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U 8/72 Sch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 13.06.1972
Aktenzeichen: U 8/72 Sch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Schiffahrtsgericht

Leitsatz:

Zuständigkeit der Rheinschiffahrts- und Schiffahrtsgerichte für Ansprüche wegen Beschädigung des Schiffs durch einen Kran beim Löschen der Ladung.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsgerichts in Karlsruhe

vom 13. Juni 1972

U 8/72 Sch

(Schifffahrtsgericht Mannheim)

Zum Tatbestand:

Das von der Klägerin versicherte MS „Helena II" wurde beim Löschen einer Ladung durch einen Kran am Steuerhaus beschädigt.
Die Klage auf Schadensersatz in Höhe von ca. 540,- DM gegen die Beklagte wurde vom Schiffahrtsgericht nach streitiger Verhandlung als unzulässig wegen fehlender Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichtes abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Schiffahrtsgericht zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Das Schiffahrtsgericht ist zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites sachlich zuständig. Er betrifft eine Binnenschifffahrtssache, nämlich eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schiffahrt zusammenhängt und Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zum Gegenstand hat; außerdem haben die Parteien die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts dadurch stillschweigend vereinbart, daß dis Beklagte beim Schiffahrtsgericht verhandelt hat, ohne dessen Unzuständigkeit zu rügen (§§ 2 Abs. 1 a und g, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27. September 1952 in der Fassung vom 14. 5. 1965, BGBI. 1 S. 389, 39 ZPO). Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen hängen mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schiffahrt nicht nur dann zusammen, wenn der Schaden an einem fahrenden Schiff verursacht worden ist. Auch ein Stillleger, der beladen oder gelöscht wird, benutzt die Binnengewässer, zu denen auch Häfen gehören, die unmittelbar mit ihnen verbunden sind. Anders als Landfahrzeuge unterliegt er als schwimmendes Fahrzeug auch beim Beladen und Löschen den besonderen Einflüssen und Bedingungen des Wassers und der Schiffahrt. Daran ändert sich dadurch nichts, daß Beladung oder Löschung mit Hilfe von Einrichtungen durchgeführt werden, die vom Ufer aus arbeiten. Die Unterscheidung zwischen Verladeeinrichtungen, deren Konstruktion der Eigenart des Schiffsverladegeschäftes besonders an-, gepaßt ist, und anderen, denen eine solche Anpassung fehlt, führt deshalb nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Entscheidend ist vielmehr, daß ein schwimmendes Fahrzeug beladen oder gelöscht wird.
Streitigkeiten über Schäden, die beim Beladen oder Löschen eines solchen Fahrzeuges entstanden sind, gehören sinnvollerweise vor Gerichte, deren Richter mit den besonderen Verhältnissen der Schiffahrt, mit den technischen Einrichtungen eines Schiffes, mit den Gegebenheiten des Schiffsbetriebs und mit den örtlichen Verhältnissen vertraut sind. Da diese besonderen Kenntnisse grundsätzlich in jedem Streitfall dieser Art für die Entscheidung von Bedeutung sein können, hängt die Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichte nicht davon ab, ob diese Kenntnisse im Einzelfall nach dem Ergebnis der Verhandlung auch tatsächlich gebraucht werden. Aufgrund dieser Erwägungen teilt der Senat nicht die Ansicht, die das Oberlandesgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 6. 6. 1950 (VRS 3, 79) und, ihm folgend das Schiffahrtsgericht in dem hier angefochtenen Urteil vertreten haben. Er schließt sich vielmehr der Rechtssprechung des Oberlandesgerichts Köln an, derzufolge auch die Beschädigung eines Binnenschiffes durch einen zum Beund Entladen benutzten Kran eine Schiffahrtssache ist, weil auch in diesem Fall der Schaden bei einer für den Betrieb des Schiffes notwendigen und üblichen Verrichtung entstanden ist (ZfB 1939, 272 zitiert nach Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., § 92 BSchG Anm. 4 b; Urteil vom 14. 3. 1963 - 3 U 228/62 - zitiert nach Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt, 4. Aufl., S. 9/10).
Abgesehen davon, daß es sich nach dem zuvor Gesagten im Streitfall um eine Schiffahrtssache handelt, für die das Schifffahrtsgericht auch ohne Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien zuständig ist, konnte diese Zuständigkeit auch durch Parteivereinbarung begründet werden. Das Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. 1. 1937 (RGBI 1, 97) enthielt keine Vorschrift, die dem § 2 Abs. 1 g des Gesetzes vom 27. 9. 1952 entspricht. Durch die Neuregelung sollte offensichtlich die bis dahin umstrittene Frage geklärt werden, ob die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte funktioneller Natur und daher einer Parteivereinbarung entzogen sei, wie die Oberlandesgerichte Hamburg (VRS 3, 79) und Bremen (MDR 1952, 364) angenommen haben, oder ob die Parteien auch in Fällen, die strenggenommen, keine Schiffahrtssachen sind, die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte vereinbaren können. Die Neuregelung läßt in § 2 Abs. 1 g eine derartige Zuständigkeitsvereinbarung ausdrücklich zu.