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Amtsgericht Duisburg-Ruhrort
02.05.2006
In der Strafbefehlssache
(18 Cs 111 Js 131/05 (16/06 BSch)
nehme ich nach Einsichtnahme in die Gerichtsakte und nach Rücksprache mit meinem Mandanten zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, fahrlässig die Sicherheit des Schiffsverkehrs beeinträchtigt zu haben, indem er „einen dem Hindernis bereiten ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vorgenommen und dadurch fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben, wie folgt Stellung:
Die gegen meinen Mandanten gerichtete Beschuldigung kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil er selbst mit seinem Schiff ein Opfer derjenigen geworden ist, die unter der Kanalbrücke bei Wesel-Datteln-Kanal km 27,7 ein Hängegerüst angebracht haben, ohne dieses für die durchgehende Schifffahrt ordnungsgemäß, nämlich so zu kennzeichnen, dass es rechtzeitig erkannt werden konnte. Das Hängegerüst war nicht von meinem Mandanten dort angebracht worden, sodass schon nicht nachvollziehbar ist, wieso ihm vorgeworfen wird, „ein Hindernis bereitet“ zu haben. Ein solches hat er zu keiner Zeit bereitet.
Vielmehr hat die Errichtung des Hängegerüstes ohne ordnungsgemäße Kennzeichnung dazu geführt, dass mein Mandant mit dem Steuerhaus gegen das Hängegerüst gekommen ist, wodurch das Steuerhaus einen erheblichen Schaden erlitten hat. Man kann von GL. sagen, dass mein Mandant nicht schwerst verletzt worden ist.
Anstatt diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die das Hängegerüst ohne ausreichende Kennzeichnung für die durchgehende Schifffahrt errichtet haben und damit „ein Hindernis bereitet“ haben, steht nunmehr mein Mandant vor Gericht, der jedoch nicht Täter, sondern Opfer ist.
Ich werde daher beantragen, meinen Mandanten freizusprechen mit der gleichzeitigen Anregung, das Verhalten derjenigen zu prüfen, die für die nicht ordnungsgemäße Erstellung und Kennzeichnung des Hängegerüstes zuständig waren.
Es kann nicht sein, dass diese eigentlichen Täter nunmehr als Zeugen auftreten und eine Darstellung zu Lasten meines Mandanten abgeben, um ihr eigenes ursächliches Verschulden zu verdecken.
Die Kollision des Steuerhauses des MS „D“ mit dem Hängegerüst ist nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen darauf zurückzuführen, dass die Baustelle insgesamt und das Hängegerüst im Besonderen nicht ordnungsgemäß und vor allem nicht vorschriftsgemäß gekennzeichnet waren.
Es fehlten die in einem solchen Falle vorgeschriebenen Vorwarnschilder und es fehlte jedwede Beleuchtung solcher Schilder, sodass diese bei Nacht – der Unfall ereignete sich gegen 23.00 Uhr – nicht zu erkennen gewesen wären, selbst wenn solche vorhanden gewesen wären.
Der Ermittlungsakte ist insoweit zu entnehmen, dass sich niemand so recht verantwortlich gefühlt hat, für die vorzunehmende Kennzeichnung der Baustelle und des Hängegerüstes im Besonderen Sorge zu tragen.
Der Zeuge C., stellvertretener technischer Leiter der Firma BE. Gerüstbau GmbH, die als Nachunternehmer der eigentlich mit der Brückensanierung beauftragten Firma Eisenschutz OB tätig war, fühlte sich nur zuständig für die „Errichtung des Hängegerüstes und der staubdichten Einhausung unterhalb der Dorstener Brücke“. Er teilte auch mit, dass diese Arbeiten am 09.02.2005 zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr abgeschlossen waren.
Hinsichtlich der Sicherung dieser Baustelle und dieses soeben ausgebrachten Hängegerüstes schien es dem Zeugen C. ausreichend, in jeder Fahrtrichtung an den Stegen der Gitterträger, also am Hängegerüst selbst zwei gelbe Sicherheitsleuchten anzubringen, die sich bei Dunkelheit automatisch einschalten.
Diese Art der „Verkehrssicherung“ war offensichtlich unzureichend. Es handelte sich bei zur Verwendung gelangten zwei Lampen um solche, die nur ein sehr schwaches Licht erzeugten, das nicht ausreichte, um in angemessener Entfernung von dem Hängegerüst erkennen zu können, dass diese Leuchten an einem Hängegerüst angebracht waren.
Diese beiden schwachen Lampen waren die einzige „Kennzeichnung“ die vorhanden war, als sich mein Mandant mit MS „D“ der Baustelle mit dem Hängegerüst näherte. Abgesehen davon, dass diese Lampen zu schwach waren, ist hervorzuheben, dass sich in Blickrichtung hinter diesen beiden Lampen am Ufer stehende fünf Radiumleuchten befinden, die den Lichtwert der beiden Nissenlampen bei weitem überstrahlen und die auch verhindern, dass die Nissenlampen der Brücke und insbesondere einem Hängegerüst eindeutig zugeordnet werden können. Selbst wenn aber die Nissenlampen schwach erkennbar waren, konnte aus dem Vorhandensein dieser Lampen keinesfalls auf einen unter der Brücke, also im Brückenschatten befindliches Hängegerüst geschlossen werden.
Es hat sich daher die fehlende und im Übrigen unzureichende Kennzeichnung der Baustelle und des Hängegerüstes, die von dem Zeugen C. mit den Worten beschrieben worden ist:
„Weitere Maßnahmen zur Verkehrssicherung haben wir nicht getroffen und sind auch nicht Bestandteil unseres Auftrages. Der Beschilderungsplan der Baustelle lag uns auch nicht vor“,
in fataler Weise auf die Schifffahrt und insbesondere auf meinen Mandanten ausgewirkt, der angesichts dessen erst sprichwörtlich im letzten Augenblick, als die Brückenunterfahrung für ihn unmittelbar bevorstand, schemenhaft erkennen konnte, dass etwas unter der Brücke ihm den Weg versperrte.
Er konnte daher nicht rechtzeitig agieren, sondern nur noch so gut es eben möglich war reagieren, indem er versuchte, sofort sein Schiff abzustoppen und das Steuerhaus ganz herunterzufahren. Für diese Maßnahme reichte aber angesichts der fehlenden bzw. unzureichenden Kennzeichnung die praktisch nicht vorhandene „Vorwarnzeit“ nicht aus, sodass es zu der Kollision zwischen dem Steuerhaus und dem Hänge-gerüst zwangsläufig kommen musste.
Es ist geradezu paradox, meinem Mandanten in dieser Situation vorwerfen zu wollen, dass er sein Radargerät nicht eingeschaltet hatte. Wie soll ein Radarbeobachter auf dem Radarschirm als Echo ein Hängegerüst erkennen, das sich unter einer Brücke befindet?
Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, hätten auch die unmittelbar vor und hinter der Brücke ausgelegten Bojen nicht auf dem Radarbild als getrenntes Echo wahrgenommen werden können, weil diese sowohl durch das Fehlecho der Brücke als auch durch das starke Echo der Spundwand, in deren unmittelbarer Nähe die Bojen lagen, überdeckt wurden.
Vielmehr wäre es, wie in solchen Fällen üblich und vorgeschrieben, erforderlich gewesen, direkt von der Brücke aus und von dieser schräg abgehend an Seilen Radarreflektoren anzubringen, an denen sich in der Regel auch noch Lampen befinden, damit diese auch optisch mit bloßem Auge zu erkennen sind. Solche waren aber im konkreten Falle weder vorhanden noch nach dem in der Ermittlungsakte befindlichen Beschilderungsplan auch nur vorgesehen.
Ebenso wenig kann meinem Mandanten ernsthaft vorgeworfen werden, Durchsagen der Revierzentrale nicht beachtet zu haben. Obwohl er beide Funkgeräte, das eine auf Kanal 10 und das andere auf den Funk der Schleuse und Revierzentrale laut und deutlich eingeschaltet hatte, hat er angebliche Durchsagen der Revierzentrale mit einer Warnung vor dem hier in Rede stehenden Hängegerüst nicht erhalten. Mein Mandant achtet schon aus seinem ureigensten Interesse darauf, dass er die Durchsagen der Revierzentrale auch mitbekommt, weil diese in der Regel eine wertvolle Hilfe darstellen. So hatte er durchaus auch Durchsagen der Revierzentrale gehört, die aber sämtlich nicht die in Rede stehende Baustelle unter der Dorstener Straßenbrücke betrafen.
Ausweislich des Sendeauftrages an die Revierzentrale (Seite 65 der Ermittlungsakte), der von dem nachbenannten Zeugen Herrn Br. beschafft worden ist, ergeben sich zudem zahlreiche Ungereimtheiten, die Zweifel begründen, ob tatsächlich Hinweise seitens der Revierzentrale auf die Baustelle an der Dorstener Straßenbrücke erfolgt sind.
Auf die in diesem Zusammenhang bestehenden Ungereimtheiten hat mein Mandant bereits auf Blatt 62 der Ermittlungsakte hingewiesen und diese begründet, sodass ich darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehmen kann. Es handelt sich zum einen darum, dass der Sendeauftrag im Nachhinein handschriftlich abgeändert wurde und ursprünglich eine andere Kilometrierung mit einer anderen Brücke beinhaltete. Es ist daher schon aus dem Sendeauftrag nicht erkennbar, was tatsächlich durchgesagt worden sein soll, wenn tatsächlich etwas durchgesagt worden sein sollte.
Zum anderen handelt es sich darum, dass der Sendeauftrag am 31.01.2005 um 7.50 Uhr aufgestellt worden sein soll, von der Revierzentrale aber schon um 7.45 Uhr desselben Tages angenommen worden sein soll. Das aber ist schlechterdings unmöglich.
Außerdem ist der letzte Tag der Wiederholung in dem Sendeauftrag mehrfach durchgestrichen und unkenntlich gemacht worden, wohingegen bei der Annahme durch die Revierzentrale als Datum der letzten Aussendung der 12.02.2005 eingetragen wurde, eine Eintragung, die erst im Nachhinein erfolgt sein muss, da nicht im Vorhinein abzusehen war, wann die Brückenarbeiten fertig gestellt sein würden.
Hinzu kommt, dass ausweislich des Sendeauftrages eine Wiederholung abgesehen von der einmaligen Durchsage am 04.02.2005 um 12.30 Uhr gar nicht vorgesehen und bestimmt war.
Sollten tatsächlich Durchsagen von der Revierzentrale in Bezug auf die Dorstener Straßenbrücke erfolgt sein, ist es ferner möglich, dass mein Mandant diese nicht gehört haben könnte, weil er sich am Wochenende vor dem Unfall nämlich am Freitag, Samstag und Sonntag frei genommen und diese Freizeit zu Hause verbracht hatte.
Am Montag hatte er dann die Fahrt wieder aufgenommen. Nach Aufnahme der Fahrt hörte er zwar Durchsagen der nautischen Information, die sich aber nur auf eine Baustelle im Kölner Bereich bezogen, die meinen Mandanten nicht weiter interessierten, weil er nicht beabsichtigte, diesen Bereich zu befahren.
Am Unfalltage war mein Mandant um 14.00 Uhr in Münster abgefahren. Möglich ist, dass bei Fahrtantritt die Durchsage der NIF, sollte sie denn erfolgt sein, von meinem Mandanten verpasst worden ist.
Um 18.30 Uhr, als die nächste NIF-Durchsage erfolgt sein soll, war mein Mandant in der Schleuse Datteln an Deck seines Schiffes damit beschäftigt, einen Draht vom Achterschiff zum Schleusenpoller auszubringen und diesen festzumachen.
Es ist also möglich, dass durch eine Verkettung unglücklicher Umstände die NIF-Nachricht, sollte sie denn gesendet worden sein, was diesseits mit Nichtwissen bestritten wird, mein Mandant hiervon keine Kenntnis erlangt hat.
Ich beantrage,
wegen der beschriebenen Ungereimtheiten des Sendeauftrages bei dem Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meiderich das Original dieses Sendeauftrages, gerichtet an die Revierzentrale Duisburg, laufende Nr. 014/05 anzufordern.
Meinem Mandanten kann daher in keinerlei Hinsicht auch nur der leiseste Schuldvorwurf gemacht werden. In die Verantwortung zu ziehen sind dagegen diejenigen, die das Hängegerüst errichtet haben, ohne für dessen ordnungsgemäße Kennzeichnung zu sorgen.
Der Zeuge T., Schiffsführer des MS „MB“ hat bestätigt, dass ein Tag nach dem Unfall mit MS „D“ bei Morgendämmerung die Baustelle an der Dorstener Straßenbrücke mit einem WSA-Boot, das ein rotierendes Blaulicht zeigte, gesichert wurde. Selbst zu diesem Zeitpunkt war das Hängegerüst noch unbeleuchtet und die Durchfahrt durch entsprechende Schilder an der Brücke nicht gekennzeichnet.
Der Zeuge K. vom WSA Duisburg-Meiderich will am 09.02.2005 gegen 17.00 Uhr auf der Dorstener Straßenbrücke gewesen sein, obwohl der Zeuge C. nur Herrn Ko. vom WSA Meiderich erwähnt hat, der zu dieser Zeit anwesend gewesen sein soll. Soweit der Zeuge K. meinte, „die Warnschilder zu Tal und zu Berg“ seien ausgebracht gewesen, konnte er dieses von der Brücke aus gar nicht sehen. Es handelt sich daher um eine Schutzbehauptung. Dem entspricht, dass sich dieser Zeuge „an die exakte Beschilderung nicht mehr erinnern“ konnte, was nicht verwundert, denn er konnte von seinem Standpunkt aus diese nicht sehen. Es scheint im Übrigen merkwürdig, dass ein Beamter, der als Bauaufseher tätig und für die Bauaufsicht auch in diesem Falle zuständig war, sich nicht einmal „an die exakte Beschilderung erinnern“ konnte.
Ein bezeichnendes Licht darauf, wie sorglos die Pflicht zur ordnungsgemäßen Kennzeichnung der Baustelle und insbesondere des Hängegerüstes gehandhabt wurde, wirft nicht zuletzt die Aussage des Mitarbeiters L. der Firma OB, der angab, dass die Kennzeichnung des Hängegerüstes und das Anbringen der Tafelzeichen „in unseren Verantwortungsbereich fiel“. Er habe den Vorarbeiter der Firma Berger am Unfall-tage darauf hingewiesen, dabei aber nicht die Rauten erwähnt, wie sie im Beschilderungsplan eingezeichnet sind. Diese waren daher ebenfalls nicht vorhanden, als sich MS „D“ der Dorstener Straßenbrücke näherte.
Soweit in dem Beiblatt zur Strafanzeige gegen meinen Mandanten vom 02.03.2005 (Blatt 2 der polizeilichen Ermittlungsakte) darauf hingewiesen wird, dass die durch das Wasser- und Schifffahrtsamt vorgegebene Beschilderung vor der Baustelle angeblich „ordnungsgemäß ange-bracht“ gewesen sei, entspricht dieses zum einen nicht den Tatsachen und zum anderen auch nicht der Beobachtung des Polizeibeamten A., denn dieser hatte die Beschilderung der Baustelle unmittelbar nach dem Unfall nicht überprüft, obwohl mein Mandant ausdrücklich darum gebeten hatte.
Stattdessen hatte die Wasserschutzpolizei den im Falle des Verdachts einer Straftat sicherlich nicht richtigen Weg eingeschlagen, indem sie sofort diejenigen verständigte, die für den nicht ordnungsgemäßen Zustand der Kennzeichnung der Baustelle verantwortlich waren. Es geht nicht an, dass erst einmal der Täter informiert wird, um dann Tage später den Tatort in Augenschein zu nehmen. Das Vorgehen der Wasserschutzpolizei im konkreten Falle war daher eher geeignet, zur Vernichtung von Beweismitteln zu führen als diese zu sichern und darüber hinaus nicht den Schuldigen zu fassen, sondern diesem die Möglichkeit zu geben, an Ort und Stelle noch einiges in Ordnung zu bringen.
Damit hat sich auch die Wasserschutzpolizei nicht „mit Ruhm bekleckert“, denn ihre vorrangigste Pflicht wäre es gewesen, den Zustand der Kennzeichnung an der Baustelle zum Unfallzeitpunkt festzustellen und sich nicht damit zu begnügen, an den darauffolgenden Tagen erst tätig zu werden und sich den inzwischen eingetretenen veränderten Zustand anzusehen.
Erst recht kann es nicht Aufgabe der WSP sein, aufgrund eines erst im Nachhinein festgestellten, im Vergleich zum Unfallgeschehen geänderten Zustand nunmehr meinen Mandanten zu beschuldigen und ihn da-mit vom Opfer zum Täter zu machen.
Da die WSP ihre Aufgabe der Beweissicherung leider nicht wahrgenommen hat, beantrage ich die Vernehmung nachstehender Zeugen, die mit ihren Schiffen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen des MS „D“ den Unfallbereich passiert haben und entsprechende Beobachtungen machen konnten wie sie von meinem Mandanten wahrgenommen worden sind:
1. Schiffsführer O. von MS „SA“,
2. Schiffsführer Bo. von MS „SF“,
Darüber hinaus benennen wir als weitere Zeugen
3. Steuermann W., MS „D“,
der die Angaben meines Mandanten unmittelbar nach dem Unfall bestätigen kann
sowie
4. Herrn Br. als Mitarbeiter der Vereinigte Schiffs-Versicherung V.a.G.,
der unmittelbar im Anschluss an dem Unfall gleich am nächsten Morgen die Ermittlungen durchgeführt hat, die eigentlich von der Wasserschutzpolizei hätten durchgeführt werden müssen.
Altenburg
Rechtsanwälte
durch:
Bütefür