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Leitsätze:
1) Die Bestimmung des § 68 BSchG hat nicht den Sinn, Dispositionsschwierigkeiten des Frachtführers auf den Absender oder sonstige Auftraggeber abzuwälzen. Die Havarie eines nicht namentlich im Transportvertrag ausbedungenen Schiffes berührt den Vertrag erst dann, wenn der Frachtführer alles zur Leistung seinerseits Erforderliche getan hat. Das Reisevorbereitungsstadium endet aber erst bei der Schiffsvorlage, nicht schon bei der Inmarschsetzung.
2) Die Mengenzuweisung im Kettwiger Pool hat zur Folge, dass der den Transport durchführende Frachtführer die gleiche Rechtsstellung hat wie derjenige Frachtführer, der den Transport selbst gesucht und vertraglich als eigenes Geschäft abgeschlossen hat.
Urteil des Landgerichts Duisburg
vom 6. November 1964
Zum Tatbestand:
Die Beklagte übertrug der Klägerin auf Anweisung des Sekretariats des Kettwiger Pools im sog. Mengenausgleichsverfahren vom 7. November 1963 die Durchführung eines Kohletransports. Verladetermin sollte der 13. November 1963 sein. Die Klägerin bestätigte die Annahme des Transports, teilte aber der Beklagten am 13.11.1963 durch Fernschreiben mit, dass das für den Transport vorgesehene Motorschiff am 11.11.1963 havariert und deshalb zur Werft verschleppt worden sei. Versuche zur Beschaffung anderen Schiffsraumes seien vergeblich gewesen. Die Partie müsse der Beklagten daher wieder zur Verfügung gestellt werden, die den Transport auf Quote der Klägerin fahren möge.
Die Beklagte verweigerte die Zurücknahme des Transports; sie erreichte eine Verschiebung des Verladetermins um 24 Stunden, machte aber die Klägerin für alle Schäden wegen einer Versäumung des Termins verantwortlich. Die Klägerin übernahm die Kohle erst am 26. 11. 63. Inzwischen war der Preis dieser Kohle am 16. 11. 1963 erhöht worden. Um diese Preisdifferenz hat die Beklagte die Transportrechnung der Klägerin gekürzt. Diese verlangt Nachzahlung dieses Betrages mit der Behauptung, dass der Havariefall zu Lasten der Beklagten gehe, und zwar gemäß § 68 Abs. 2 Ziffer 2 BSchG. Diese Bestimmung sei anwendbar, weil die Schiffsdisposition sich auf ein bestimmtes Schiff konzentriert habe und der Frachtvertrag durch das schädigende Ereignis außer Kraft getreten sei.
Die Beklagte meint, die Folge aus § 68 BSchG trete erst mit der Einladung des Frachtgutes in ein bestimmtes Schiff, nicht mit der Inaussichtnahme der Inmarschsetzung dieses Fahrzeugs ein.
Die Klage wurde abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Der äußeren Form nach besteht zwischen den Parteien ein Frachtvertrag, der beinhaltet, dass die Klägerin als Frachtführerin am 13., spätestens aber am 14. November 1963 die Kohlen zu laden verpflichtet war. Die Verzugsfolgen umfassen alle Nachteile, welche in einem adäquat ursächlichen Zusammenhang mit der Terminsversäumung stehen, wozu auch Preisverschiebungen bezüglich des Frachtgutes grundsätzlich gehören.
Dies entspricht auch den Ausgangserwägungen der Klägerin selbst. Der Aufrechnung der Beklagten mit einer Gegenforderung auf Schadensersatz kann die Klägerin daher nur dann entgegentreten, wenn das zwischen den Parteien bestehende vertragliche Schuldverhältnis so modifiziert werden konnte, daß die Terminbestimmung daraus entfiel.
Selbst wenn auf das Grundverhältnis deutsches Recht anwendbar sein sollte, so kann die Klägerin ihre Terminverpflichtung zum 14. November 1963 nicht mit Hilfe des § 68 BSchG beseitigen. Diese Vorschrift wie auch die ihr nachgebildete Regelung für den Frachtführer des allgemeinen Handelsrechts (§ 428 Abs. 2 HGB) hat nicht den Sinn, innere Dispositionsschwierigkeiten, die beim Frachtführer auftreten, auf den Absender überzuwälzen. Vielmehr geht es um die Frage der Risikoverteilung für einen das Transportmittel betreffenden Katastrophenfall. Dies setzt voraus, dass bereits eine rechtlich beachtliche Konzentrierung eines konkreten Fahrzeugs auf eine konkrete Reise eingetreten ist. Die Klägerin selbst geht davon aus, daß dies notwendig ist. Sie meint nur, eine derartige Zuspitzung könne auch einseitig von der Frachtführerseite aus vorgenommen werden.
Die dem Transportsektor angehörende Lage ist rechtsähnlich den deutschen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen über sog. Gattungsschulden. Eine Konzentrierung auf eine bestimmte Sache tritt hier ein, wenn der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche" getan hat (§ 243 Abs. 2 BGB). Auf den Transportvorgang übertragen würde dies bedeuten, dass die Havarie eines nicht namentlich im Vertrage als Transportmittel ausbedungenen Schiffes erst dann den Frachtvertrag zu berühren anfängt, wenn der Frachtführer alles zur Leistung seinerseits Erforderliche getan hat. Die hierin steckende Handlungsnotwendigkeit kann nicht beschränkt werden auf die büromäßige Einplanung und Disponierung. Einzubeziehen ist vielmehr auch der Außenablauf. Der zur Konzentrierung auf ein "eingeteiltes" Transportmittel führende Abschlug des Reisevorbereitungsstadiums endet hiernach erst bei der Schiffsvorlage".
Jedenfalls liegt der Zeitpunkt, den die Klägerin für entscheidend hält („Inmarschsetzung") viel zu weit. Die Reederei hat in einem solchen Stadium durchaus noch die Möglichkeit, ihren Plan zu ändern und eine andere Einteilung vorzunehmen. Ihr Standpunkt läuft darauf hinaus, den Katastrophenhindernisschutz umzudeuten in eine Risikoabwälzung für allgemeine, kaufmännische Organisationsschwierigkeiten.
Die Klage ist indessen aber auch dann abzuweisen, wenn die Kammer der Klägerin bezüglich des § 68 BSchG folgen würde.
Die vom Sekretariat des Kettwiger Pools erlassene Mengenausgleichsverfügung ist, bezogen auf die Mitglieder, als „Volumenszuweisung" zu behandeln wie das Spiegelbild einer normalen gesellschaftsrechtlichen „Beitragseinlage" oder wie eine Ausschüttung. Dies bedeutet, dass durch Einverständniserklärung eines Begünstigten mit der „Andienung" eines Transportfalles auf der Grundlage einer Mengenausgleichsverfügung der Begünstigte nur der Form nach „in die Dienste" des Belasteten tritt, in Wahrheit aber den Gewinn aus einer Volumenzuweisung ziehen will und damit den gesamten Transportfall „in eine eigene Risikosphäre" übernimmt. Die äußere Abwicklung geschieht, wie erwähnt, in der Rechtsform des Frachtgeschäftes. Dem inneren Kern nach handelt es sich um eine dem Gesellschaftsrecht angehörende und dem gesellschaftsmäßigen Ausgleich unterliegende Übernahme eines ganzen Falles mit Einschlug der Abwicklung in die eigene Gefahrtragungssphäre.
Mit der Mengenübertragung seitens der Beklagten als der Belasteten wurde die Schiffsauswahl völlig eigene Angelegenheit der Klägerin als der Begünstigten. Der Frachtvertrag ist beiderseitig von Bedeutung nur für die Frage der Bezahlung oder der Innehaltung der Transportbedingungen, nicht aber für die Frage des Betriebsrisikos. Die Klägerin muss so behandelt werden, als hätte sie das ihr zugewiesene Volumen ihrem Betriebe einverleibt.
Für das Verhältnis der Parteien zueinander muh der Rechtsfall so betrachtet werden, als ob die Beklagte ihre gesamte, auf den Transportfall bezügliche Rechtsposition auf die Klägerin mit beiderseits treuhänderischer Verpflichtung übertragen hätte. Daraus folgt, daß es Sache der Klägerin war, die Beklagte freizustellen von Einwendungen, welchen sie wegen der Art und Weise der Sacherledigung nach wie vor ausgesetzt blieb. Daraus ergibt sich, daß § 68 BSchG, dessen Regelung übrigens nachgiebigen Rechtes ist, schon allein wegen der gesellschaftsrechtlichen Grundbindung zwischen den Parteien und des Treuhandcharakters der Durchführung ausscheiden muss."