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Leitsatz:
Ein Binnenschiffer muss nur dann mit Zustellungen rechnen und besondere Vorkehrungen dafür treffen, dass er von den Zustellungen rechtzeitig Kenntnis erlangt, wenn bereits ein Strafverfahren gegen ihn anhängig ist. Solange er lediglich Kenntnis davon hat, dass gegen ihn Ermittlungen geführt werden, reicht es aus, wenn er sich die Post regelmäßig nachsenden lässt
Beschluss vom Landgericht Würzburg
vom 04. Mai 2009
(AG Würzburg, 7. April 2009, Az: 161 Cs 912 Js 20296/08, Beschluss)
Aus den Gründen:
I. Die Staatsanwaltschaft Würzburg führte gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen vier tatmehrheitlicher Fälle der fahrlässigen Gefährdung des Schiffsverkehrs. In diesem Zusammenhang wurde der Angeklagte am 06.08.2008 und 07.10.2008 polizeilich vernommen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 14.01.2009 erließ das Amtsgericht Würzburg am 27.02.2009 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, in dem ihm zwei Fälle der fahrlässigen Gefährdung des Schiffsverkehrs zur Last gelegt wurden. Der Strafbefehl wurde an den Angeklagten unter der Anschrift … Maasbracht, Niederlande durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt, wobei der Rückschein einen Stempel vom 05.03.2009 trägt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.03.2009, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Angeklagte gegen den Strafbefehl vom 27.02.2009 Einspruch einlegen und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand…Dabei bezog sich der Angeklagte auf eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter und seines Bruders aus dem März 2009… Das Amtsgericht Würzburg verwarf mit Beschluss vom 07.04.2009 den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand als unbegründet. Es verwarf ferner den Einspruch gegen den Strafbefehl vom 27.02.2009. Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 09.04.2009 zugestellt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ging am 16.04.2009 bei Gericht ein. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat mit Verfügung vom 21.04.2009 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Würzburg vom 07.04.2009 stellt die sofortige Beschwerde gemäß §§ 46 Abs. 3, 411 Abs. 1 S. 1 StPO den statthaften Rechtsbehelf dar. Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache auch erfolgreich. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist gemäß § 45 Abs. 1 StPO binnen 1 Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen,bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Gemäß § 45 Abs. 2 StPO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Erfolgt dies in der dafür vorgeschriebenen Frist und Form, so kann gemäß § 44 StPO Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bereits aus den durchgeführten Ermittlungen geht hervor, dass der Angeklagte Binnenschiffer ist und auf seinem Schubboot lebt, mit dem er regelmäßig zwischen Kostheim und Regensburg unterwegs ist. Durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung seiner Mutter hat der Angeklagte glaubhaft gemacht, dass diese regelmäßig den Briefkasten des Angeklagten an seiner Meldeanschrift in … Maasbracht überwacht, die Post für den Angeklagten sammelt und auf jeweilige telefonische Bitte die gesamte Post nach Regensburg oder nach Kostheim schickt. Der Angeklagte hat weiterhin glaubhaft gemacht, dass er seine Mutter am 13. oder 14. März 2009 angerufen hat und sie bat, die gesamte Post nach Kostheim an die Schleuse zu schicken, was die Mutter am 17.03.2009 erledigt hat. Folglich erhielt der Angeklagte am 21.03.2009 Kenntnis vom Strafbefehl. Er hat damit hinreichend glaubhaft gemacht, ohne Verschulden die Einspruchsfrist versäumt zu haben. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte aufgrund der durchgeführten Beschuldigtenvernehmung am 06.08.2008 und 07.10.2008 lediglich Kenntnis davon hatte, dass gegen ihn Ermittlungen geführt wurden. Es verhält sich gerade nicht so, dass gegen den Angeklagten bereits ein Strafverfahren anhängig war und er daher mit Zustellungen zu rechnen hatte. Deshalb war der Angeklagte nicht gehalten, besondere Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er rechtzeitig von Zustellungen Kenntnis erlangt (Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 51. Aufl., § 44 StPO Rn. 14 m.w.N.). Die vom Angeklagten als Binnenschiffer glaubhaft gemachte Handhabung hinsichtlich des Nachsendens der Post ist als ausreichend anzusehen. Dabei ist auch zu bedenken, dass – auch wenn der Angeklagte hierauf keinen Anspruch hat – Zustellungen an Binnenschiffer gelegentlich über die Wasserschutzpolizei durchgeführt werden. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist daher begründet. Über die vom Verteidiger aufgeworfenen Zuständigkeitsfragen war im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht zu entscheiden.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2009 - Nr.9 (Sammlung Seite 2040 f.); ZfB 2009, 2040 f.