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U 7/96 Rh/Sch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 26.11.1996
Aktenzeichen: U 7/96 Rh/Sch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Nach § 2 Abs. 1 e BinSchVerfG besteht die Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichte auch für alle Fälle, in denen allgemein bei einer Schiffsgefahr aufgrund vertraglicher Abrede Hilfe gegen Zahlung einer erfolgsunabhängigen Vergütung geleistet wird. Zu diesen Hilfeleistungsverträgen zählt auch ein Kaufvertrag über Koppeldrähte, die zum Ersatz der bei einer Schiffskollision gebrochenen Drähte geliefert werden. Für die Kaufpreisforderung haftet der Schiffseigner gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 BinSchG nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht.


2) Örtlich zuständig ist das Schiffahrtsgericht, in dessen Bezirk die Hilfeleistung beendet worden ist, was sich bei der Lieferung von Ersatz-Koppeldrähten nach der Kollisionsstelle richtet, an der die Drähte (Kaufsache) eingesetzt worden sind.


3) Eine Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nach Art. 34 MA ist nicht gegeben.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Karlsruhe

vom 26.11.1996

 U 7/96 Rh/Sch

(rechtskräftig)
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)

Zum Tatbestand:

Nach der Kollision eines Koppelverbands bei Rhein-km 444,5 in Höhe von Worms mit einem anderen Schiff, wobei Koppeldrähte brachen, lieferte die Klägerin der damaligen Eigentümerin des Verbandes neue Koppeldrähte, damit der Leichter wieder aufgenommen, gesichert und die Reise fortgesetzt werden konnte. Ihre auf Zahlung und Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete (Pfand) Klage richtete sie an das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, es handele sich um Hilfskosten nach dem BinSchG sowie um ein vom Schiffer kraft gesetzlicher Vollmacht (§ 15 BinSchG) für den Schiffseigner vorgenommenes, zur Reiseausführung notwendiges Rechtsgeschäft, für das der Schiffseigner gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BinSchG mit Schiff und Fracht hafte. Der Klägerin stehe insoweit ein Schiffgläubigerrecht zu. Die Beklagte ist die derzeitige Schiffseignerin, zumindest Ausrüsterin.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"I.

Die Berufung ist zulässig. Das Rheinschiffahrtsgericht hat gemäß § 331 Abs. 2 ZPO durch sogenanntes unechtes Versäumnisurteil die Klage abgewiesen, da es die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Rheinschiffahrtsgerichts für nicht gegeben erachtete und eine Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Schiffahrtsgericht oder an das Amtsgericht Ludwigshafen ablehnte, da es auch deren Zuständigkeit verneinte. Gegen ein derartiges unechtes Versäumnisurteil ist die Berufung der Klägerin statthaft.

II.

Die Berufung hat jedoch nur teilweise Erfolg.
1. Unbegründet ist die Berufung insoweit, als die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung festhält, eine sachliche Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte sei gegeben und deshalb ihren Hauptantrag aufrecht erhält und um Erlaß eines Versäumnisurteils in der Sache bittet. Insoweit war die Berufung wiederum durch unechtes Versäumnisurteil zurückzuweisen.
Die Rheinschiffahrtsgerichte sind zur Entscheidung über den gegen die Beklagte verfolgten Klageanspruch nicht zuständig. Die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte ist in Art. 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte (MA) geregelt. Art. 34 II c) MA begründet eine ausdrückliche sachliche Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte in Zivilsachen nur wegen Beschädigungen, welche Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen verursacht haben. Indessen besteht heute in Rechtsprechung und Schrifttum Übereinstimmung, daß der Katalog des Art. 34 II MA nur eine beispielhafte Aufzählung enthält und in die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte alle Rechtsstreitigkeiten wegen Schäden einbezogen werden, die Schiffe, während sie zur Schiffahrt verwendet werden, anderen zufügen (Senat NZV 1993, 153 = Zf13 1993, 1426 = VersR 1993, 1553). So wurde beispielsweise in der Rechtsprechung die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht nur bei Klagen gegen den Schiffsführer, sondern auch für Klagen gegen andere Besatzungsmitglieder, die Lotsen oder gegen den für Besatzungsverschulden haftenden Schiffseigner und den Ausrüster bejaht (vgl. B K ZKR ZfB 1995,1517 ff, 1520).
Für die vorliegende Klage ist jedoch auch bei extensiver Auslegung der Vorschriften der MA eine Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht gegeben. Die Beklagte wird nicht als eine für ein Besatzungsverschulden haftende Schiffseignerin oder Ausrüsterin in Anspruch genommen.
Zwar bestimmt Art. 34 MA, der bei der sogenannten kleinen Revision der Akte im Jahre 1963 in diese eingefügt worden ist, daß „die Rheinschiffahrtsgerichte unbeschadet des (hier nicht interessierenden) Art. 35ter ebenfalls nach Art. 34 II c) zuständig sind, wenn die Parteien in einem Vertragsverhältnis stehen". Art. 34eis MA sollte jedoch nicht, wie dessen Hinweis auf Art. 34 II c) MA deutlich macht, die dort festgelegte allgemeine Zuständigkeitsregelung ändern, sondern die Divergenz zwischen der nationalen Rechtsprechung und jener der BK ZKR zu der Frage beseitigen, ob die Rheinsschiffahrtsgerichte nach Art. 34 II c) MA allein für Klagen aus deliktischen Ansprüchen oder auch für solche aus vertraglichen Ansprüchen, insbesondere aus Schleppverträgen zuständig sind (vgl. BK ZKR a.a.0. m.w.N.). Zugleich stellt der 2. Halbsatz des Art. 34 MA klar, daß sich die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte, „jedoch nicht auf die auf einen Vertrag gestützten Klagen gegen ein Schiff wegen Schäden erstreckt, die an Bord desselben befindliche Personen oder Güter durch sein Verschulden erlitten haben", also deren Zuständigkeit für bestimmt Schäden aus Beförderungsverträgen selbst dann nicht gegeben ist, wenn deren in Art. 34 II c) MA festgelegte allgemeine Zuständigkeit zu bejahen wäre.


2. Sachlich zuständig ist jedoch das Schiffahrtsgericht, an das der Rechtsstreit deshalb auf den Hilfsantrag der Klägerin zu verweisen war.

Gemäß § 2 Abs. l e) BinSchVerfG sind Binnenschiffahrtssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch die Schiffahrt zusammenhängen und u.a. zum Gegenstand haben: Ansprüche aus Bergung oder Hilfeleistung, namentlich auf Berge- und Hilfslohn, sowie vertragliche Ansprüche wegen Hilfe bei einer Schifffahrtsgefahr. Die Klägerin fordert Hilfskosten. Dabei handelt es sich, wie das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine Kaufpreisforderung aus einem vom Schiffsführer im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse für den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Schiffseigner oder Ausrüster, mit der Klägerin geschlossenen Vertrag, §§ 15, 19 BinSchG. Für diese Kaufpreisforderung haftet die B (Schiffseignerin) gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BinSchG nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, wobei wegen dieser Forderung zugunsten der Klägerin gemäß § 102 Nr. 5 BinSchG ein Pfandrecht am Schiff entstanden ist, das gemäß § 103 Satz 2 BinSchG gegenüber dem jeweiligen Besitzer verfolgbar ist. Die Beklagte wird als jetzige Besitzerin von TMS „S" (des Koppelverbandes) aus dem entstandenen Pfandrecht am Schiff im Wege der Pfandklage, mithin auf Duldung der Zwangsvollstreckung, in Anspruch genommen. Hierfür sind entgegen der Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Buchst. e) BinSchVerfG gegeben. Neben den gesetzlichen Ansprüchen aus Berge- und Hilfeleistungen, die nur bei erfolgreicher Rettung bestehen, besteht eine Zuständigkeit auch für all jene Fälle, in denen allgemein bei einer Schiffsgefahr aufgrund vertraglicher Abrede Hilfe gegen Zahlung einer erfolgsunabhängigen Vergütung geleistet wird, also beispielsweise bei Turn-, aber auch bei sonstigen Hilfeleistungsverträgen. Hierzu zählt auch der vorliegende Kaufvertrag, bei dem nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin diese durch Vermittlung der Wasserschutzpolizei zwei Koppeldrähte als Ersatz für zwei Koppeldrähte lieferte, die unmittelbar zuvor bei einem Schiffahrtsunfall, einer Kollision, gebrochen waren. Nach dem Vortrag der Klägerin wurden die Drähte benötigt, damit der Tankleichter vom Tankschubschiff wieder aufgenommen und gesichert werden und die Reise des Verbandes fortgesetzt werden konnte.

3. Örtlich zuständig ist indessen nicht das Schiffahrtsgericht Mannheim, sondern das Schiffahrtsgericht Mainz. Gemäß § 3 Abs. 1 BinSchVerfG ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Binnenschiffahrtssachen sind, in Fällen des § 2 Abs. 1 Buchst. e) nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Bergung bewirkt oder die Hilfeleistung beendet worden ist. Dies war nach den Angaben der Klägerin in der Klageschrift im Bereich der Kollisionsstelle, bei Rhein-km 445,5 und damit im Zuständigkeitsbereich des Schiffahrtsgerichts Mainz. An dieses war der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu verweisen...."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.8 (Sammlung Seite 1634 f.); ZfB 1997, 1634 f.