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1 H 0 2401/00 - Landgericht (-)
Decision Date: 01.08.2001
File Reference: 1 H 0 2401/00
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Landgericht Memmingen
Department: -

Leitsatz:

Bei der Entgegennahme einer äußerlich beschädigten Sendung, bei der rd. 20 % der Ware fehlen, genügt ein (schriftlicher) Hinweis auf die Beschädigung und Offenheit der Sendung nicht den Anforderungen an eine hinreichend deutliche Schadensanzeige zur Ausschaltung der aus § 438 Abs. 1 HGB herrühreden Vermutung der vertragsgemäßen Anlieferung.

 

Landgericht Memmingen,

Urteil vom 1.8.2001

 

Die KI., Transportversicherer der Fa. X., machte aus übergegangenem Recht gegen die Bekl. Ansprüche wegen des Teilverlustes einer Warensendung geltend.
Die Fa. X. beauftragte am 11. 5. 1999 die Bekl. mit dem Transport von Computern an die Fa. G. Bei Ablieferung dieser Sendung am 12. 5. 1999 vermerkte ein Mitarbeiter der Fa. G. auf dem Ablieferungsnachweis „Sendungen beschädigt (offen)". Tatsächlich war bei Ablieferung auch mindestens eines der abgelieferten Pakete äußerlich sichtbar beschädigt.
In der Folgezeit reklamierte die Fa. G. am 21. 5. 1999 schließlich auch schriftlich in Form einer „eidesstattlichen Erklärung" gegenüber der Fa. X., dass bei der genannten Lieferung insgesamt 102 Stück von 500 Stück der Computer gefehlt hätten. Bereits unter dem 19. 5. 1999 teilte dies die Fa. G. der Bekl. auf eine entsprechende Anfrage per Telefax mit. In der Folgezeit entschädigte die KI. die Fa. X. mit insgesamt 17 360 DM. Diesen Betrag verlangte sie im Regressweg von der Bekl.
Das LG wies die Klage ab.


Aus den Gründen:

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet, da der KI. aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) weder auf der Basis des § 425 Abs.1 HGB noch auf einer sonstigen Rechtgrundlage ein Ersatzanspruch gegen die Bekl. zusteht. Denn die KI. bleibt beweisfällig dafür, dass die Bekl. die streitgegenständliche Sendung bei der Fa. G. tatsächlich unvollständig abgeliefert hätte.
Der Bekl. kommt vorliegend die Vermutung der vertragsgemäßen Ablieferung des Guts aus § 438 Abs. 1 S. 2 HGB zugute, deren Widerlegung der KI. nicht gelingt.

1. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts lag im hier zu entscheidenden Fall im Hinblick auf die äußerlich unstreitige Beschädigung der Sendung keine hinreichend deutliche - mündlich oder schriftlich abgegebene - Schadensanzeige vor.
Eine die Vermutung des § 438 Abs. 1 HGB ausschließende Schadensanzeige muss spätestens bei der Ablieferung des Guts erfolgen. Sie ist dann allerdings auch in mündlicher Form möglich (vgl. Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht 1. Aufl. 2000 § 438 Rdn. 11).
Inhaltlich wird an eine derartige Schadensanzeige jedoch die Anforderung gestellt, dass sie den Schaden (Teilverlust, Beschädigung oder Lieferfristüberschreitung) hinreichend deutlich zu; kennzeichnen habe. Dies bedeutet einerseits, dass allgemeine Angaben nicht ausreichend sind, andererseits der Schaden aber in einer Anzeige jedenfalls noch nicht bis in die letzten Einzelheiten zu spezifizieren ist. Als nicht ausreichend werden insbesondere bloße Vermerke wie „Beschädigung" oder „Verlust" angesehen (vgl. hierzu Fremuth/Thume aaO § 438 Rdn. 12 sowie Koller, Transportrecht 4. Aufl. 2000 § 428 Rdn. 15 f.).

2. Diesen Anforderungen wird die unstreitig vorliegende, schriftliche Schadensanzeige eines Mitarbeiters der Fa. G. auf dem Ablieferungsnachweis nicht gerecht; für das Vorliegen einer detaillierten mündlichen Rüge ist die KI. beweisfällig geblieben.
Die Kammer wertet den Vermerk „Sendungen beschädigt (offen)" als nicht ausreichend. Denn eine derartige Bemerkung stellt lediglich eindeutig klar, dass die Verpackung der Sendung Schäden aufgewiesen hat. Im Hinblick auf den geltend gemachten, ganz erheblichen Teilverlust (etwa 20 % der Sendung) hätte es nach Auffassung der Kammer für den zuständigen Mitarbeiter der Fa. G. jedoch geradezu nahe gelegen, selbst bei einer zunächst nur im. Groben möglichen, naturgemäß unter Zeitdruck stehenden Überprüfung der Sendung zumindest noch einen zusätzlichen Hinweis auf einen Warenverlust anzubringen. Zunächst ist die Kammer von dem bestrittenen Gesamtumfang der Lieferung von 500 Stück überzeugt aufgrund der Rechnung und des insoweit mit der Reklamation übereinstimmenden Warenwerts. Denn eine derartige Nachforschung lag zum einen im Hinblick darauf, dass die Sendung offen ankam, sehr nahe. Zum anderen aber musste dieser so erhebliche Teilverlust notwendigerweise auch zu erheblichen Gewichtsunterschieden führen - das Gesamtgewicht der Sendung lag bei 49 kg -, die in dieser Situation entweder ein Nachwiegen oder sogar eine erste Grobprüfung auf Vollständigkeit der Ware wiederum geradezu aufgedrängt hätten.
Der Nachweis einer weiter gehenden mündlichen Reklamation des zuständigen Mitarbeiters der Fa. G. ist der KI. nicht gelungen, da der Zeuge Z. an den konkreten Vorgang keine Erinnerung mehr hatte und er insbesondere nach Vorhalt des vorgenannten Ablieferungsnachweises auch in Abrede stellte, dass es sich hierbei um seine Handschrift handle. Auch aus der Aussage des gegenbeweislich benannten Zeugen ergeben sich für den Vortrag der KI. keine verwertbaren Anhaltspunkte.

3. Die aufgrund dieser Sachlage eingreifende Vermutung des § 438 Abs. 1 S. 1 HGB konnte die KI. durch ihren Vortrag nicht widerlegen, sodass ihre Klage wegen Beweisfälligkeit abzuweisen war.