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Leitsatz:
Liegegelder beruhen nicht auf dem Abschluss von Lagergeschäften, sondern auf Frachtverträgen und sind daher - ohne Rücksicht auf die Dauer der Liegezeit gemäß § 4 Ziffer 9 UStG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB umsatzsteuerfrei.
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts
vom 26.2.1962
V (U) 220/57
Zum Tatbestand:
Ein Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, dass Liegegelder, die von einer Reederei wegen zum Teil längeren Wartens mit Sprengstoff beladener Binnenschiffe auf Seeschiffe - bis zu 47 Tagen - berechnet worden waren, umsatzsteuerpflichtig seien, weil die Einnahmen nicht aus der Beförderung, sondern aus der Lagerung der Güter im Schiff entstanden seien.
Das Finanzgericht hat diese ungewöhnliche Rechtsansicht gemäß der herrschenden Auffassung abgelehnt und den Umsatzsteuerbescheid aufgehoben.
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist dem FA zuzugeben, dass die Bezeichnung, die die Vertragspartner für das zwischen ihnen vereinbarte Rechtsgeschäft gewählt haben, nicht immer für dessen rechtliche Zuordnung maßgebend ist. Vielmehr kann es durchaus vorkommen, dass die Beteiligten z. B. ein Rechtsgeschäft als Frachtvertrag bezeichnen, obwohl sie in Wahrheit einen Lagerhaltervertrag abgeschlossen haben.
So liegt der Fall hier jedoch nicht.
Gegenstand der Verträge war die Beförderung von Sprengstoffen vermittels der Bfin. gehörenden Binnenschiffen. Auf Grund derartiger Rechtsgeschäfte stehen dem Frachtführer - hier: der Bfin. - indessen neben der Frachtrate noch besondere Liegegelder nach Maßgabe der §§ 49 ff. BSchG zu, wenn der Empfänger der Ladung - hier: der betreffende Seeschiffer -diese nicht bis zum Ablaufe der üblichen Löschzeit abnimmt. Diese dem Frachtführer für die „Überliegezeit" zufließenden Beträge sind daher - wie der Bundesminister der Finanzen in seinem Erlass vom 7. Juni 1955 - IV A/2 - S 4142 - 7/55 - (U-Kartei S 4142, Karte 51) zutreffend zum Ausdruck gebracht hat - ihrem Wesen nach Vergütungen für sich aus dem Frachtvertrag ergebende Nebenleistungen oder - wie es der Kommentar von Vortisch und Zschucke zum Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 2. Aufl., Berlin 1953, Anm. 1 zu § 49 BSchG unter Bezugnahme auf die insoweit einhellige Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte ausdrückt - „ein auf dem Frachtverhältnis beruhendes gesetzliches Entgelt für die besondere zeitliche Inanspruchnahme des Schiffes für die Zwecke der Ladung."
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise verpflichtet zwar die Finanzverwaltungsbehörden, steuerlich einen Vertrag seinem wirtschaftlichen Gehalt entsprechend auszulegen; sie bietet aber keine Handhabe dafür, einen Vertrag, der - wie die hier strittigen Rechtsgeschäfte sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich der Beförderung von Gütern dient, entweder ganz oder teilweise in ein Lagergeschäft umzudeuten. Zwar hat ein Vertrag über den Transport von Gütern u. a. auch deren Lagerung zum Gegenstande, weil schließlich die Waren während der Fahrt aufbewahrt werden müssen. Jedoch beweist gerade das die Unhaltbarkeit der Ansicht des FA. Denkt man nämlich den Vortrag des FA mit logischer Konsequenz zu Ende, so gäbe es steuerrechtlich überhaupt keine Frachtgeschäfte, sondern nur „Verträge über die Lagerung von Gegenständen auf einem fahrenden Untersatz". Da das indessen unmöglich Rechtens sein kann, folgt aus dieser bis zur Absurdität geführten Schlussfolgerung, dass die Lagerung der Güter im Rahmen eines Frachtgeschäfts diesem auch steuerrechtlich nicht den Charakter eines solchen zu nehmen vermag.
Die Überliegegelder werden auch dann nicht zu einer Vergütung für das Lagern von Gütern, wenn sie - wie z. T. hier - die dazugehörigen Frachtraten übersteigen, weil die Überliegezeiten erheblich über die normalen Lade- und Löschzeiten hinausgegangen sind.
Denn das liegt im Wesen der strittigen Frachtgeschäfte begründet, die einerseits bedingen, dass die Binnenschiffe gegenüber dem eintreffenden Seeschiff jederzeit löschbereit sind, andererseits aber keinen genauen Zeitpunkt der Ankunft des die Ladung aufnehmenden Seeschiffs festlegen, weil das infolge der in der Seeschifffahrt häufig vorkommenden, auf widrigen Witterungsverhältnissen, Hafenarbeiterstreiks, Havarien u. ä. m. beruhenden Verspätungen schlechthin unmöglich ist.
Wegen dieser Umstände gibt es weder im Seerecht noch im Recht der Binnenschifffahrt eine Begrenzung der Überliegezeiten in der Weise, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an das Frachtgeschäft in ein Lagergeschäft konvertiert. Dem hat auch das Steuerrecht zu folgen, da jede derartige Begrenzung nur auf einer willkürlichen Annahme beruhen kann.