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Leitsätze:
1) Die Einschränkung des Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Sache, so z. B. an einer Wasserstraße während ihres Ausbaues, muß von Gewerbetreibenden, so z. B. Fischereipächterei und Schiffahrttreibenden, hingenommen werden.
2) Bei einer vorübergehenden Beeinträchtigung des Fischertrages infolge der ausbaubedingten Hemmung des Fischzuges ergeben sich aus dem Wasserrecht keine Anhaltspunkte dafür, daß die dem Schiffsverkehr dienenden Interessen am Ausbau der Wasserstraße gegenüber den Interessen der Fischerei über den Schutz des Fischereirechts hinaus zurücktreten sollten.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 3. Januar 1968
V ZR 219/64
(Oberlandesgericht Koblenz)
Zum Tatbestand:
Im Zusammenhang mit dem Ausbau einer Ausbaustufe der Mosel machte ein Fischereipächter Entschädigungsansprüche geltend. Seine Klage wurde jedoch in allen Instanzen abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Betroffen kann der Kläger nur durch nachteilige Einwirkungen auf sein Fischereiausübungsrecht oder auf ein Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb sein. Dies macht die Revision geltend, jedoch ohne Erfolg.
Das Fischereiausübungsrecht des Klägers als Oberlieger ist nicht verletzt. Insbesondere kann der Revision nicht darin gefolgt werden, das Fischereirecht habe auch zum Inhalt, eine Behinderung der naturgegebenen Entwicklung des Fischbestands in der Pachtstrecke, die durch Eingriffe unterhalb der Strecke verursacht würde, abzuwehren. § 18 Satz 2 PrFG, auf den sich die Revision beruft, legt nur den dinglichen Charakter des selbständigen Fischereirechts fest, sagt jedoch nichts über dessen Inhalt aus. Auch aus Art. 89 Abs. 3 GG, § 115 PrFG oder § 70 Abs. 2 LWG läßt sich nichts dafür entnehmen, daß der Fischereiberechtigte gegenüber dem Ausbauunternehmer das Recht habe, eine Maßnahme, die den Fischzug zu seinem Fischgebiet behindert, zu untersagen. Diese Ansicht ist auch für das Gebiet des Preußischen Fischereirechts vertreten worden (vgl. HOLTZ-KREUTZ-SCHLEGELBERGER, Das preußische Wasserrecht, 3./4. Aufl., § 50 Anm. 4).
Die Revision macht vor allem geltend, das durch den Bau der Staustufe bedingte Hindernis für die natürliche Fischwanderung habe das Recht des Klägers am eingerichteten Gewerbebetrieb verletzt. In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Recht der unerlaubten Handlung (BGHZ 29, 65 = NJW 59, 479; 64, 720) hält das Berufungsgericht einen Eingriff in das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb dann nach § 1004 BGB für abwehrfähig, wenn dieser Eingriff unmittelbar und betriebsbezogen ist. Das Berufungsgericht meint, die die Fließgeschwindigkeit des Wassers verursachende Baumaßnahme habe nicht den Fischereibetrieb des Klägers als solchen getroffen; er habe seinem Beruf ungehindert nachgehen können, wenn auch die Fangergebnisse beeinträchtigt worden seien.
Der Revision ist einzuräumen, daß der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als ein vermögenswertes Recht im Sinne des Enteignungsrechts in Betracht zu ziehen ist (BGHZ 23, 158, 162 f. = NJW 57, 630; BGHZ 45, 150, 154 = NJW 66, 1120; LM Nr. 49 BI. 2 R zu Art. 14 (Anhang) GrundG; Nr. 32 BI. 4 zu Art. 14 (Ea) GrundG; Nr. 24 BI. 1 R und Nr. 27 BI. 2 R zu Art. 14 (Cf) GrundG; BVerfG, NJW 52, 865). Zum Gewerbebetrieb gehörig werden nicht nur der eigentliche Bestand im Sinn der früheren Rechtsprechung des RG, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen bei der gewerblichen Betätigung angesehen (BGHZ 23, 158, 162 = NJW 57, 630; BGHZ 45, 150, 155 = NJW 66, 1120), nach dem Urteil des Vl. ZS v. 9. 12. 1958 (BGHZ 29, 65, 70 = NJW59, 479) solche Erscheinungsformen, die dem Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit spezifisch (wesensgemäß) und als solche eigen sind. Umfang und Grenzen des Deliktschutzes bestimmen sich im Sinne dieser Entscheidung danach, ob ein unmittelbarer Eingriff in den Bereich des Gewebebetriebes vorliegt, d. h. ob ein Eingriff betriebsbezogen ist oder ob er nur vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft (a. a. O. S. 74). Die Revision verweist in diesem Zusammenhang im besonderen auf die Rechtsprechung des III. ZS im Falle der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs an Straßen.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger vorweg nicht in seinem Gemeingebrauch an einer öffentlichen Sache, sondern nur in der Ausnutzung der natürlichen Entwicklung des Fischbestands in seiner Pachtstrecke beeinträchtigt. Es fehlt sonach an einer dem Straßenanlieger ähnlichen Rechtsstellung am Wasserlauf.
Dazu kommt, daß im Fall der Einschränkung des Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Sache solche einschränkende Maßnahmen, die aus der Zweckbestimmung der Straße folgen, auch vom Gewerbetreibenden als Anlieger hingenommen werden müssen (BGHZ 45, 115 = NJW 66, 977; BGHZ 45, 159 = NJW 66, 1120) und nur überflüssige Verzögerungen oder die Existenzvernichtung eine Enteigungsentschädigung auslösen können (LM Nr. 24 u. 27 zu Art. 14 (Cf) GrundG; NJW 65, 1907), also ein dem Betrieb eigener Wert nur in Betracht kommt wenn der Betriebsinhaber sich darauf verlassen kann, daß der ihm günstige Zustand auf die Dauer erhalten bleibt (BGHZ 45, 150, 159 = NJW 66, 1120). Diese Voraussetzung liegt bei einer zeitweisen Beschränkung des Fischzugs durch den Ausbau eines Wasserlaufs erster Ordnung, wie sie hier geschehen ist, nicht vor. Ein Gewerbetreibender muß sich, soweit ihm nicht sonstige Rechte zustehen oder er nicht eine nach § 71 Abs. 2 LWG geschützte Rechtsstellung innehat, darauf einrichten, daß die bestehenden Verhältnisse an und im Wasserlauf wegen entgegenstehender Interessen der Schifffahrt jedenfalls für eine vorübergehende Zeit auch zu seinem Nachteil verändert werden. Er kann nicht den Fortbestand des natürlich gegebenen Zustandes als einen schutzfähigen Bestandteil eines von ihm eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs: verlangen. Bei der vorliegenden vorübergehenden Beeinträchtigung des Fischertrages infolge der ausbaubedingten Hemmung des Fischzuges ergeben sich aus dem Wasserrecht keine Anhaltspunkte dafür, daß die dem Schiffsverkehr dienenden Interessen am Ausbau der Wasserstraße gegenüber den Interessen der Fischerei über den Schutz des Fischereirechts hinaus zurücktreten sollten. Der Ertragsausfall infolge einer Hemmung des Fischzugs stellt im Hinblick auf die gemeinsame Teilhabe an einem Wasserlauf erster Ordnung, der hier als Bundeswasserstraße dem allgemeinen Verkehr dient, kein Sonderopfer des Fischereiausübungsberechtigten dar.
Dem Kläger steht sonach auch unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung eines Rechts am eingerichteten Gewerbebetrieb kein Entschädigungsanspruch zu, so daß die Klage mit Recht abgewiesen worden ist.