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Leitsatz:
Ohne ausdrücklichen Organisationsakt hat der Einsatz eines Baggers auf dem Rhein keinen hoheitlichen Charakter, was einer Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte entgegenstehen würde.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 11. 12.1990
U 5/90 RhSch
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Eignerin, zumindest Ausrüsterin des TMS „0". Die Beklagte 1 ist Eignerin des Eimerkettenbaggers „S". Der Beklagte 2 war am 14. 1. 1988 verantwortlicher Schiffsführer des Baggers. An diesem Tag fuhr das auf einen gemittelten Tiefgang von 2,75 m abgeladene TMS „0" auf dem Rhein in der Ortslage Maximiliansau bergwärts. Eine Kontrollmessung durch die Schleuse Iffezheim am 15.1. 1990 ergab achtern einen Tiefgang von 2,77 und 2,78m. Gegen 17.00 Uhr passierte TMS „0" in Höhe von Stromkilometer 361,1 den linksrheinisch am Ufer stilliegenden Bagger „S". Während der Passage geriet die zum rechten Ufer hin ausgebrachte Seitenankerkette in die Propeller- und Ruderanlage des Tankmotorschiffes, wodurch Schäden entstanden.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr wasserstandsgerecht abgeladenes Fahrzeug sei bei der Passage des Baggers in der Strommitte gefahren. Wenn dennoch die Ankerkette des Baggers in die Propeller- und Ruderanlage geraten sei, so könne dies nur damit erklärt werden, daß die Kette nicht ordnungsgemäß auf den Grund abgefiert worden sei.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Bagger verfüge über eine Seitenkettentiefenführung, über die die Seitenkette bis auf 170 cm senkrecht unter den Wasserspiegel geführt werde. Nach Arbeitsende am Unfalltag seien die Seitenkette über diese Führung abgefiert worden und zusätzlich noch aus Sicherheitsgründen 3-4m Kette an Deck gelegt worden. Durch diese Tiefenführung werde sichergestellt, daß die abgefierte Ankerkette auf dem gesamten Flußquerschnitt aufliege. Wenn dennoch die Seitenankerkette in die Propeller- und Ruderanlage des Tankmotorschiffes geraten sei, so könne dies nur darauf zurückgeführt werden, daß das Fahrzeug über das Baggerfeld gefahren sei, obwohl dieses mit einer grünen Tonne ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen sei.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde nicht angenommen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit zutreffender Begründung, die der Senat teilt und auf die er vollinhaltlich Bezug nimmt, seine sachliche Zuständigkeit bejaht. Der Ansicht der Beklagten, der zur Beseitigung von Fehltiefen in der Bundeswasserstraße Rhein erfolgte Einsatz des Baggers habe im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz hoheitlichen Charakter, was einer Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte entgegenstehe, vermag der Senat im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht zu folgen. Nach der genannten Vorschrift gehört die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen zu den Hoheitsaufgaben der Beklagten 1, zu denen nach § 8 Abs. 1 BWStrG das Erhalten eines ordnungsgemäßen Wasserablaufs und der Schiffbarkeit gehört. Zur Erfüllung dieser Hoheitsaufgabe bedarf es jedoch keines hoheitlichen Handelns der Beklagten 1 als Träger öffentlicher Gewalt, denn sie kann sie auch im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung bewältigen. Im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung kann die öffentliche Hand aber wählen, ob sie die ihr obliegende Aufgabe nur fiskalisch oder hoheitlich erfüllen will. Für eine solche hoheitliche Aufgabenerfüllung wäre aber ein Organisationsakt notwendig, aus dem sich ergibt, daß die betreffende Verwaltungstätigkeit hoheitlich ausgestaltet ist. Da ein solcher hierfür von der Rechtsprechung geforderter ausdrücklicher Organisationsakt (BGHZ 9, 373, 387/388; 20, 57, 59; 35, 111, 113; BGH, ZfB 1980, 411) fehlt, kann der Einsatz des Baggers nicht als hoheitliches Handeln angesehen werden. Deshalb ist die sachliche Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Binnenschiffsverfahrensgesetz (BinnSchVerfG), Art. 34 Nr. 2c der Mannheimer Akte gegeben.
2. . . Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Beweis dafür zu führen, daß der an ihrem Fahrzeug durch „Fischen" der Seitenkette des Baggers entstandene Schaden auf ein den Beklagten anzulastendes schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist.
Zunächst erlaubt es das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht, die Behauptung der Klägerin, TMS „O" sei im Unfallbereich in der Mitte des Fahrwassers bzw. ordnungsgemäß mit hinreichendem Abstand von dem linksrheinisch, durch die ausliegende grüne Tonne gekennzeichneten Grund gefahren und habe dort die quer über den Strom liegende seitliche Ankerkette des Baggers gefischt, als bewiesen anzusehen. ... So kann den von der Beklagten 1 vorgelegten Plänen, dem Sohlenplan mit der zeichnerischen Eintragung der Baggerstrecke - dem Grund - (1, 25) sowie dem Querprofil (1, 90), entnommen werden, daß der Strom im Unfallbereich ca. 250 m breit ist. Vor den linksrheinischen Kribben befindet sich ein Grund, das Baggerfeld, das ausweislich des Sohlenplanes durch eine am Scheitelpunkt bei Stromkilometer 360,95 ausliegende grüne Tonne gekennzeichnet ist. Diese Tonne liegt nach dem Sohlenplan ca. 100m vom geographisch linken Ufer entfernt. Etwa am talwärtigen Ende der Baggerstrecke lag der Eimerkettenbagger am geographisch linken Ufer mit der zum geographisch rechten Ufer ausgebrachten seitlichen Ankerkette still. Aus den zeichnerischen Eintragungen in diesem Sohlenplan ist zu entnehmen, daß das durch gestrichelte Linien dargestellte Fahrwasser der Schifffahrt am Unfalltag nicht in voller Breite zur Verfügung stand. Der auf der geographisch linken Seite entstandene, die Fahrwasserbreite eingeschränkte Grund, wo die Beklagte 1 die Baggerarbeiten ausführen ließ, war jedoch durch die am Scheitelpunkt ausliegende grüne Tonne hinreichend gekennzeichnet.
Wie TMS „0" in diesem Bereich gefahren ist, bleibt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unklar ...
Beide Abstandsangaben (die des Schiffsführers und die des Rudergängers von TMS O") sprechen dafür, daß TMS „0" über das Baggerfeld gefahren ist, wo ausweislich des Sohlenplanes am Ende der Baggerstrecke nur eine Wassertiefe von 2,1 m unter GLW 1982 am maßgeblichen Pegel Maxau vorhanden war. Dort stand unter Berücksichtigung des Pegelstandes von 153 cm am Pegel Maxau bei GLW 1982 von 350 cm nur eine Fahrwassertiefe von 313 cm zur Verfügung. Bei dem zumindest unstreitigen mittleren Tiefgang des Fahrzeuges würde dies rein rechnerisch ein Sicherheitspolster von 38 cm ergeben. Bei einem solchen rechnerischen Sicherheitspolster ist es jedoch durchaus möglich, eine auf den Grund abgefierte Ankerkette zu fischen, denn es ist eine Erfahrungstatsache, daß sich jedes mit Maschinenkraft angetriebene Fahrzeug bei der Fortbewegung im flachen Wasser aufgrund der hydrodynamischen Verhältnisse setzt und steuerlastige Trimmveränderungen erfährt (vergl. dazu z. B. Müller, Untersuchung der gegenseitigen Geschwindigkeitsbeeinflussung von Motorschiff und Schubverband beim Passieren in einem tiefen- und breitenmäßig wesentlich begrenzten Fahrwasser, ZfB 1972, 421 ff, insb. Teil 1, Nr. 3, Teil 2 Nr. 5), wodurch ein „Fischen" von auf dem Grund liegenden Gegenständen möglich wird.
Im übrigen sind auch keine Tatsachen ersichtlich, die den Schluß zuließen, die Seitenankerkette des Baggers sei nicht nach Arbeitsende auf den Grund abgefiert
worden .. .“
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.1/2 (Sammlung Seite 1357); ZfB 1992, 1357