Rechtsprechungsdatenbank

U 3/00 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 10.09.2001
Aktenzeichen: U 3/00 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 823 Abs. 1 BGB; § 5.02 Nr. 1 BinSchStrO; §§ 7, 8 BWStrG
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Bearbeitung:

1. Wird eine beim OLG - Schiffahrtsobergericht - einzureichende Berufungsbegründungsschrift irrtümlich an das OLG - Rheinschiffahrtsobergericht - adressiert, aber mit dem richtigen Aktenzeichen des Schiffahrtsobergerichts versehen, so ist damit die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.

2. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hat die für die Bundeswasserstraßen zuständige Bundesrepublik Deutschland den der Schiffahrt zur Verfügung gestellten Verkehrsweg im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, daß dieser für die zugelassene Schiffahrt die erforderliche Tiefe und Breite besitzt, frei von Hindernissen und soweit erforderlich, genügend gekennzeichnet ist. Die Fahrrinnengrenze muß richtig und genau bezeichnet werden.

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergericht) Karlsruhe

vom 10.09.2001

- U 3/00 BSch -

(rechtskräftig nach Revisionsrücknahme vom 12.02.2002 - II ZR 243/01)

(Vorinstanz: Schiffahrtsgericht Mannheim - Urt. vom 23.03.2000 - 30 C 4/99)

 

Zum Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht auf Ersatz der Schäden in Anspruch, die dem Versicherungsnehmer der Klägerin, dem Schiffsführer und Schiffseigner von MS „G", Reinhard Sch., durch eine Festfahrung auf dem Neckar am 31.05.1999 entstanden sind. An diesem Tag befand sich das mit 1.421 Tonnen beladene, auf einen gemittelten Tiefgang von 2,60 m liegende Motorschiff auf der Bergfahrt im Oberwasser der Schleuse H. Gegen 12.40 Uhr fuhr sich das Fahrzeug im Bereich von Neckarkilometer 27,2 fest. Es kam nach Anhebung des Wasserstaus der Stauhaltung H. wieder frei.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im wesentlichen behauptet, daß die Festfahrung des Fahrzeugs innerhalb des Fahrwassers erfolgt sei. Der Kurs sei so angelegt worden, daß zu der bei Kilometer 27,2 ausliegenden roten Fahrwasserbegrenzungstonne ein Abstand von 6 - 10 m eingehalten worden sei. Die Festfahrung, die mit einem starken Schlag im Vorschiff und nachfolgend starken Erschütterungen des Schiffes verbunden gewesen sei, sei darauf zurückzuführen, daß die von der Beklagten zur Fahrwasserbegrenzung ausgelegte rote Tonne nicht ordnungsgemäß ausgebracht gewesen sei. Hierdurch sei das Fahrzeug auf eine von der Beklagten als „Nase eines Felsrückens" bezeichnete Untiefe geraten. Für die falsche Lage der Tonne habe die Beklagte einzustehen. Der durch die Festfahrung entstandene Schaden ist Gegenstand der Klage.

Die Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen, der Schaden sei nicht innerhalb der ausgetonnten Fahrrinne entstanden. Die Tonne habe unmittelbar nach der Grundberührung vorschriftsmäßig genau 50 m vom rechten Ufer entfernt gelegen. Dies habe eine Einmessung der Tonne - unmittelbar nach der Havarie, als der Havarist noch festgelegen habe - ergeben. Allerdings habe eine nachträgliche genaue Einmessung der Tonne bei Neckarkilometer 27,2 zu dem Zeitpunkt, zu dem MS „G" die Havariestelle bereits verlassen habe und weiter zu Berg gefahren sei, ergeben, daß diese Tonne sich 6 m zu weit geografisch rechts befunden habe. Aus den beschriebenen nachgewiesenen Messergebnissen sei zu folgern, daß die Tonne in der Phase des Freikommens von MS „G" von der Festfahrungsstelle verzogen worden sein müsse.

Das Schiffahrtsgericht hat die Klage unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit Zwischenurteil vom 23.03.2000 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen trägt sie vor:

Die Aktivlegitimation stehe nicht fest. Das erstinstanzliche Verfahren leide an nicht ausreichender Sachaufklärung und der Nichtausschöpfung der von der Beklagten angebotenen Beweise. Das Schiffahrtsgericht hätte Beweis erheben müssen zu der Behauptung der Beklagten, die rote Fahrrinnentonne bei Neckarkilometer 27,2 sei korrekt eingemessen gewesen, wie eine Nachprüfung unmittelbar nach der Grundberührung ergeben habe, durch Vernehmung des in der Beweisaufnahme nicht gehörten Zeugen A. Tatsächlich habe die Tonne an richtiger Stelle, nämlich 50 m vom geografisch rechten Ufer entfernt, im Fahrwasser gelegen. Am 31.05., 01. und 02.06.1999 durchgeführte Abstreifungen hätten ergeben, daß im Bereich der Unfallstelle durchweg eine Fahrrinnentiefe von 2,80 m vorgehalten worden sei. Eine bei Neckarkilometer 27,16 festgestellte Fehlbreite von 3 Metern müsse auf einer falschen Angabe beruhen; tatsächlich habe sich die Felsplatte mit Nase unmittelbar am Fahrrinnenrand, nicht aber in der gekennzeichneten Fahrrinne befunden.

Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Durchführung von Überwachungsfahrten nach den maßgeblichen Richtlinien zur Verkehrssicherung nachgekommen. Allein im Mai 1999 seien zehn Überwachungsfahrten auf dem Neckar durchgeführt worden. Bei den letzten Fahrten vor der Havarie - am 25. und am 27. Mai 1999 - seien keine Mängel an den Schiffahrtsanlagen, der Fahrrinne oder den Schiffahrtszeichen, insbesondere auch keine Lageveränderung der Fahrwasserbegrenzungstonnen festgestellt worden.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie macht sich die Gründe des erstinstanzlichen Urteils zu eigen und trägt ergänzend vor:

Die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründungsschrift an das Rheinschiffahrtsobergericht und nicht - wie die Berufung selbst - an das Schiffahrtsobergericht gerichtet worden sei.

Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Das Schiffahrtsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt.

Zur Aktivlegitimation:

Die Schadenspositionen Ziff. 1 und 3 (Kaskoschaden und Feuerwehrrechnung) seien durch Versicherungsleistung gemäß § 67 VVG, die Schadensposition 2 (Nutzungsausfall für MS „G") sei durch Abtretung übergegangen. Die Schadensposition 4 (Expertenrechnung) sei der Klägerin unmittelbar entstanden.

Nachdem die Beweisaufnahme die klägerische Behauptung zum Schadenshergang in vollem Umfang durch mehrere unabhängige Zeugen, insbesondere durch einen Beamten der Wasserschutzpolizei, bestätigt habe, habe es keinen weiteren Beweisbedarf mehr gegeben. Der absolute Abstand der Tonne zum Ufer spiele keine Rolle, sei jedenfalls nicht geeignet, das klare und durch mehrere unabhängige Zeugen belegte Havariehergangsbild - Grundberührung in der Fahrrinne - zu widerlegen.
Die falsche Lage der Tonne sei darauf zurückzuführen, daß die Beklagte es pflichtwidrig schuldhaft unterlassen habe, deren Lage zu überprüfen. Die rote Fahrwassertonne bei Neckarkilometer 27,2 sei zunächst ordnungsgemäß am Fels verankert gewesen, bereits ein Vierteljahr vor der Havarie jedoch abgerissen und vorübergehend mit einem Betonklotz befestigt worden. Gerade wegen der besonderen Gefährlichkeit der Felssohle am Fahrrinnenrand habe der Beklagten eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der richtigen Lage der Tonne oblegen, die sie verletzt habe.

Das Berufungsgericht hat durch Vernehmung weiterer Zeugen erneut Beweis erhoben.

Die Berufung gegen das Grundurteil des Schiffahrtsgerichts Mannheim hatte gleichwohl keinen Erfolg. Die Berufung ist als unbegründet zurückgewiesen und der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klageansprüche an das Schiffahrtsgericht Mannheim zurückverwiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Wird eine beim OLG - Schiffahrtsobergericht - einzureichende Berufungsbegründungsschrift irrtümlich an das OLG - Rheinschiffahrtsobergericht - adressiert, aber mit dem richtigen Aktenzeichen des Schiffahrtsobergerichts versehen, so ist damit die Berufungsbegründungsfrist gewahrt (vgl. dazu BGH NJW 1989, 590). Es kann im vorliegenden Fall (insbesondere unter Berücksichtigung der vom BVerfG - NJW 1987, 2.067 - aufgestellten Grundsätze) keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß die die Berufungsbegründung enthaltende Prozeßerklärung der Beklagten zu den bereits beim Schiffahrtsobergericht anhängigen Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen 3 U 3/00 BSch eingereicht worden ist und daß die Adressierung „OLG - Rheinschiffahrtsobergericht" lediglich ein im Gesamtzusammenhang der Erklärung unschädliches „Vergreifen im Ausdruck" (vgl. BGH a.a.O.) darstellt. Im übrigen kommt es nicht auf die Anschrift, sondern darauf an, wann ein Schriftsatz in die Verfügungsgewalt des zuständigen Rechtsmittelgerichts gelangt. Der an das OLG - Rheinschiffahrtsobergericht - gerichtete Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.05.2000, mit dem Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wurde, ist rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des OLG - Schiffahrtsobergerichts - gelangt. Mit Verfügung des Vorsitzenden dieses Gerichts vom 29.05.2000 wurde dem Verlängerungsantrag entsprochen und dies den Parteivertretern mitgeteilt. Entsprechend ergibt sich der rechtzeitige Eingang der an das OLG - Rheinschiffahrtsobergericht - adressierten Berufungsbegründungsschrift in die Verfügungsgewalt des OLG - Schiffahrtsobergerichts - aus der Verfügung des Vorsitzenden dieses Gerichts vom 30.06.2000, mit der u.a. den Parteien mitgeteilt wurde, daß die Berufungsbegründung am 29.06.2000 per Telefax eingegangen war

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. (Ausführungen zur Aktivlegitimation).

2. Der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist gem. § 823 Abs. 1 BGB begründet.

a) Nach § 7 Abs. 1 BWStrG gehört die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schiffahrtsanlagen zu den Hoheitsaufgaben der Bundesrepublik Deutschland. Zur Unterhaltung der Binnenwasserstraßen gehört nach § 8 Abs. 1 BWStrG das Erhalten eines ordnungsgemäßen Wasserablaufs und der Schiffbarkeit.
Die Beklagte braucht die dabei ihr obliegenden Hoheitsaufgaben nicht ohne weiteres mit den Mitteln der sog. Obrigkeitsverwaltung (durch Anwenden von Befehlen, Zwangs- und Machtmitteln) zu erfüllen, sie kann sie auch im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung (durch Ausübung von Schutz und Fürsorge) bewältigen. Dazu wird nach der Rechtsprechung (vgl. OLGRSOG-Karlsruhe ZfB 1985, 171 = Sammlung S. 1118 m.w.N.) auch die Verkehrssicherungspflicht gerechnet. Im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung kann die öffentliche Hand wählen, ob sie die ihr obliegende Aufgabe nur fiskalisch oder als Träger öffentlicher Gewalt, dann also hoheitsrechtlich, erfüllen will. Für eine solche hoheitsrechtliche Aufgabenerfüllung wäre aber ein Organisationsakt notwendig, aus dem sich ergibt, daß die betreffende Verwaltungstätigkeit hoheitlich ausgestaltet ist. Da ein solcher Organisationsakt hinsichtlich der Verkehrssicherung nach dem BWStrG fehlt, kommen als Rechtsgrundlage für Ansprüche wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht lediglich die Bestimmungen des § 823 BGB und nicht die des § 839 BGB in Betracht.

b) Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte den der Schiffahrt zur Verfügung gestellten Verkehrsweg im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, daß dieser für die zugelassene Schiffahrt die erforderliche Tiefe und Breite besitzt, frei von Hindernissen und soweit erforderlich, genügend gekennzeichnet ist. Die Fahrrinnengrenze muß richtig und genau bezeichnet werden (BGH ZfB 1969, 335 = Sammlung S. 101; OLG-RSOG-Karlsruhe a.a.O.).

Die Beklagte hat „Richtlinien zur Verkehrssicherung auf den Bundeswasserstraßen" - außer Rhein und NOK - unter dem 01.02.1997 (AHA OLG 1 ff.) aufgestellt, die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Havarie galten und im übrigen im wesentlichen eine Konkretisierung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze darstellen. Danach ist die Beklagte als Gewässereigentümerin der Bundeswasserstraßen verpflichtet, die Bundeswasserstraßen in einem für den Schiffsverkehr ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten (1.1(1)). Für die Verkehrssicherung ist zwischen dem Fahrwasser und der Fahrrinne zu unterscheiden. „Fahrwasser" ist in den Binnenschiffahrtsstraßen der nach dem jeweiligen Wasserstand für die durchgehende Schiffahrt bestimmte Teil der Wasserstraße; „Fahrrinne" ist der Teil des Fahrwassers, in dem für den durchgehenden Schiffsverkehr bestimmte Breiten und Tiefen vorhanden sind, deren Erhaltung von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angestrebt wird. Der Begriff „Schiffahrtshindernis" umfaßt auch die Fehltiefe (1.2(3f.f.)). Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hängt davon ab, ob die Fahrrinne oder das Fahrwasser außerhalb der Fahrrinne zu sichern ist. Hinsichtlich der Fahrrinne ist dafür zu sorgen, daß sie die vorzuhaltende Breite und Tiefe hat, sie frei von Schiffahrtshindernissen ist und Schiffahrtshindernisse bezeichnet oder bekannt gemacht werden, solange sie nicht beseitigt sind. Im Fahrwasser außerhalb der Fahrrinne sind Schiffahrtshindernisse, sobald sie bekannt werden, unverzüglich zu bezeichnen oder auf andere Weise der Schiffahrt bekannt zu machen (1.3(10ff.)).

Zu den Maßnahmen der Verkehrssicherung zählt insbesondere ein regelmäßiges Befahren: Jede Strecke oder jeder Fahrwasserabschnitt ist in gleichen Zeitabständen zum Zwecke der Überwachung der Wasserstraße bei Tag zu befahren. Dabei sind insbesondere die Fahrrinne, die Schiffahrtsanlagen einschl. ihrer Ausrüstung und die Schiffahrtszeichen zu überwachen. Von der Schiffahrt häufig befahrene Wasserstraßen sind in der Regel zweimal monatlich zu befahren. Das WSA kann bei Vorliegen besonderer Umstände bestimmen, daß die Überwachung in anderen Zeitabständen oder vom Ufer aus erfolgt oder mit der Wahrnehmung anderer Aufgaben verbunden wird. Der Zustand der Fahrrinne ist in regelmäßigen Zeitabständen auf etwaige Fehltiefen durch Verkehrssicherungspeilungen zu überprüfen (2.1, 2.2). Gemäß § 5.05 Nr. 1 BinSchStrO enthält Anlage 8 die Schiffahrtszeichen, die ausgelegt oder aufgestellt werden können, um die Schiffahrt zu erleichtern. Gemäß 1 1 der Anlage 8 werden Schiffahrtszeichen zur Bezeichnung der Wasserstraße, der Fahrrinne und von gefährlichen Stellen und Hindernissen im und am Fahrwasser nicht durchgehend gesetzt. Schwimmende Schiffahrtszeichen werden etwa 5 m außerhalb der zu bezeichnenden Begrenzungen verankert. Dazu zählt u.a. zur Bezeichnung der rechten Seite der Fahrrinne die rote Tonne gem. Bild 1 der Anlage.

c) Aufgrund der Ergebnisse der in 1. Instanz und der in II. Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, daß MS „G" am 31.05.1999 sich innerhalb des durch Tonnen bezeichneten Fahrwassers bei Neckarkilometer 27,2 festgefahren hat. Die Festfahrung ist darauf zurückzuführen, daß die von der Beklagten zur Fahrwasserbegrenzung ausgelegte rote Tonne auf der geografisch rechten Seite des Neckars nicht ordnungsgemäß lag. Dadurch ist das Schiff auf eine, von der Beklagten als „Nase eines Felsrückens" bezeichnete Untiefe geraten. Die Beklagte hat von Anfang an eingeräumt, daß eine nachträgliche genaue Einmessung der Tonne bei Neckarkilometer 27,2 zu einem Zeitpunkt, zu dem MS „G" die Havariestelle bereits verlassen hatte und weiter zu Berg gefahren war, ergeben hatte, daß diese Tonne sich tatsächlich mindestens 6 m zu weit geografisch rechts befand (140). Es liegt danach nahe, daß auch zum Zeitpunkt der Festfahrung die Tonne falsch ausgelegt war. Die Behauptung der Beklagten, zum Zeitpunkt der Festfahrung sei die Tonne richtig gelegen, hat das Berufungsgericht nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme als nicht zutreffend angesehen. Es ist ferner zu der Überzeugung gelangt, daß der Festfahrungsort zweifelsfrei im Fahrwasser lag und das MS „G" so fest saß, daß es erst nach Aufhebung des Wasserstandes in der Stauhaltung „H" um ca. 20 cm gefahrlos wieder freikommen konnte.
Für die falsche Tonnenlage und die daraus sich ergebende Gefahrenlage für die Binnenschiffahrt vor und zum Unfallzeitpunkt ist die Beklagte verantwortlich. Bei den erwiesenermaßen regelmäßig durchgeführten Streckenfahrten habe es sich - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - lediglich um eine grobe Sichtkontrolle gehandelt. Das Berufungsgericht hat keinen Hinweis dafür erkennen können, daß vor dem Unfall eine exakte Vermessung der korrekten Lage der Tonne bei Neckarkilometer 27,2 stattgefunden hatte. Hierzu hatte jedoch besondere Veranlassung bestanden, da die am Neckarfelsengrund festgemachte Tonne im Rahmen des Februarhochwassers 1999 abgerissen war. Das Gericht hat es als erwiesen angesehen, daß eine ordnungsgemäße feste Wiederverankerung am Felsen jedenfalls erst nach dem Unfallgeschehen erfolgt ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gereicht es der Beklagten zum haftungsbegründenden Vorwurf, daß sie die Schiffahrt nicht entsprechend auf diese besondere Gefahrenstelle hingewiesen und gewarnt hatte und daß sie nicht eine konkrete exakte häufigere Überprüfung der korrekten Lage dieser Tonne vornehmen ließ. Dies wäre ihr möglich und zumutbar gewesen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2002 - Nr.6 (Sammlung Seite 1867 f.); ZfB 2001, 1867 f.