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RReg 4 St 224/81 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 22.06.1982
Aktenzeichen: RReg 4 St 224/81
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht München
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Die durch Einleitung von nicht ölhaltigen Schiffsabwässern in die Wasserstraße, insbesondere von Küchen- und Toilettenabwässern aus Fahrgastschiffen, bewirkte Gewässerverunreinigung wird - abgesehen von einer Ausnahmevorschrift des Landes Hamburg - nicht durch ausdrückliche Einleitungsbefugnisse gemäß Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder Wassergesetzen der Länder gerechtfertigt. Sie lässt sich auch nicht im Rahmen der zulässigen Schifffahrtsausübung, u. a. aus der Erteilung von Schiffsattesten und der Anordnung zum Einbau von Aborten, ableiten, da die diesbezüglichen Untersuchungsordnungen an der Schiffs- und Verkehrssicherheit, nicht an wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiert sind.

2) Gleichwohl ist die Einleitung der genannten Abwässer nicht unbefugt und daher nicht strafbar, weil sie einem noch bestehenden Gewohnheitsrecht entspricht.

Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts

vom 22. Juni 1982


Zum Sachverhalt:

Nach den vom Gericht getroffenen Feststellungen betreibt der Angeklagte Fahrgastschifffahrt mit 4 Schiffen auf Rhein und Main sowie zwischen Main und Nürnberg auf der insoweit fertig gestellten Rhein-Main-Donau-Großschifffahrtsstraße. Die mit Restaurationsbetrieben ausgestatteten Schiffe entsprechen den Vorschriften der Rheinschiffs- sowie der Binnenschiffs-Untersuchungsordnung und sind durch entsprechende Atteste zugelassen. Die anfallenden festen Abfälle werden in Behältern gesammelt und an Land für die Müllabfuhr bereitgestellt. Die mit kleinen Speiseresten versetzten Küchenabwässer und die Fäkalien aus Bordtoiletten werden unmittelbar in das Fahrwasser abgeleitet. An den Anlegestellen bestehen keine Übernahmemöglichkeiten für derartige Abwässer. Nach den amtlich eingeleiteten Feststellungen soll durch diese Abwassereinleitung, besonders in die Stillwasserzone des Rhein-Main-Donau-Kanals, das Gewässer verunreinigt worden sein, zumal die gleichzeitige Zufuhr anorganischer Abwasserinhaltsstoffe zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Mikroorganismen führt.
Auf Grund des geschilderten Sachverhalts wurde dem Angeklagten das fortgesetzte Vergehen der Verunreinigung eines Gewässers seit dem 1. Oktober 1976 zur Last gelegt. Das Amtsgericht hielt den Straftatbestand objektiv für gegeben, billigte dem Angeklagten jedoch unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) zu und sprach ihn frei. Das Landgericht verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft, weil der Angeklagte nicht rechtswidrig gehandelt habe. Auch die Revision wurde vom Bayerischen Obersten Landesgericht als unbegründet verworfen. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten sind der Staatskasse zur Last gefallen.


Aus den Gründen:
„...
Nach § 38 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957 (BGBI 1 S. 1110) in der ab 1. 10. 1976 gültigen Fassung des 4. Änderungsgesetzes vom 26. 4. 1976 (BGBI 1 S. 1109) und dem gemäß § 2 Abs. 2 StGB nunmehr anwendbaren § 324 StGB - die Tatzeit erstreckte sich über den 1. 7. 1980 hinaus wird bestraft, wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert. Das Landgericht hat festgestellt, dass durch die Einleitung der Schiffsabwässer in den Rhein-Main-Donau-Kanal eine derartige Gewässerverunreinigung bewirkt wurde. Das geschah durch positives Tun des Angeklagten. Seine Tathandlung bestand im Betrieb der Schifffahrt in Kenntnis, dass dabei die Küchen- und Toilettenabwässer in den Schifffahrtskanal geleitet und die Eigenschaften dieses oberirdischen Gewässers (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 WHG) dadurch verschlechtert werden. Dabei ist er auch dafür verantwortlich, dass von den von ihm verpachteten Restaurationsbetrieben Abwässer eingeleitet wurden.

Der Angeklagte handelte jedoch nicht „unbefugt". Dieser Begriff gehört nicht zum Tatbestand und ist, wie in verschiedenen anderen Straftatbeständen auch, als Hinweis darauf zu verstehen, „dass nach einschlägigen gesetzlichen Regelungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu prüfen ist, ob das im übrigen tatbestandsmäßige Verhalten straflos ist" (Amtliche Begründung zu § 38 WHG i.d.F. des 4. Änderungsgesetzes vom 26. 4. 1976 BT-Drucks 7/888 S. 21f); er ist allgemeines Verbrechensmerkmal (Schönke/Schröder StGB 21. Aufl. § 324 RdNr. 11; Horn in SK StGB 3 Aufl. § 324 RdNr. 6; Dreher/Tröndle StGB 40. Aufl. § 324 RdNr. 7; Sieder/ Zeitler WHG - letzte ErgLfg Juli 1981 - Anhang 111 4.1. § 324 StGB RdNr. 11; Gieseke/Wiedemann/Czychowski WHG 3. Aufl. § 38 RdNr. 9).

Als Rechtfertigungsgründe kommen die im Wasserhaushaltsgesetz und in den Landeswassergesetzen bezeichneten Ausnahmefälle (Erlaubnisse, Bewilligungen, alte Rechte und Befugnisse, Gemeingebrauch) ebenso in Betracht wie die allgemeinen strafrechtlichen Privilege einschlägiger Art, insbe¬sondere der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB); aber auch die „Sozialadäquanz" (Amtliche Begründung und Dreher/ Tröndle aaO; Wernicke NJW 1977,1662/1664) und der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnungen (BGH bei Dallinger MDR 1975, 722/723; Bickel ZfW 1977, 139/144) werden in diesem Zusammenhang angeführt.
Geschriebene wasserrechtliche Einleitungsbefugnisse nach dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Bayerischen Wassergesetz stehen dem Angeklagten nicht zu. Insbesondere wurde ihm eine entsprechende Erlaubnis oder Bewilligung gemäß §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4, §§ 7, 8 WHG nicht erteilt. Obwohl die Einleitung der Schiffsabwässer in die Bundeswasserstraßen traditionsgemäß allgemein gehandhabt wird, ist diese Art der Nutzung weder als Gemeingebrauch (§ 23 WHG, Art. 21 ff. BayWG) ausdrücklich gestattet, noch liegen hier die formellen Voraussetzungen für die Fortwirkung alter Rechte und Befugnisse (§§ 15 ff. WHG) vor. Eine verwaltungsrechtliche Duldung kommt unter Berücksichtigung der jahrelangen behördlichen Bemühungen um ein Abstellen der Abwassereinleitungen, die bis hin zur Strafanzeige im vorliegenden Verfahren geführt haben, schon aus tatsächlichen Gründen jedenfalls für die gesamte Tatzeit nicht in Betracht.
...
Die Abwassereinleitung in den Schifffahrtskanal ist schließlich auch nicht schon deshalb erlaubt, weil sie im Rahmen zulässiger Schifffahrtsausübung erfolgt ist. Der Betrieb von Fahrgastschiffen auf einer Bundeswasserstraße ist als solcher kein Gegenstand des Wasserhaushaltsrechts und fällt insbesondere weder unter die Benutzungstatbestände des Wasserhaushaltsgesetzes noch unter den Begriff des Gemeingebrauchs; die Schifffahrt stellt einen eigenen Rechtstatbestand dar (BVerwG ZfW 1966, 99/100 und ZfW 1970, 148; VG Freiburg DÖV 1976, 101; Gieseke/Wiedemann/Czychowski § 23 RdNr. 28; Sieder/Zeitler WHG § 3 RdNr. 18 und BayWG - letzte ErgLfg Mai 1980 - Art. 27 RdNr. 3). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Einleitung von Schiffsabwässern in eine Wasserstraße nach Schifffahrtsrecht zu beurteilen und dem Wasserhaushaltsrecht entzogen wäre. Diese Gewässernutzung berührt nicht die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs und betrifft somit den Kanal nicht als Verkehrsweg, sondern als Gegenstand der Wasserwirtschaft. Gleichwohl ist die Einleitung von nicht ölhaltigen Schiffsabwässern in die auf bayerischem Gebiet liegenden Bundeswasserstraßen nicht unbefugt, weil sie einem noch bestehenden Gewohnheitsrecht entspricht.
...
Gewohnheitsrecht wird auf allen Rechtsgebieten anerkannt, auch im Verwaltungsrecht. Die Entstehung eines solchen Rechtes setzt voraus, dass die Rechtsbeziehungen innerhalb eines bestimmten Bereichs auf Grund einer ständigen oder langjährigen gleichmäßigen und allgemeinen Übung durch einen von der Rechtsüberzeugung der Beteiligten getragenen ungeschriebenen Rechtssatz geordnet sind (BVerwG DVBI 1979, 116; OVG Münster DÖV 1976, 677; Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts Allgemeiner Teil 10 Aufl. S. 144.; Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht 1 9. Aufl. S. 125 ff.; Erichsen/Martens Allgemeines Verwaltungsrecht 5. Aufl. S. 96 ff.; vgl. auch BGH NJW 1958, 709 und BayObLGSt 1978, 182/185 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Schifffahrt auf den Binnenwasserstraßen des Bundes wird traditionsgemäß in der Form betrieben, dass die Schiffsabwässer unmittelbar in das Gewässer eingeleitet werden. Das geschah bis in die jüngste Zeit in dem Bewusstsein der beteiligten Kreise, dass dies rechtens sei. Auch die Gesetzgebung und die Verwaltung gingen stillschweigend davon aus. In Bayern galt das insbesondere auch für die Geltungsdauer des Wassergesetzes vom 23. 3. 1907 - WG 1907 - (BayBS II S. 471), das gemäß Art. 103, 104 BayWG vom 26. 7. 1962 (GVBI. S. 143) in der seit 1. 10. 1981 gültigen Neufassung vom 18. 9. 1981 (GVBI S. 425) erst am 1. 1. 1963 außer Kraft getreten ist. Danach stand die Benutzung der Öffentlichen-Flüsse und staatlichen Kanäle zur Schiff- und Floßfahrt vorbehaltlich der Bestimmungen der Staatsverträge und vorbehaltlich der näheren Regelung dieser Benutzung durch Schifffahrts-, Floß- und Kanalordnungen jedem frei (Art. 29 Abs. 1). Die Einleitung von Flüssigkeiten oder anderen nicht festen Stoffen in öffentliche Gewässer war nach Art. 37 dieses Gesetzes erlaubnispflichtig. Gleichwohl hatten die Schiffe damals - wie zum großen Teil auch heute noch - keine Vorrichtungen, um eine unmittelbare Einleitung der nicht ölhaltigen Schiffsabwässer in das Ge¬wässer zu verhindern. Die entsprechenden Ausrüstungs- und Zulassungsvorschriften sahen solche auch nicht vor. Die Einleitung wurde stillschweigend von allen Beteiligten für zulässig erachtet.

Das Wasserhaushaltsgesetz 1962 brachte insoweit keine unmittelbare Änderung. Es machte das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer von der behördlichen Erlaubnis abhängig (§§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4), überließ aber die nähere Ausgestaltung des Gemeingebrauchs den Ländern (§ 23) mit der Maßgabe, dass diese das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer als Gemeingebrauch nur insoweit zulassen können, als dies nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht als Gemeingebrauch zulässig war (§ 23 Abs. 2). Damit war es Sache der Länder, das bis dahin gewohnheitsrechtlich zulässige Einleiten der nicht ölhaltigen Schiffsabwässer in die Wasserstraßen im Rahmen der gesetzten Grenze zu regeln.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat den bis dahin bestehenden, gesetzlich jedoch nicht geregelten Zustand ausdrücklich aufrecht erhalten. In § 10 Abs. 3 des Hamburgischen Wassergesetzes vom 20. 6. 1960 (GVBI S. 335) zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. 11. 1977 (GVBI S. 363) wurde das Einleiten von Schiffsabwässern für zulässig erklärt, wenn sie nicht Öl oder andere schädliche Bestandteile enthalten. In der Amtlichen Begründung hierzu (Senatsmitteilung für die Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15. 9. 1960 S. 138) heißt es:

„Gewohnheitsrechtlich ist es bisher zulässig gewesen, die Schiffsabwässer in die Gewässer einzuleiten. An diesem Rechtszustand ist festzuhalten, da diese Abwässer auf andere Weise nicht beseitigt werden können, denn es wäre praktisch undurchführbar, jedem Schiff eine besondere Erlaubnis zum Einleiten dieser Abwässer zu erteilen. Das Wasserhaushaltsgesetz gibt die Ermächtigung, Abwassereinleitungen als Gemeingebrauch anzuerkennen, wenn diese Art der Gewässerbenutzung bisher gemeingebräuchlich war (§ 23 Abs. 2). Das soll, da die Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift gegeben ist, mit der Einschränkung geschehen, dass Öl oder andere schädliche Bestandteile in den Abwässern nicht enthalten sein dürfen. Die Einleitung der Schiffsabwässer ist mit dieser Einschränkung wasserwirtschaftlich unbedenklich."

In Art. 21 BayWG in der derzeit gültigen Fassung ist der Gemeingebrauch ohne Berücksichtigung der Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen geregelt. Damit konnte und sollte aber das bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung für die Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen geltende Gewohnheitsrecht nicht außer Kraft gesetzt werden. Dafür hätte es einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Regelung bedurft, die in der genannten Bestimmung nicht zu erblicken ist, zumal sie der Materie nach in etwa der Regelung des Art. 26 Abs. 1 WG 1907 entspricht, die der Weitergeltung des zugunsten der Binnenschifffahrt auf den Wasserstraßen bestehenden Gewohnheitsrechts nicht entgegen stand. Die fehlende Regelungsabsicht des Gesetzgebers wird verdeutlicht durch die Verordnung für die Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern - Schor - vom 9. B. 1977 (GVBI S. 469), von deren Geltungsbereich die Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen ausdrücklich ausgenommen wurde (§ 1 Abs. 1). Danach dürfen „vorbehaltlich der Vorschriften des Abfall- und Wasserrechts in der jeweils geltenden Fassung feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die nach Art und Menge geeignet sind, die Eigenschaften des Gewässers nachteilig zu verändern, nicht von einem Fahrzeug oder einer schwimmenden Anlage aus in ein Gewässer eingebracht oder eingeleitet werden" (§ 36 Abs. 1 Nr. 2). Zur Sicherung vor Schiffsabwässern müssen „Fahrzeuge und schwimmende Anlagen, die mit eingebauten Wohn-, Koch- oder sanitären Einrichtungen ausgerüstet sind, mit den erforderlichen Behältern zur Aufnahme von Fäkalien und Abwässern sowie zur Aufnahme von Abfällen ausgerüstet sein. Auch ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass derartige Abfallstoffe nicht in das Gewässer gelangen können" (§ 15 Abs. 2). Diese Bestimmung wurde jedoch erst zum 1. 11. 1980 in Kraft gesetzt (§ 61 Abs. 2), während die Verordnung - von einigen weiteren Ausnahmen abgesehen - generell ab 1. 11. 1977 Wirksamkeit erlangt hat (§ 61 Abs. 1). Abgesehen davon, dass die bisherige Schiffswassereinleitungspraxis auf den bayerischen Gewässern auch nach Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes zunächst über mehrere Jahre ohne eine einschränkende gesetzliche Regelung beibehalten wurde, bestätigt diese Übergangsfrist das Bestehen und die Anerkennung eines entsprechenden Gemeingebrauchs, der für die bayerischen Gewässer ab 1. 11. 1980 zum Erlöschen gebracht werden sollte. Sie verdeutlicht aber auch, dass die landesrechtliche Regelung der gemeingebräuchlichen Abwassereinleitung in oberirdische Gewässer nicht für die Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen gelten sollte. Denn es ist schlechthin undenkbar, dass der bayerische Gesetzgeber der weniger bedeutenden Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern eine Übergangsfrist einräumte, aber der Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen, für die supranationale Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, eine solche nicht generell und ausdrücklich zugestehen wollte.

Auch die -verfassungswidrige - bundeseinheitliche Regelung der einschlägigen Materie hatte eine ausreichende Übergangsfrist für die Beendigung der Einleitung der Schiffsabwässer in die Bundeswasserstraßen vorgesehen.
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Auch sonstige gesetzliche Bestimmungen stehen der Fortgeltung des dargelegten Gewohnheitsrechts nicht entgegen. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung - BinSchStrO -, die durch Verordnung vom 3. 3. 1971 - BinSchStrEV - (BGBI 1 S. 178), zuletzt geändert am 15. 6. 1981 (BGBI 1 S. 508), in Kraft gesetzt wurde, ist es u. a. verboten, feste Gegenstände oder Flüssigkeiten, die geeignet sind, die Schifffahrt oder sonstige Benutzer der Wasserstraße zu behindern oder zu gefährden, in die Wasserstraße zu werfen, zu gießen oder sonst wie einzubringen oder einzuleiten (§ 1.15 Nr. 1). Ein entsprechendes Verbot gilt für Ölrückstände jeder Art, auch wenn sie mit Wasser vermischt sind (§ 1.15 Nr. 3). Die Einleitung sonstiger Schiffsabwässer, die zu einer Gowdoocrvcrunreinigung führen, wird darin nicht untersagt.
Die Rheinschifffahrtpolizeiverordnung - RheinSchPV - in der durch VO vom 15. 6. 1981 - RheinSchPEV - (BGBI 1 S. 497) eingeführten Fassung enthält eine damit übereinstimmende Regelung dieser Materie (§ 1.15 Nr. 1 und 3). Auch die zugehörigen Ahndungsnormen sind inhaltlich identisch (jeweils Art. 4 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Art. 5 Abs. 1 Nr. 5).

In der durch Verordnung vom 18. 3. 1970 - DonauSchPEV - (BGBI 1 S. 297) eingeführten Donauschifffahrtspolizeiverordnung - DonauSchPV - ist allerdings das entsprechende Verbot auf solche Gegenstände oder Flüssigkeiten erweitert, die geeignet sind, das Wasser zu verschmutzen (§ 1. 15 Abs. 1). Die Tragweite dieser Bestimmung kann jedoch hier dahingestellt bleiben, weil die Tat, die dem Angeklagten zur Last liegt, die Schifffahrt auf der Donau nicht berührt.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer - AbwAG - vom 13.9. 1976 (BGBI 1 S. 2721) für Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt, gilt eine Ausnahme von der allgemeinen Verpflichtung zur Entrichtung einer nach der Höhe der Schadeinheiten bemessenen Abgabe für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 1 Abs. 1 WHG. In der Amtlichen Begründung dieser Ausnahmebestimmung ist ausgeführt (BT-Drucks 7/2272 S. 6/35):

„Nr. 4 schließt die Erhebung von Abwasserabgaben von der Schifffahrt aus, weil diese einen erheblichen Verwaltungsaufwand bei verhältnismäßig geringem Effekt erfordern würde. Ein gewisser Ausgleich für die geringfügige Einleitung von Abwasser aus Schiffen ist dadurch gegeben, dass durch den Schiffsbetrieb Sauerstoff in die Gewässer eingetragen wird. Von dieser Ausnahmeregelung nicht betroffen, also abgabepflichtig, bleiben Wohn- und Hotelschiffe, die einen festen Standort haben."

Die einschlägigen Untersuchungsordnungen, nach denen sich die Zulassung zur Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen richtet, schreiben zwar den Einbau von Aborten vor, enthalten aber keine Bestimmung über den Verbleib der Abwässer.
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Aus diesen Regelungen lässt sich entgegen der Schlussfolgerung, die das Landgericht hieraus gezogen hat, sicherlich keine abwasserrechtliche Erlaubnis ableiten. Auch kann die Erteilung des Schiffsattestes nach diesen Vorschriften nicht zugleich als derartige Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 WHG gelten, obwohl damit die ordnungsrechtliche Befugnis verbunden ist, die Bundeswasserstraßen mit dem zugehörigen Schiff, so wie es ausgerüstet ist, zu befahren. Die Schifffahrts-Untersuchungsordnungen sind nämlich an der Schiffs- und Verkehrssicherheit orientiert und nicht an wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Gremien, die über die Schiffszulassung entscheiden, sind nicht zur Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG befugt. Dafür sind in Bayern die Kreisverwaltungsbehörden zuständig (Art. 68 Abs. 2 BayWG). Diese an den tatsächlichen und rechtlichen Notwendigkeiten orientierten Bestimmungen sprechen aber jedenfalls nicht gegen, sondern eher für den Fortbestand des Gewohnheitsrechts auf Einleitung der nicht ölhaltigen Schiffsabwässer in die Bundeswasserstraßen.
Schließlich ist das insoweit bestehende Gewohnheitsrecht weder wegen völliger Veränderung der Verhältnisse weggefallen (BVerwG aaO), noch wurde es durch die Bildung eines entgegenwirkenden neuen Gewohnheitsrechts außer Kraft gesetzt (vgl. BGH NJW 1962, 2054/2056). Die Gewässerbelastungen auf den Bundeswasserstraßen haben zwar ein Ausmaß erreicht, das dringende Abhilfe erfordert. Der Beitrag, den die Binnenschifffahrt, speziell die Passagierschifffahrt, dazu leistet, ist aber sicherlich nicht so entscheidend, dass nicht eine gesetzliche Regelung dieser Materie abgewartet werden könnte, die eine Berücksichtigung der internationalen Interessen ermöglicht, die für die oben angeführte Übergangsregelung des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen maßgebend war (vgl. die Amtliche Begründung zu § 4 WStrRG aaO). Die Verhältnisse haben sich noch nicht so durchgreifend verändert, dass die Grundlage des Gewohnheitsrechts weggefallen und diese daher obsolet geworden wäre.
Was die Bildung eines neuen Gewohnheitsrechts anlangt, ist festzustellen, dass insoweit unter den Beteiligten ein Umdenkungsprozess zugunsten des notwendigen Gewässerschutzes erst begonnen hat, der durch fortschrittliche gesetzliche Regelungen, wie sie beispielhaft für die bayerischen Gewässer bereits gelten, noch vorangetrieben wird. Wie die Praxis und nicht zuletzt der Gegenstand dieses Verfahrens zeigen, ist die entscheidende Wende zum Erlöschen des Gewohnheitsrechts aber noch nicht eingetreten. Die Auffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden des Landes Bayern von der Unrechtmäßigkeit der Schiffswassereinleitung in die Bundeswasserstraßen reicht dafür nicht aus (BGH aaO), zumal sie offenbar nicht von allen Bundesländern geteilt wird.
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