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VR 129/93 - Bundesfinanzhof (-)
Entscheidungsdatum: 19.09.1996
Aktenzeichen: VR 129/93
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesfinanzhof München
Abteilung: -

Leitsatz:

Eine Reederei, die aufgrund eines Vertrags mit einem Reiseunternehmen mit ihrem Schiff nach Zeit und Strecke festgelegte Reisen auf dem Rhein unternimmt und dabei den Gästen Unterkunft und Verpflegung gewährt, führt Umsätze durch Personenbeförderung und nicht durch Schiffsvermietung aus. Die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung sind Nebenleistungen zur Personenbeförderung.

Urteil

des Bundesfinanzhofs 

vom 19.9.1996

Aus den Gründen:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Reederei mit Sitz in den Niederlanden. Sie verpflichtete sich, ihre Kabinenschiffe dem Reiseunternehmen T. für bestimmte Kreuzfahrten auf dem Rhein und der Mosel zu festgelegten Charterpreisen zu überlassen, dabei auch bestimmte Verpflegungsleistungen an die Passagiere zu erbringen.

Das Finanzamt (FA) beurteilte die Leistungen der Klägerin als Erhebungsgebiet steuerbare Beförderungsleistungen und nicht als im Außengebiet bewirkte Vermietung von Schiffen. Insoweit war für das FA maßgebend, dass die Klägerin die Schiffsreisen mit den Gästen der T eigenverantwortlich durchgeführt habe und dass sie aus dem dafür gezahlten Preis alle entstehenden Kosten habe bestreiten müssen.

„Der Ansicht der Klägerin, die Besteuerung der Umsätze durch Personenbeförderung auf dem Rhein und der Mosel verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 -Mannheimer Akte (MA)- in der Bekanntmachung der Neufassung vom 11. März 1969 (BGBl 11 1969, 598), folgten das FA in der Einspruchsentscheidung und das Finanzgericht (FG) in der angegriffenen Vorentscheidung nicht.
 
Das FG wies die Klage ab. Es beurteilte die Leistungen der Klägerin einheitlich als Beförderungsleistungen, weil die Klägerin mit ihren Schiffen und ihrem Personal einen Beförderungserfolg geschuldet und erbracht habe. Verpflegungs- und Unterkunftsgewährung teilten als Nebenleistungen das rechtliche Schicksal der Hauptleistung. Die Beförderungsleistungen seien nach § 3a Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (USTG) 1980 im Erhebungsgebiet steuerbar und steuerpflichtig.

Eine Steuerbefreiung dieser Leistungen nach Art. 3 MA greife nicht ein, weil die Umsatzsteuer keine Abgabe sei, die sich "lediglich auf die Tatsache der Beschiffung" gründe, sondern an eine Personenbeförderung anknüpfe. Weder nach dem Sinn und Zweck noch nach der historischen Entwicklung könne die auf den Verbraucher abwälzbare Umsatzsteuer als Schifffahrtshemmnis verstanden werden, das von der MA beseitigt werden sollte.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 § 3a Abs. 1 UStG 1980. Sie, die Klägerin, habe keine Beförderungsleistung, sondern eine an ihrem Sitzort steuerbare Vermietung von Beförderungsmitteln ausgeführt. Unterbringung und Verpflegung der Passagiere seien selbständige ebenfalls an ihrem Sitz in den Niederlanden -und damit im Erhebungsgebiet nicht. steuerbar- erbrachte Leistungen. Selbst als Nebenleistungen würden sie das rechtliche Schicksal der im Erhebungsgebiet nicht steuerbaren Hauptleistungen teilen 

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Revisionsangriffen stand.
Das FG hat die Vereinbarungen der Klägerin mit T über den Einsatz ihrer Schiffe zutreffend gewürdigt und zu Recht die vertragsgemäß erbrachten Leistungen der Klägerin als im Erhebungsgebiet ausgeführte Beförderungsleistungen angesehen.

a) Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin im Streitjahr die in den Vereinbarungen mit T beschriebenen Leistungen erfüllen wollte und auch erfüllt hat. Auf Art und Inhalt der von ihr bewirkten Leistungen kann somit aus den von ihr übernommenen Verpflichtungen geschlossen werden. Dafür ist ihr wirklicher Wille maßgebend (vgl. §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Von Bedeutung ist somit nicht die Bezeichnung „Chartervertrag", sondern die unter dieser Bezeichnung von den Beteiligten beschriebenen und erfüllten Leistungen. Diese hat das FG zutreffend nicht als Vermietung, sondern als Beförderungsleistungen gewürdigt.

b) Im Streitfall hat das FG zutreffend eine bloße Schiffsmiete (vgl. dazu Koller, Transportrecht, 3. Aufl., 1995, § 425 HGB Rz. 7, m.w.N.) ausgeschlossen. Die Klägerin schuldete eine Beförderung von Personen auf ihrem Schiff zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Strecke. Sie hatte den Besitz an ihrem Schiff nicht auf T übertragen, sondern behalten. Mietvertragliche Elemente des als „Charter" bezeichneten Vertragsverhältnissen traten, wenn sie vorlagen, hinter den auf Beförderung gerichteten Elementen zurück. Die Klägerin schuldete T Beförderungen von Personen nach einem genau bestimmten und einem als Vertragsanhang beigefügten Fahrplan Sie war für die vertragsgemäße, insbesondere rechtzeitige Beförderung verantwortlich. Das ergab sich aus den vereinbarten Haftungsregelungen bei „Fahrplanverzögerungen" Sie konnte -anders als ein Vermieter- unter bestimmten Umständen auch Kraftstoffzuschläge berechnen.

Schließlich hatte T - wäre sie Charterer (Mieter) geworden - keine entsprechenden Erfahrungen in der Rheinschifffahrt, so dass im Zweifel ein Frachtvertrag (Beförderungsvertrag) anzunehmen ist (OLG München in NJW-RR 1988, 223; Schaps/Abraham, a.a.O., Vor § 556 HGB Rdnr. 17).

Der Beurteilung als Beförderungsvertrag widersprach auch nicht die Preisvereinbarung, die „für die Kreuzfahrten" nicht nach Strecke, sondern pauschal nach Wochen geschlossen worden war (vgl. dazu BGH-Urteil vom 16. September 1985 II ZR 92/85, WM 1986, 26, zu 2). Dass die Klägerin ihre Schiffsbesatzung für die geschuldete Beförderung einsetzte, änderte den Charakter der Beförderungsleistung nicht, wenn die Klägerin -wie im Streitfall weiterhin (im Innenverhältnis zu dem Vertragspartner) zu Weisungen an die Besatzung berechtigt war.

c) Schließlich ergibt sich für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungen aufgrund eines zwischen ausländischen Vertragspartnern geschlossenen und einem niederländischen Schiedsgericht unterworfenen Vertrages keine Besonderheit durch internationales Privatrecht, das den Beteiligten gemäß Art. 27 des Einführungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch die Rechtswahlfreiheit einräumt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids ist maßgebend, ob der Unternehmer eine im Erhebungsgebiet steuerbare Leistung erbracht hat. Für die Steuerbarkeit der Leistung ist der schuldrechtliche Vertrag, unabhängig von seinem Vertragsstatut nur Beweisanzeichen. Wenn mangels anderer Anzeichen davon ausgegangen werden kann, dass der Steuerpflichtige das erfüllt, wozu er sich in einem schuldrechtlichen Vertrag verpflichtet hat, ist diese Leistung -wie hier geschehen- aufgrund der umsatzsteuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale auf das Vorliegen der erwähnten Voraussetzungen zu prüfen.

Zutreffend hat das FG schließlich entschieden, dass die Klägerin die Leistungen durch Beförderung von Reisenden mit ihren Kabinenschiffen auf dem Rhein und der Mosel im Erhebungsgebiet an T als Reiseveranstalter ausgeführt hat und dass die außerdem den Reisenden gewährte Unterbringung und Verpflegung als unselbständige Nebenleistungen das rechtliche Schicksal der Beförderungsleistungen teilen. Ein Verbot, die Beförderungsleistungen zu besteuern, besteht nicht. Der Senat hat durch Urteil vom 1. August 1996 V R 58/94 entschieden, dass die bezeichneten Leistungen gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 und 2 UStG 1980 steuerbar sind, soweit sie im Erhebungsgebiet ausgeführt werden (ebenso BFH-Urteil vom 29. August 1996 V R 103/ 93.

Sie sind seit dem 1. Januar 1984 steuerpflichtig Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung in der bezeichneten Entscheidung vom 1. August 1996 V R 58/94 und fügt einen neutralisierten Abdruck bei."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.6 (Sammlung Seite 1629); ZfB 1997, 1629