordnung zur Moselschifffahrtspolizeiverordnung). Diesen Tatvorwurf hat das Moselschifffahrtsgericht nach Beweisaufnahme für erwiesen erachtet.
Mit seiner Berufung wendet sich der Betroffene gegen dieses Urteil und macht im Wesentlichen geltend:
Die Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt. Die Begrenzung der Geschwindigkeit auf 8 km/h sei für ein Schiff realistisch nicht einzuhalten; die Begrenzung sei daher nicht rechtswirksam. Ein Schiff könne seine Geschwindigkeit nur annähernd ermitteln, dies auch nur über längere Strecken (Weg – Zeit – Berechnung). Möglich sei letztlich nur eine Zeitmessung oder ungefähre Orientierung an der Drehzahl. Ein Schiff verfüge – anders als ein Straßenfahrzeug – über kein Gerät zur Ermittlung der momentanen Geschwindigkeit. Gerade im Bereich geringer Geschwindigkeiten würden sich äußere Einflüsse, wie die verkehrsnotwendige Änderung der Drehzahl oder die Strömungsgeschwindigkeit besonders auswirken.
Darüber hinaus sei eine fehlerfreie Geschwindigkeitsmessung vorliegend nicht gewährleistet; die Messsituation sei nicht hinreichend nachvollziehbar, auch liege kein Lichtbild vor; unklar sei, ob die Aufstellung des Lasergerätes ordnungsgemäß gewesen und die Bedienungsanleitung beachtet worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass an einem Schiff je nach Fahrmanöver verschiedene Geschwindigkeiten auftreten können, so dass ein Messergebnis nicht zwingend die Geschwindigkeit über Grund in gerader Fahrtrichtung des Schiffes angeben müsse.
II.
Die Berufung des Betroffenen ist zulässig. Nach Artikel 34 Abs. 3 des Moselvertrages in Verbindung mit Artikel 37 Abs. 2, 3 der revidierten Rheinschifffahrtsakte ist die Berufung 30 Tage nach Zustellung des Urteils bei dem Gericht, was entschieden hat, mit dem Antrag auf Entscheidung durch den Berufungsausschuss der Moselkommission einzulegen und innerhalb von 30 Tagen nach Einlegung der Berufung zu begründen. Diesen Anforderungen genügt das Rechtsmittel des Betroffenen. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung wie die wiederholten Berufungsschriften und -begründungen des Betroffenen zu werten sind. Bereits die Berufungsbegründung vom 23.04.2009, bei Gericht eingegangen am 24.04.2009, erfüllt die Anforderungen an ein form- und fristgerechtes Rechtsmittel. Die Berufungsbegründung ist innerhalb von 30 Tagen, nach am 26.03.2009 erfolgter Zustellung des Urteils, eingegangen. Erfolgt eine Berufungsbegründung innerhalb der Frist, in der die Berufung hätte eingelegt werden können, kann in der Berufungsbegründung zugleich die zulässige Wiederholung einer Berufung liegen, die bereits vor Zustellung des Urteils eingelegt worden ist (vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Auflage, Artikel 37 MA Rdnr. 17). Vorliegend wertet der Berufungsausschuss die fristgerecht erfolgte Berufungsbegründung zugleich als zulässige Wiederholung der Berufung vom 03.03.2009.
In der Sache hat das Rechtsmittel des Betroffenen jedoch keinen Erfolg. Das Moselschifffahrtsgericht ist rechtsfehlerfrei zum Ergebnis gelangt, dass der dem Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeitsverstoß nachgewiesen ist. Die vom Betroffenen mit seiner Berufung vorgebrachten Einwände vermögen die getroffenen Feststellungen nicht zu entkräften und geben auch keinen Anlass zu ergänzenden Beweiserhebungen. Das Moselschifffahrtsgericht hat die zutreffenden Erwägungen in seinem Urteil, auf das Bezug genommen wird, dargestellt. Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung sei zusammenfassend hervorgehoben:
Soweit der Betroffene die Zuverlässigkeit des Messverfahrens anzweifelt, sind seine Einwände nicht begründet. Das zur Messung eingesetzte Lasergeschwindigkeitsmessgerät RIEGL FG 21-PS war geeicht und wurde von dem am Gerät geschulten Polizeibeamten W. bedient. Das Gerät selbst ist für Geschwindigkeitsmessungen in einem Entfernungsbereich bis 1.500 Meter zugelassen. Die Fehlertoleranz liegt bei Geschwindigkeiten bis 33 km/h bei plus/minus 1 km/h. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass das nach seinen Daten geeignete Gerät auch zutreffend bedient worden und insbesondere keine fehlerhafte Messung erfolgt ist. Nach den Angaben der Polizeibeamten, den Zeugen W. und H., wurde bei dem zu Berg fahrenden FGS „C.S.“ eine Geschwindigkeit von 14 km/h (nach Abzug eines Toleranzwertes von 1 km/h) gemessen, und zwar bei drei kurz aufeinander folgenden Messungen mit gleichem Wert, wobei das Heck anvisiert worden ist, wie es einer ordnungsgemäßen Messung nach der Erläuterung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 19.03.2009 auch entspricht. Dass unzulässiger Weise hierbei die Seitenfläche des Schiffes anvisiert worden sein könnte, hat der Zeuge W. verneint. Kursänderungen während der Messung sind ebenfalls nicht aufgetreten, wie der Zeuge H. bekundet hat.
Die sachverständige Überprüfung des von den Zeugen W. und H. durchgeführten Messverfahrens durch den Sachverständigen Diplom Ingenieur B. hat die Zuverlässigkeit des Messergebnisses bestätigt; wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 01.12.2008 (Bl. 158 ff. GA) und seine im Urteil wiedergegebenen ergänzenden mündlichen Erläuterungen Bezug genommen. Anzeichen für mögliche Fehlerquellen bei der Messung, wie sie den Hinweisen der physikalisch-technischen Bundesanstalt vom 19.03.2008 entnommen werden können, hat der Sachverständige verneint. Gerade der Umstand, dass kurz hintereinander dieselbe Geschwindigkeit gemessen worden ist, bestätigt nach seinen überzeugenden Ausführungen, dass keine Seitenflächen angehalten wurden, sondern zulässigerweise die Heckfläche. Dass diese aufgrund des Standortes des Lasergeräts am Ufer nicht direkt von hinten, sondern schräg anvisiert wurde, führt nicht zu einer Verfälschung zu Lasten des Betroffenen, sondern allenfalls – wie sich aus den Ausführungen der physikalisch-technischen Bundesanstalt ergibt – zu einer Reduzierung des Messwertes zu Gunsten des Betroffenen. Eine Verfälschung durch relevante Drehbewegungen, die es nach Angaben des Zeugen H. ohnehin nicht gegeben hat, hat der Sachverständige ebenfalls verneint. Das Moselschifffahrtsgericht hat auch zutreffend für die Zuverlässigkeit des Messergebnisses darauf abgestellt, dass der Zeuge H. als Begleiterscheinung zu der Messung Sog und Wellenschlag festgestellt hat, was nach Angaben des Sachverständigen B. mit einer Geschwindigkeit von 14 km/h in Einklang zu bringen ist, nicht jedoch bei einer geringeren Geschwindigkeit von 8 km/h.
Soweit der Betroffene die Zuverlässigkeit des Messergebnisses deshalb in Zweifel zieht, weil nicht zeitgleich das anvisierte Ziel fotografiert worden ist, ist dies für den vorliegenden Fall nicht stichhaltig. Eine zeitgleich mit der Messung gefertigte Fotografie des Zielobjektes mag im Einzelfall bei dichtem Autoverkehr zur Behebung von Zweifeln dienen, welches von zwei im Zielfeld vorhandenen Objekten (Fahrzeugen) tatsächlich gemessen worden ist. Diese Frage stellt sich hier indes nicht. Nach Angaben des Zeugen H. war kein anderes vergleichbares Zielobjekt im Revier, so dass schon im Ansatz keine Zweifel daran bestehen können, dass das Fahrgastschiff „C.S.“ anvisiert und dessen Geschwindigkeit gemessen worden ist.
Der weitere Einwand des Betroffenen, es sei im Schiffsverkehr gar nicht möglich, bestimmte Geschwindigkeitsbegrenzungen präzise einzuhalten, so dass, da Unmögliches verlangt werde, auch keine Ahndung erfolgen könne, greift nicht durch. Ungeachtet dessen, dass es in jüngerer Zeit durch Einsatz von GPS-Geräten möglich ist, Geschwindigkeiten verhältnismäßig exakt zu erfassen, ist es der gewerblichen Schifffahrt durchaus möglich, seit langem existierende Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Binnenwasserstraßen, sei es auf Teilstrecken der Mosel oder auf Kanälen, mit den vorhandenen technischen Einrichtungen einzuhalten. Hinzu kommt: In Rede steht hier nicht eine geringe Geschwindigkeitsdifferenz, vielmehr geht es um eine gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung in der Bergfahrt um 75 %, nämlich statt der zulässigen 8 km/h eine gefahrene Geschwindigkeit von jedenfalls 14 km/h. Eine derartige Überhöhung der Geschwindigkeit für eine bergfahrende Schifffahrt um 6 km/h kann einem Patentinhaber, wie es der Betroffene ist, nicht verborgen bleiben. Im Übrigen hatte der Betroffene, folgt man seinen Angaben, ein GPS-Gerät an Bord, das bei zutreffender Einstellung auch den wahren Geschwindigkeitsbereich gezeigt hätte, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei mindestens 14 km/h gelegen hat. Soweit der Zeuge L. sich an andere abgelesenen Geschwindigkeiten zu erinnern glaubte, und das Schifffahrtsgericht seinen Angaben unter anderem deshalb nicht gefolgt ist, weil sich diese auf einen anderen Zeitpunkt bezogen haben können, ist dies nicht zu beanstanden.
Unter Würdigung aller Umstände hat der Berufungsausschuss keine Zweifel, dass dem Betroffenen der Geschwindigkeitsverstoß zu recht angelastet wird.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO, Artikel 34 des Moselvertrages in Verbindung mit Artikel 39 der revidierten Rheinschifffahrtsakte.
Aus den dargelegten Gründen wird
für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 26. Februar 2009 – 2040 Js 8710/06.4 OWi BSchMo Amtsgericht St. Goar – wird als unbegründet verworfen.
Das Berufungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Betroffene die Auslagen des Berufungsverfahrens und die ihm insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2012 - Nr.5 (Sammlung Seite 2182 ff.); ZfB 2012, 2182 ff.