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Urteil des Landgerichts Aschaffenburg
vom 14.05.2009
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage um die Höhe der Vergütung für eine im Wege der Binnenschifffahrt durchgeführte Fracht sowie im Wege der Widerklage um die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen wegen eingetretener Verzögerungen.
Die Klägerin ist eine Reedere, sie führt Binnenschifffahrtstransporte auf den europäischen Wasserstraßen durch. Die Beklagte ist ein Transportunternehmen mit Sitz in Bremen. Die Beklagte hatte den Transport von 16 Tanks für die Errichtung einer Brauerei in Craiova in Rumänien zu besorgen. Im Einzelnen waren 10 große Tanks (ZKT) und 6 kleinere Drucktanks (DT) betroffen.
Nach einer Vorabanfrage des Zeugen S, Mitarbeiter der Beklagten, gegenüber Frau H, Mitarbeiterin der Klägerin, übermittelte der Zeuge L am 14.12.2007 an die Klägerin den Auftrag für das Projekt »Gura Vaii/Craiova/Rumänien, wobei u. a. folgende Daten festgehalten wurden:
»Transport ex FOB Bürgstadt bis frei Ankunft Gura Vaii/Rumänien (Unterhalb Schleuse ET 1) von Sendung: 10 ZKT je 20.824 mm x 6.450 mm x 6.611 mm, je 30 to und 4 DT je 15.000 mm x 5.030 mm x 5.020 mm, je 14 to 2 DT je 13.000 mm x 4.150 mm x 4.300 mm, je 12 to
Übernahmeadresse: … Bürgstadt/Main
Übernahmedatum: in KW 03/2008 = 5 ZKT In KW 04/2008 = 5 ZKT In KW OS/2008 = 4 + 2 DT.
Vereinbarter Preis: Pauschal € 223.500,00 für obengenannte Sendung «.
Auf die anschließende Bitte um schriftliche Auftragsbestätigung wurde von den Mitarbeiterinnen der Klägerin H und R unter dem 18.12.2007 der erteilte Transportauftrag im Sinne eines Schiffstransports wie folgt bestätigt:
Transportgut: (wie oben dargestellt) Ladestelle Z, Bürgstadt
Löschstelle: Gura Vaii (unterhalb Schleuse ET 1) (genaue Löschstelle geben Sie uns bitte bekannt!)
Ab geladen Binnenschiff Bürgstadt bis frei Ankunft Binnenschiff Gura Vaii
GÖZ: inklusive CBRB 58.00 €/100 I, darüber 0,8 % je angef. 0,50 €
MKA: inklusive
KWZ: inklusive
Laden/Löschen: 1/1 Tag/Schiff
Liegegeld: 800,00 € Tag/Schiff
HW, Eis u. ä.: ½ Liegegeldrate
Transportversicherung: exklusive
Rechtsbasis: CMNI
Sonstiges: vorbehaltlich geeigneter Wasserstände (Brückenpassagen, etc.)
Frachtvereinbarung: € 223.500,00 pauschal netto
Zahlungsbedingungen: 14 Tage nach Rechnungserhalt ohne Abzug
Transportplanung: Einsatz Schubverband »C« mit Schubleichtern und zusätzlichem Motorschiff Übernahmeplanung ab KW 03/08 Termin und Feinabstimmung folgt.
Der Transport erfolgt vorbehaltlich freier und unbehinderter Schifffahrt auf allen zu passierenden Wasserstraßen. Es gelten die Konnossements und Übernahmebedingungen der am Transport beteiligten Reederei. Evtl. erforderliches Staumaterial ist von Ihnen zur Verfügung zu stellen.
Die 3. KW 2008 begann am Montag, 14. Januar 2008, die 4. KW am Montag, 21.1.2008, die 5. KW am Montag, 28.1.2008.
Wegen der angekündigten Termin und Feinabstimmung forderte die Beklagte in der Folgezeit eine konkrete Transportterminplanung an.
Ihre Frachtkosten stellte die Klägerin mit Schreiben vom 19.3.2008 mit 265.995,00 € in Rechnung.
Sie machte zudem mit Rechnung vom 19.3.2008 Mehrfracht in Höhe von 22.500,00 € netto entsprechend 26.775,00 € brutto geltend. Weiterhin verlangte sie ebenfalls mit Schreiben vom 19.3.2008 eine GasÖlZuschlag in Höhe von 22.096,00 € netto entsprechend 26.294,24 €. Die Beträge ergeben zusammen den Klagebetrag in Höhe von 319.034,24 €.
Die Klägerin trägt vor, die geltend gemachten Frachtkosten entsprächen der getroffenen Vereinbarung.
Pauschal sei ein Betrag von 223.500,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart worden.
Hinzu komme ein sogenannter GasÖIZuschlag, der von der Höhe des GasÖlPreises abhängig gemacht worden sei. Überschreite der GasÖlPreis ein bestimmtes Niveau, so werde die Fracht dementsprechend erhöht. Im vorliegenden Fall sei vereinbart gewesen, dass ab einem GasÖIPreis von 58,00 € pro 100 ltr jede Erhöhung des GasÖIPreises um 0,50 € zu jeweils 8 % Erhöhung der vereinbarten Fracht führe. Weiterhin sei vereinbart worden, dass jeder Liegetag mit 800 € pro Tag und Schiff abgerechnet werden möge.
Konkret sei es so gewesen, dass durch spätere Abrede der Löschort von Gura Vaii nach Bechet in Rumänien geändert worden sei; dafür sei eine Mehrfracht pro Schiff in Höhe von 4.500,00 € vereinbart worden. Insgesamt hätten fünf Schiffe in Bechet statt in Gura Vaii gelöscht.
Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 324.746,24 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 319.034,24 € seit dem 17. Juni 2008, Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.994,40 € und weitere 5.712, € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten seit der jeweiligen Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte führt zur Klage aus, die Klägerin schildere die Vereinbarungen zwischen den Parteien zutreffend.
Die Transportvergütung in Höhe von 223.500, € müsse allerdings als Bruttopreis inkl. Mehrwertsteuer verstanden werden.
Bei der Berechnung der geltend gemachten Gasölzuschläge beziehe sich die Klägerin jedoch auf den konkreten Zeitpunkt der Verladung der Schiffe und verschweige, dass diese Ladetermine keinesfalls dem von der Beklagten als Auftraggeberin vorgegebenen sowie von der Klägerin bestätigten Zeitplan entsprochen hätten.
Die Klägerin habe sämtliche Verzögerungen selbst zu vertreten; sie habe schuldhaft gegen ihre elementaren Vertragspflichten als Frachtführerin verstoßen. Als Fixkostenspediteurin habe sie sich bezüglich ihrer vertraglichen Rechte und Pflichten nach § 459 Satz 1 HGB wie eine Frachtführerin behandeln zu lassen. Zudem seien Aspekte eines gravierenden Organisationsverschuldens festzustellen, die der Klägerin zuzurechnen und vorzuwerfen seien.
Im Ergebnis könnten der Klägerin die begehrten Gasölzuschläge allenfalls zu den Gasölpreisen in der 3., 4. bis zur 5. Kalenderwoche zustehen; die Gasölpreise hätten sich in diesem Zeitraum zwischen 58,66 € und 60,43 € bewegt. Die von der Klägerin willkürlich festgelegten individuellen Frachtbeiträge für die einzelnen Schiffe seien mit der Gesamtpauschalfrachtvereinbarung allerdings nicht in Einklang zu bringen. Was die Gasölzuschläge anbelange, sei die Klage deshalb per se abweisungsreif.
Aufgrund der auf die katastrophale Disposition der Klägerin und den Einsatz untauglicher Schiffe zurückzuführende Verspätung entstanden der Beklagten enorme Mehrkosten; diese wurden als Schadensersatz geltend gemacht. Nach § 459 HGB i. V. m. Art. 16 Abs. 1 CMNI haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entstehe, sofern er nicht beweise, dass der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die ein sorgfältiger Frachtführer nicht hätte vermeiden und deren Folgen er nicht hätte abwenden können. Die Klägerin habe die Anlieferung der Tanks auf dem Gelände der Brauerei in Craiova in der 10./11. Kalenderwoche 2008 geschuldet. Der Transport von Bürgstadt bis Gura Vaii per Binnenschiff dauere im Regelfall 14 Tage. Die dargelegte Notwendigkeit der Änderung des Löschhafens sei durch die von der Klägerin zu vertretende Verzögerung der Verladung bedingt.
Im Ergebnis hafte die Klägerin nach § 459 Satz 1 HGB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 5 CMNI.
Insgesamt sei der Beklagten durch die von der Klägerin zu vertretende Verspätung ein Gesamtschaden in Höhe von 258.200,00 € entstanden, der sich im Einzelnen wie folgt errechne:
Vorzeitige Entladung in Bechet 71.400,00 €
Zusatzkosten Kräne Trailer 63.100 €
Erhöhung des Kontraktpreises 35.200,00 €
Verspätungsschaden Z (= Kunde der Bekl. d. Red.) 88.500,00 €
Die Beklagte beantragt im Wege der Widerklage,
die Klägerin zu verurteilen, 258.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt, die Widerklage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin und Widerbeklagte erläutert, für die im Wege der Widerklage erhobenen Ansprüche ergebe sich keine Anspruchsgrundlage. Vertraglich sei ein fester Ladetermin nicht vereinbart; auch hinsichtlich eines Löschtermins gebe es keine Vereinbarung. Hingewiesen sei lediglich auf eine Übernahmeplanung ab KW 03/08.
Schäden würden in vier verschiedenen Kategorien geltend gemacht, nämlich Entladekosten in Bechet, Zusatzkosten für Kräne, Vertragsstrafe des Vertragspartners und Verspätungsschaden des Vertragspartners. Der Transportauftrag sei jedoch vertragsgerecht durchgeführt worden. Das Transportrecht kenne keine Ansprüche des Absenders, die damit begründet werden könnten, dass ein Schiff nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Beladen vorgelegt wird.
Der Absender, d. h. die Beklagte, habe lediglich ein weitgehendes Kündigungsrecht bzw. ein Weisungsrecht, das als Äquivalent für die Dispositionsfreiheit des Frachtführers angesehen werden müssten. Eine ausdrückliche Festlegung des Ladetermins sei nicht erfolgt. Entsprechendes gelte für die Festlegung eines Löschtermins.
Nach Absprache im Rahmen der Übernahmeplanung seien insgesamt fünf Schiffe in der Zeit vom 13. bis zum 26. Februar 2008 in Bürgstadt zur Beladung vorgelegt worden. Die Beladung habe die Beklagte durchgeführt, wie dies in Art. 3 Abs. 2 CMNI bzw. § 412 Abs. 1 HGB gesetzlich vorgesehen sei.
Die Umleitung nach Bechet ca. 250 km unterhalb von Gura Vaii, sei von der Beklagten im Sinne ihres Weisungsrechts nach Art. 14 CMNI / § 418 Abs. 1 Satz 2 HGB angeordnet worden. Die Klägerin habe sich deshalb das Recht auf Frachtanpassung für den Mehraufwand ausdrücklich vorbehalten. Die Klägerin habe mit der Vorlegung der Schiffe zum Löschen in Bechet die Weisung der Beklagten erfüllt.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die zulässige Klage ist in der Sache zum überwiegenden Teil begründet. Aufgrund der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Pauschalvergütung in Höhe von 265.965, € sowie auf der Basis einer Weisung nach § 418 HGB einen Anspruch auf eine angemessene Mehrfrachtvergütung in Höhe von 26.775, €.
Ein Anspruch auf einen Gasölzuschlag in Höhe von 26.294,24 € sowie ein Liegegeld in Höhe von 5.712, € besteht dagegen nicht.
1. Maßgeblicher Ausgangspunkt für die wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkte sowohl hinsichtlich der Klageforderung als auch hinsichtlich der Widerklageforderung ist die Frage, welche vertraglichen Verpflichtungen zwischen den Parteien in allen Einzelheiten vereinbart worden sind.
Im Schreiben vom 14.12.2007 sieht das Gericht daher den Antrag der Beklagten auf Abschluss eines Transportvertrags im Sinne des § 145 BGB, den die Beklagte mit der Maßgabe der im Schreiben vom 18.12.2007 geäußerten Einzelheiten nach §§ 147 Absatz 1, 150 Absatz 2 BGB angenommen hat.
2. Die vertragliche Gestaltung vom 18.12.2007/08.01.2008 hat für die Vergütungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin folgende Konsequenzen:
a) Dass ausweislich der Vereinbarung vom 18.12.2007/08.01.2008 ein Nettobetrag von 222.500. € zu zahlen ist und diesem eine 19 %Umsatzsteuer in Höhe von 42,370,€ hinzuzurechnen ist, insgesamt also eine Grundvergütung von 265,370, € fällig geworden ist, bedarf nach Auffassung des Gerichts keiner weiteren umfassenden Erläuterungen. Die Bedeutung eines Hinweises auf Nettound Bruttopreise ist im Geschäftsleben allgemein bekannt. Ihm kommt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr die Bedeutung zu, dass sich Bruttopreise inklusive Mehrwertsteuer verstehen, bei der Ausweisung von Nettopreisen aber noch die aktuell geltende Umsatzbzw. Mehrwertsteuer hinzuzurechnen ist. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass einem Transportpreis »pauschal netto« im Transportund Speditionswesen in anderer Weise Rechnung zu tragen wäre.
b) Trotz der grundsätzlichen Vereinbarung einer Position »GÖZ« kann die Forderung nach einem Mehrbetrag in Höhe von 22.096,00 € nach Auffassung des Gerichts im Zuge einer Vertragsauslegung auf Grundlage des Rechtsgedankens der §§ 138, 242 BGB jedoch nicht anerkannt werden.
Die Beklagte hat sich mit dem Schreiben vom 14.12.2007 mit der Vorstellung eines fixen Pauschalpreises an die Klägerin gewandt. Sie hat dabei auch feste Übernahmetermine im Bereich zwischen der KW 03/08 und der KW 05/08 bezogen auf eine feste Übernahmereihenfolge (5 ZKT /5 ZKT/4 + 2 DT) angefordert. Die Beklagte hat diese Vorgaben erkennbar nicht übernommen, aber doch den Einsatz eines Schubverbands mit Schubleichtern und einem zusätzlichen Motorschiff bei einer Übernahmeplanung ab KW 03/08 in Aussicht gestellt. Dass weder der konkrete Einsatz von Schiffen noch die tatsächlichen Übernahmetermine mit diesen Vorgaben in Einklang zu bringen sind, lässt sich der dargestellten Übersicht oben ohne weiteres entnehmen.
In Bezug auf den GÖZ würde die Anerkennung eines Gasölzuschlags bedeuten, dass die Klägerin nicht nur unter dem Blickwinkel einer Haftung für Übernahme bzw. Liefertermine völlig frei hätte verfügen können, sondern dass abhängig von ihrer Einsatzund Übernahmeplanung für die Beklagte auch die Frachtvergütung völlig offen einseitig durch die Klägerin beeinflusst und ausgestaltet hätte werden können. Auf der Basis eines ab der KW 03/08 in Aussicht gestellten Einsatzes eines Schubverbandes mit zusätzlichem Motorschiff hat die Beklagte mit einer Abrechnung im Stile der Abrechnungstabelle nicht rechnen können und müssen, zumal die eingebrachten Berechnungsfaktoren dann völlig intransparent allein von der Klägerin abhängig wären.
c) Die Mehrfrachtvergütung wiederum hält das Gericht in Höhe des geltenden gemachten Betrags von 26.775, € für sachgerecht. Wie bereits dargestellt, hat die Beklagte »sehenden Auges« auf die Vereinbarung von fixen Lieferterminen bzw. Lieferfristen verzichtet. Der Zeuge S hat eindrucksvoll erläutert, dass sich schlicht und einfach kein Reeder gefunden hätte, der bereit gewesen wäre, auf eine entsprechende vertragliche Fixierung einzugehen. Es liegt auf der Hand, dass die nicht durchsetzbare Festlegung eines Liefertermins bzw. von Lieferfristen im Sinne konkreter Zeitpunkte auch nicht durch Rückrechnung auf Übernahmetermine mit der Wirkung eines Fixtermins versehen werden kann. Dies bedeutet nach Auffassung des Gerichts in der Konsequenz, dass der Beklagten letztlich eine Berufung auf Verzögerungen bei der Transportzeit selbst letztlich verwehrt ist. Der Zeuge S hat in seiner Vernehmung vom 17.03.2009 auf Nachfrage bejaht, dass er der Verlegung des Entladeortes von Gura Vaii nach Bechet zugestimmt hat. Diesen Umstand wertet das Gericht als Weisung im Sinne des § 418 HGB. Im Verhältnis zur Klägerin kommt es auf den denkbaren Einwand der Beklagten, die Zustimmung zur Verlegung des Ladeortes bzw. die entsprechende Weisung nach § 418 HGB sei allein durch die bereits eingetretene, von der Klägerin zu verantwortende Verzögerung nicht an. Mangels Vereinbarung fixer Termine in der bloßen Erwartung, die übliche Transportzeit von höchstens 15 Tagen werde schon eingehalten, kann sich die Beklagte auf eine Verantwortlichkeit für die eingetretenen Verzögerungen nicht berufen. Die Beklagte hat durch ihren Mitarbeiter S die Verlegung des Entladeortes im Sinne einer Weisung nach § 418 HGB angeordnet. Dadurch wurde die Vergütungspflicht nach § 418 Absatz 1 Satz 4 HGB ausgelöst. (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Auflage, § 418, Rdnr. 26, unter Hinweis auf BGHZ 94,98 ff.). Der eventuelle Widerspruch der Beklagten ist rechtlich irrelevant. Die Alternativbegründung der Klägerin, was die Höhe der Vergütung anbelangt, erscheint dem Gericht bezogen auf einen Ansatz von 10 % auf die vereinbarte Gesamtvergütung von 265.965, € nachvollziehbar, ohne dass es diesbezüglich noch der Einschaltung eines Sachverständigen zur Frage der Angemessenheit bedurft hätte.
d) Auch die Geltendmachung von Liegegeld kommt nicht in Betracht. Zutreffend ist zwar, dass die Parteien unter dem 18.12.2007/08.01.2008 neben einem jeweils vergütungsfreien Tag für Laden und Löschen ein Liegegeld in Höhe von 800 € pro Tag und Schiff vereinbart haben. Der Einwand der Beklagten ist jedoch nachvollziehbar, dass sich diese Liegenotwendigkeit des MS »S« dadurch ergeben hat, dass die Klägerin den Transport zunächst mit Motorschiffen bediente, obwohl sie selbst im Schreiben vom 18.12. 2007 den Einsatz eines Schubverbandes ankündigte. Dieser hätte den Transport der von der Beklagten zunächst vorgesehenen großen Behälter (5 ZKT) an erster Stelle ermöglicht; ein Zuwarten des MS »S« wäre nicht notwendig gewesen. Die Auslegung der Vereinbarung von Liegegeld erscheint auch in diesem Zusammenhang nur sachgerecht, wenn sich dies auf von der Klägerin nicht beeinflussbare Umstände bezieht; die Wartenotwendigkeit war vorliegend aber – unabhängig von der Problematik der Transportverzögerung zwischen Bürgstadt und Gura Vaii bzw. Bechet – allein durch die Missachtung der angekündigten Transportplanung (Schubverband C und Motorschiff) bedingt.
3. Im Ergebnis hält das Gericht daher die Klage in Höhe einer Vergütung von 292.740,– €, resultierend aus den Teilbeträgen von 265.965, € und 26.775, €, für berechtigt. Für die Forderung nach einem Gasölzuschlag in Höhe von 26.294,24 € und einem Liegegeld MS »S« in Höhe von 5.712, €, also in Höhe von insgesamt 32.006,24 € besteht keine Rechtsgrundlage. Auch die durch die Beklagte erhobene Widerklage ist zulässig, aber nur in Höhe eines Betrags von 71.400, € begründet.
1. Für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist das Budapester Abkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) relevant. Zum Einen ist darauf in der Vereinbarung vom 18.12.2007/08.01.2008 hingewiesen (»Rechtsbasis«), Zum Anderen sind die Voraussetzung des Artikels 2 Absatz 1 CMNI erfüllt.
2. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Schadensersatzansprüche allerdings auf Artikel 3 Absatz 1, Artikel 5 und Artikel 16 Absatz 1 CMNI in Verbindung mit §§ 459, 423 HGB Bezug nimmt, greift diese Anspruchsgrundlage nicht.
Eine Lieferfrist im Sinne dieser Vorschriften ist der Vereinbarung vom 18.12.2007 / 08.01.2008 an keiner Stelle zu entnehmen. Sie ist nicht vereinbart worden, und wäre nach den Ausführungen des Zeugen S auch nicht durchsetzbar gewesen. Fixe Abliefertermine würde niemand akzeptieren. Davon abgesehen hat der Frachtführer nach Artikel 5 CMNI die Güter lediglich innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände der Schiffsreise und bei unbehinderter Schifffahrt vemünftigerweise zuzubilligen sind. Die Klägerin hat ihre Haftung zudem dadurch weiter eingeschränkt, dass sie den Transport vorbehaltlich freier und unbehinderter Schifffahrt und vorbehaltlich geeigneter Wasserstände zusagte. Auch wenn man aufgrund der allgemeinen Erfahrungen und der mündlichen Zusage der Klägerin, dass die Passage üblicherweise jedenfalls in 15 Tagen zu bewerkstelligen ist, eine solche Vorgabe in Verbindung mit Art. 5 CMNI als verbindlich anerkennen wollte, hilft dies nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht weiter, weil fixe Übernahmedaten, die am Beginn einer solchen Frist im Sinne des Art. 5 CMNI bzw. § 423 HGB stehen müssten, vertraglich nicht abschließend definiert sind. Art. 5 CMNI bzw. § 423 HGB sind daher aus grundsätzlichen Erwägungen als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzbetrag nicht geeignet.
3. Das Gericht verkennt im Übrigen nicht, dass auch im Transportrecht jenseits des Artikels 5 CMNI bzw. § 423 HGB Verspätungen bei der Übernahme von dem Haftungssystem des allgemeinen Schuldrechts nach §§ 280 ff., insb. § 286, §§ 311 ff. und §§ 320 ff. BGB erfasst werden (vgl. zum Schuldrecht alter Fassung etwa: Koller, Transportrecht, 4. Auflage, § 423, Rdnr. 3).
a) Eine Haftung der Klägerin gegenüber der Beklagten für einen Verspätungs- oder Verzögerungsschaden würde aber auch in diesem Zusammenhang bedeuten, dass eindeutige Übernahmedaten vertraglich festgelegt bzw. durch spätere Verzugsbegründung konkretisiert worden wären.
b) Verbindliche Rechtshandlungen in diesem Sinne kann das Gericht, wie bereits ausgeführt, nicht erkennen. Der Akte ist zwar zahlreicher Schriftverkehr als Anlage beigefügt, aus dem die Entwicklung der Übernahmeplanung deutlich wird. In der Tat erscheint diese Übernahmeplanung auch auf Seiten der Klägerin »nicht geradlinig«, mit der Folge, dass die Reaktionen der Beklagten zunehmend von »Unmut« geprägt sind. Nachdem die Beklagte aber auf die vertragliche Festlegung ihrer Übernahmedaten aus ihrem Schreiben vom 14.12.2007 in die »Auftragsbestätigung vom 18.12. 2007« verzichtet hat, ist nach Auffassung des Gerichts eine spätere verbindliche Festlegung von Übernahmedaten nicht erfolgt.
c) Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die nach dem Vortrag der Beklagten durch Verzögerung entstandenen Schäden in Höhe von 63.100, €, 35.200, € und 88.500, € vorrangig durch die Bezugnahme auf Anlagenkonvolute begründet wird. Auch In Bezug auf die Darlegung des geltend gemachten Schadens der Höhe nach bestehen daher grundlegende Zweifel; die Begründung der Schadenshöhe in kausalem Bezug zu einer vertragswidrigen Verspätung ist im Einzelnen nicht nachvollziehbar, zumal der Zeuge S erläutert hat, die Beklagte habe sich zur Zahlung von 150.000, € an Z (Kunde der Bekl. d. Red.) gezwungen gesehen.
4. Schließlich ist der von der Beklagten begehrte Betrag in Höhe von 71.400,- € aufgrund einer entsprechenden Zusage durch Mitarbeiter der Klägerin berechtigt. Dies erscheint auch deshalb folgerichtig, da der anerkannte Schaden mit einer vertraglichen PfIichtwidrigkeit der Klägerin hinsichtlich der Ladevorgaben im Zusammenhang steht, und deshalb auch – unabhängig von der erfolgten Zusage – nach den dargestellten allgemeinen schuldrechtlichen Regeln eine Haftungsgrundlage bestanden hätte. Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin nach Auffassung des Gerichts durch den Hinweis auf den Einsatz eines Schubverbands mit zusätzlichem Motorschiff der Beklagten vertraglich verbindlich signalisiert, dass sie sich auf den Transport der begehrten ersten großen Charge von 5 ZKT eingestellt hat. Aufgrund der vorgelegten Anlagenkonvolute in Verbindung mit den Angaben des Zeugen S und auch des Zeugen L bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin wegen der Schwierigkeiten in Verbindung mit der Löschung des Gutes Kostenübernahmeerklärungen in Höhe jeweils 20.000, € netto für insgesamt drei Schiffe abgegeben haben.
5. Schadensersatzansprüche wegen der eingetretenen Transportverzögerungen aber bestehen weder unter dem Gesichtspunkt der Zusatzkosten für Kräne und Trailer (63.100, €) bzw. einer Erhöhung des Contract Price (35.200, €) noch bezüglich des Verspätungsschaden (85.000, €).
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2011 - Nr.6(Sammlung Seite 2133 ff.); ZfB 2011, 2133 ff.