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Leitzsätze:
1) Zuständiges Rechtsmittelgericht bei Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers eines Schifffahrtsgerichts.
2) Zur Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines nicht am Ort des Schifffahrtsgerichts ansässigen Rechtsanwalts.
3) Die Frage der Notwendigkeit von Reisen eines auswärtigen Anwalts zum Prozeßgericht ist bei den in Schifffahrtssachen in der Regel gegebenen besonderen Verhältnissen großzügiger als bei anderen Prozessen zu beurteilen.
Kammergericht
Beschluss
vom 2. Februar 1973
Zum Tatbestand:
Die Klägerin mit Sitz in Dortmund hatte in einem in Berlin schwebenden Schiffahrtsrechtsstreit mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag u.a. die Reisekosten ihres Hamburger Prozessbevollmächtigten zu vier Terminen nach Berlin und zu einem Beweistermin nach Duisburg-Ruhrort geltend gemacht. Der Rechtspfleger des Schifffahrtsgerichts in Berlin hatte darauf die Kosten nur in der Höhe als erstattungsfähig angesehen, in der sie entstanden wären, wenn die Klägerin für beide Instanzen einen in Berlin förmlich zugelassenen Rechtsanwalt bestellt, zu diesem Rechtsanwalt eine Informationsreise unternommen und einen weiteren Anwalt mit ihrer Vertretung im Termin beim Amtsgericht Duisburg-Ruhrort betraut hätte. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat der Richter des Schifffahrtsgerichts mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Kosten nach Rücksprache zwischen Richter und Rechtspfleger zutreffend festgesetzt seien. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Schifffahrtsgerichts und auf die als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers wurden die Vorbescheide aufgehoben und die Kosten anderweitig im Sinne der Anträge der Klägerin festgesetzt.
Aus den Gründen:
Der richterliche Beschluss muss aufgehoben werden, weil er von einem zu dieser Entscheidung nicht berufenen Richter erlassen worden ist. Über die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers durfte gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RpfIG der Richter nur entscheiden, wenn er die Erinnerung für zulässig und begründet erachtete oder wenn gegen die Entscheidung, falls er sie erlassen hätte, ein Rechtsmittel nicht gegeben wäre. Da hier beides nicht der Fall war, - der Richter erachtete die Erinnerung für unbegründet -, hätte er sie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 RpfIG dem Rechtsmittelgericht, hier dem Kammergericht als Schifffahrtsobergericht (§ 11 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrts- und Rheinschifffahrtssachen vom 27. September 1952 - BRhSchiffG), vorlegen müssen.
Der Senat lässt es offen, ob es schlechthin ausgeschlossen ist, die Entscheidung, mit der der Richter die Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers zurückweist, als bloßen Nichtabhilfebeschluss zu behandeln (für eine solche Behandlung der 10. Ziv.Sen. des KG, Rpfleger 1971, 103 und OLG Braunschweig, KostRspr. ZPO § 104 Nr. 179 = JurBüro 1971, 340; dagegen OLG Hamm, KostRspr. ZPO, § 104 Nr. 160 = Rpfleger 1971, 103, OLG Stuttgart, KostRspr. ZPO § 104 Nr. 187 = Justiz 1971, 249), mit der Folge, dass das Beschwerdegericht ohne nochmalige Anrufung durch die Parteien über die damit als Beschwerde geltende Erinnerung zu befinden hat.
Entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Hamm und Stuttgart (a. a. 0.) sieht es der Senat als einen schwerwiegenden Verfahrensmangel an, wenn der Richter eine Entscheidung trifft, für die er sachlich nicht zuständig ist, und die Parteien damit dazu nötigt, ein Rechtsmittel einzulegen, um die Entscheidung des Gerichts zu erlangen, das nach dem Gesetz zur Entscheidung berufen war. Er hält es deshalb nicht für zulässig, eine solche Entscheidung zu bestätigen, selbst wenn sie inhaltlich der Auffassung des Rechtsmittelgerichts entspricht. Sie muss vielmehr auf ein zulässiges Rechtsmittel hin aufgehoben werden.
Diese Aufhebung zwingt indessen nicht dazu, die Sache zur Nachholung der Nichtabhilfeentscheidung an den ersten Richter zurückzuverweisen... .
Das Rechtsmittel ist begründet....
Der Erstattungspflicht dieser Kosten steht § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht entgegen, denn diese Vorschrift betrifft nur den Fall, dass die obsiegende Partei sich durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen muss und vertreten lässt, dieser aber seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Gerichtsort hat. Die Vorschrift gilt nicht, wenn die Partei sich - wie hier - auch durch einen nicht beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen darf. Nach § 12 BRhSchiffG kann jeder im Geltungsbereich des Gesetzes zugelassene Anwalt die Vertretung einer Partei in Schifffahrtssachen vor dem Schifffahrtsobergericht übernehmen.
Nach Auffassung des Senats entspricht es bei den in Schifffahrtssachen in der Regel gegebenen besonderen Verhältnissen, deren Anerkennung auch in § 12 BRhSchiffG einen gesetzlichen Ausdruck findet, die Frage der Notwendigkeit von Reisen eines auswärtigen Anwalts zum Prozeßgericht großzügiger zu beurteilen als bei sonstigen Prozessen, bei denen das Gesetz nicht die Vertretung durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt verlangt. Sie ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Reisekosten aus der Sicht der Partei im Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich höher sind, als die Kosten, die voraussichtlich durch notwendige eigene Informationsreisen der Partei zu einem Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozeßgerichts und durch die Einschaltung eines Beweisanwalts für die Wahrnehmung von auswärtigen Beweisterminen entstehen würden.
Bei insgesamt drei Informationsreisen hätten sich die Kosten, mit denen die Klägerin für eigene Informationsreisen und auswärtige Beweisaufnahmen rechnen musste, auf etwa 635,- DM erhöht. Die durch die Reisen ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten betrugen demgegenüber 777,75 DM. Bei der Höhe der insgesamt angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin von 2379,67 DM ist die Differenz von knapp 150,- DM bei der in Schifffahrtssachen gebotenen großzügigeren Betrachtung nicht wesentlich. Mit Recht macht überdies die Klägerin geltend, dass die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten erheblich geringer gewesen wären, wenn das Amtsgericht nicht zwei der insgesamt vier Verhandlungstermine, - auch mit dieser Zahl von Verhandlungsterminen in der ersten Instanz war nicht unbedingt zu rechnen -, auf 9.00 Uhr angesetzt hätte, so dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin genötigt war, schon am Vortage nach Berlin anzureisen und hier zu übernachten.