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Leitsatz:
Zur Frage, mit wem ein Kaufvertrag zustande kommt, wenn ein Partikulier sein unter der Flagge des Charterers und Befrachters geführtes Motorschiff vorlegt und ohne weitere ausdrückliche Erklärungen Gasöl bunkert, nachdem über einen längeren Zeitraum zuvor auf der Grundlage von Rabattverhandlungen jeweils der Befrachter die an ihn gegangenen Rechnungen der Bunkerstation bezahlt hat.
Oberlandesgerichts Karlsruhe
Urteil
vom 22.11.2002
(Vorinstanz: LG Heidelberg, Urteil vom 26.06.2002 - 5 0 89/02)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits sind offene Kaufpreisforderungen der Klägerin, einer Betreiberin von Bunkerstationen am Rhein, an den Eigentümer des Motorschiffes MS „K", das er an die S.-GmbH vermietet hatte.
Nach dem Mietvertrag vom Oktober 2000 zwischen dem Beklagten und S. ging das Gasöl zu Lasten des Mieters. Die Firma S. hatte mit der Firma 0., deren (Allein-) Geschäftsführer und Alleingesellschafter K. war, in Mannheim ein einheitliches Geschäftslokal eingerichtet. S./0. ihrerseits hatten mit verschiedenen Binnenschiffern Befrachtungsverträge abgeschlossen. Die Klägerin vereinbarte mit S./0. für die Gasöllieferung eine Rabattgewährung. Im November 2001 stellten die Firmen S./0. Insolvenzantrag; das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma 0. wurde mangels Masse nicht eröffnet.
Auf den Lieferscheinen über die im oben angegebenen Zeitraum erfolgten Gasöllieferungen war in der Rubrik Warenempfänger „0." oder „S." und „K." bzw. „MS K." eingetragen. Alle Lieferscheine hat der Beklagte unterschrieben.
Die Rechnungen, die die Klägerin über diese Lieferungen ausstellte, waren adressiert an, MS „K." & Eig., dlfd. OBK, (Anschrift OBK)
Im ersten Rechtszug verwies die Klägerin in ihrem Vortrag zur Begründung ihres Anspruchs darauf, dass der Beklagte für sein Schiff Gasöl getankt und dabei nicht erklärt habe, dass er für eine dritte Person, etwa für den Befrachter, handele. Der Beklagte habe die Gasöllieferungen in sein Bezugsheft eingetragen. Die Vereinbarung im Mietvertrag zwischen dem Befrachter Firma „S" und dem Beklagten als Partikulier lasse die Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger unberührt. Diese Regelung betreffe nur das Innenverhältnis und sei der Klägerin nicht bekannt gewesen. Auch in der Rabattvereinbarung zwischen der Klägerin und den Firmen S./0. sei kein Schuldnerwechsel vereinbart worden. Dieser Rabatt werde Befrachtern gewährt, weil sie größere Kontingente abnähmen. Damit würden die Befrachter neben den Schiffseigentümern zusätzliche Schuldner. Die Rechnungsstellung sei - wie erfolgt - mit Herrn K. seitens der Firma S./O. vereinbart worden.
Der Beklagte hat die Aktiv- und die Passivlegitimation der Prozessparteien bestritten. Seit Beginn der Geschäftsbeziehung zur Firma S. habe diese laut Mietvertrag das Gasöl zu zahlen. In der Vergangenheit seien alle Rechnungen für Gasöllieferungen ausschließlich durch die Firmen S. bzw. 0. beglichen worden. Er, der Beklagte, habe selbst keine Rechnungen erhalten. Nur die Firmen S. und 0. hätten ein Interesse an der Rabattvereinbarung mit der Klägerin gehabt, weil sie nach dem Mietvertrag sämtliche laufenden Betriebskosten zu zahlen gehabt hätten. Eine Bestellung von Gasöllieferungen durch den Beklagten selbst sei zu keiner Zeit erfolgt. Die Klägerin fakturiere entsprechend der Branchenübung auch nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung zu den Firmen S./0. ihre Bunkerung auf den neuen Befrachter des Beklagten, die Firma S.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten, gesamtschuldnerisch haftend mit O., zur Zahlung verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung, die er ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen wie folgt begründet:
Zwischen den Parteien sei kein Kaufvertrag über die Gasöllieferungen geschlossen worden. Der bloße Empfang des Gasöls sei nicht einer für den Kaufvertrag erforderlichen Willenserklärung gleichzustellen; die Unterzeichnung unter den Lieferscheinen stelle lediglich eine Quittierung dar. Willenserklärungen seien allein von 0. und S., jeweils vertreten durch den zwischenzeitlich untergetauchten Geschäftsführer K., abgegeben worden. Ein Bezugsvertrag unmittelbar zwischen Befrachter und Bunkerunternehmen entspreche der Üblichkeit. Die Befrachter würden für die Partikuliere komplett die Versorgung mit Treib- und Schmierstoffen übernehmen. Der Partikulier habe - abgesehen vom faktischen Betankungsvorgang selbst - mit dem Kaufvertrag nichts zu tun. Die Betankungsvorgänge von MS „K" würden sich lediglich als einzelne Abrufe im Rahmen eines zwischen der Klägerin und 0./S. geschlossenen Bezugsvertrages darstellen, nicht aber als eigenständige Kaufvertragsabschlüsse. Der Vermerk auf den Rechnungen „dlfd. 0." besage nicht, dass neben dem Beklagten auch der Befrachter zahlungspflichtig sei. Ihm sei zu entnehmen, dass die Rechnungen bei ihm, dem Beklagten, durchlaufen sollten und nicht bei der 0. Bis zur Insolvenz des Charterers sei keine einzige Rechnung an ihn gerichtet gewesen. Nach Vorlage sei¬nes Schiffes, das unter Flagge von S. gefahren sei, und nach dem Volltanken habe er lediglich die Lieferscheine quittiert, im übrigen aber von der Klägerin nie wieder etwas gehört. Alles andere (Aushandeln der Vertragsbedingungen, Rechnungen, Bezahlungen) sei unstreitig über S./0. gelaufen.
Abschließend vertritt der Beklagte die Auffassung, dass S./0. nicht nur Befrachter, sondern zugleich Ausrüster von MS „K" im Sinne von § 2 BinSchG gewesen sei. Die Klägerin trat dieser Auffassung u.a. mit folgenden ergänzenden Ausführungen entgegen: Der Beklagte habe konkludent mit der Vorlage seines Schiffes und mit dem Verlangen der Bunkerung Gasöl geordert. In diesem schlüssigen Verhalten liege unabhängig von der Wortwahl der Abschluss eines Kaufvertrages mit der Klägerin.
Hätte der Beklagte das Rechtsgeschäft stellvertretend für den Befrachter abschließen wollen, so hätte es einer entsprechenden Erklärung, jedenfalls eines deutlich erkennbaren Vertretungswillens bedurft.
Die kaufmännische Rechtfertigung der Rabattgewährung bestehe in einer zusätzlichen Garantie und einem Schuldbeitritt durch den Befrachter. Es habe sich nicht um den einzelnen Abruf im Rahmen eines Bezugsvertrages zum Befrachter gehandelt, sondern um eine vom Beklagten jeweils eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin.
Die Berufung hatte Erfolg.
Das Berufungsgericht sah einen Kaufpreisanspruch gemäß § 433 Abs. 2 BGB der Klägerin gegen den Beklagten nicht als gegeben an. Zur Begründung führte es folgendes an:
1. Die Klägerin sei zwar aktiv legitimiert. Nach dem Bunker-Händler-Vertrag mit der S. AG verkaufe die Klägerin das Öl im eigenen Namen. Weder S./0. noch der Beklagte zählten zu den sog. „S.direktkunden".
2. Der Beklagte sei jedoch nicht passiv legitimiert. Alleiniger Vertragspartner seien die Firmen S./0. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hafte der Beklagte auch nicht als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der Klägerin. Mit der Vorlage und Bunkerung seines MS „K" an mehreren Tagen im angegebenen Zeitraum habe der Beklagte als Schiffsführer und Partikulier Kaufverträge abgeschlossen, allerdings nicht in eigenem, sondern in fremden Namen.
a) Die Frage, ob im vorliegenden Fall von einer Ausrüstereigenschaft des Befrachters/Charterers S./0. im Sinne von § 2 BinSchG auszugehen sei, könne letztlich als nicht streitentscheidend dahingestellt bleiben. Diese Auffassung sei allerdings in Zweifel zu ziehen, da der Mieter eines Schiffes nur dann die Stellung eines Ausrüsters erlange, wenn er selbst den Schiffsführer, ggf. auch den sein Schiff führenden Eigentümer, bestelle, indem er mit ihm einen Dienstvertrag abschließt, oder wenn jedenfalls der Schiffsführer in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem Verwender stehe, insbesondere, wenn dem Verwender die Überwachung und Erhaltung des Schiffes obliegt und er die Entlassung des Schiffsführers bestimmen könne (vgl. Vortisch/Bemm, BSchR, 4. Auflage, § 2 BinSchG Rn. 6 m.w.N.). b) Die jeweiligen Kaufverträge könnten als vom Beklagten im eigenen Namen abgeschlossen gelten, wenn sich weder aus seinen Erklärungen noch aus den Umständen ergeben würde, dass er im fremden Namen handeln wollte.
Ausdrückliche Erklärungen des Beklagten beim Betanken in dem Sinne, dass der Kaufvertrag mit S. oder 0. zustande kommen soll, seien unstreitig nicht abgegeben worden. Der Wille, im fremden Namen zu handeln, könne sich aber aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 BGB). Dafür sei entscheidend, wie der Geschäftspartner das Verhalten des Handelnden verstehen durfte. Insofern komme es auf
alle Umstände an, insbesondere auf früheres Verhalten und auf die erkennbare Interessenlage. Blieben Zweifel, sei gemäß § 164 Abs. 2 BGB von einem Eigengeschäft auszugehen.
Das Berufungsgericht ist - anders als das Landgericht - zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte für die Klägerin erkennbar nicht in eigenem Namen, sondern für die Firmen S./O. gehandelt habe.
MS „K" fuhr mit der Flagge von S./O.
Die Rechnungen der Klägerin waren jeweils adressiert an MS „K" und „dlfd. 0.". Zweifel daran, ob dies bedeute, dass nur diese Firma für die Zahlung aufkommen sollte, ergaben sich jedenfalls für die streitgegenständlichen Rechnungen nicht mehr, nachdem die Klägerin - wie im Berufungsverfahren ausdrücklich auf Frage des Gerichts unstreitig gestellt wurde - die ganze Zeit zuvor (ca. 1,5 Jahre) sämtliche Rechnungen an diesen Befrachter geleitet und ausschließlich von diesem auch beglichen worden waren. Die zusätzliche Angabe in den Rechnungen (MS „K" & Eig) musste daher - so die Wertung des Berufungsgerichts - als Klarstellung verstanden werden, welches Schiff und welche Eigentümer das Gasöl erhalten hatte, das S./0. zu bezahlen hatte. Die von der Beklagten vorgenommene Unterzeichnung der Lieferscheine, in denen als Warenempfänger jeweils der Befrachter und die Bezeichnung des Schiffes (MS „K") vermerkt wurden, sind lediglich als Quittierung des Warenempfangs, also als eine Willenserklärung, zu qualifizieren; es stellt selbst kein Rechtsgeschäft dar (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 368 Rn. 2) Für das Berufungsgericht belegt auch das Bezugsheft für Schiffsbetriebsstoffe in kei¬ner Weise, dass der Beklagte und nicht der Befrachter/Charterer Vertragspartner der Klägerin wurde. Denn die Tatsache, dass zwischen der Klägerin und „K.", dem Geschäftsführer der Firmen S./0., Rabattverhandlungen geführt und Vereinbarungen getroffen wurden, spricht nach Auffassung des Berufungsgerichts für eine unmittelbare und ausschließliche Vertragsbeziehung zwischen diesen Verhandlungsführern. Dies sei auch durch die Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin vor dem Landgericht belegt, demzufolge „K.", der Geschäftsführer der Firmen S./O., „angeordnet" habe, an wen die Rechnung zu stellen sei. Bei den Verhandlungen habe „K." nicht gesagt, dass er im Namen des Beklagten handele.
Nach Überzeugung des Berufungsgerichts ist die Klägerin im vorliegenden Fall somit selbst davon ausgegangen, dass ihr alleiniger Vertragspartner und Schuldner der Gasölpreise der Charterer/Befrachter und nicht der jeweilige Partikulier war. Auch die in den Rechnungen ausgewiesene einheitliche Kundennummer, die ausschließlich dem Befrachter (und nicht den unterschiedlichen Schiffen und Schiffseignern!) zugewiesen worden war, stellt für das Berufungsgericht ein weiteres Indiz dafür dar, dass die Klägerin selbst den Befrachter als ihren Vertragspartner und Kunden ansah und erst seit dessen Insolvenz versucht hat, die einzelnen Schiffseigner haftbar zu machen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2003 - Nr.1, 2 (Sammlung Seite 1883 ff.); ZfB 2003, 1883 ff.