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IV ZR 165/09 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 18.05.2011
Aktenzeichen: IV ZR 165/09
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof -
Abteilung: -

Leitsatz:

§ 132 Abs. 1 VVG a. F. ist als verhüllte Obliegenheit, nicht als objektiver Risikoausschluss einzuordnen.

 

[1] Die Kl. begehrte die Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet seien, sie von Schadensersatzansprü­chen der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 85 077,88 Euro freizustellen.

[2] Der Schaden resultierte daraus, dass das der Kl. gehörende Motorschiff am 29. 1. 2003 zweimal mit dem Trogtor eines Schiffshebewerks kollidierte.

[3] Die Kl. stützte ihre Forderung gegen die Bekl. zu 1 auf einen mit dieser angeblich geschlossenen Versicherungsvertrag gemäß einer sogenannten „Covernote“ vom 13. 2. 2003. Dieses von der Bekl. zu 1 unter ihrem Briefkopf ausgestellte Dokument enthält Angaben zu VN, Schiff, Versicherungssumme, Fahrtgebiet, Laufzeit, Bedingungen, Selbstbehalt, Prämie und Versicherer. Als Laufzeit ist der Zeitraum vom 1. 1. bis zum 31. 12. 2003 angegeben. Unter dem Punkt „Bedingungen“ hieß es: Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Flusskaskorisiken 2000 (AVB Flusskasko 2000). ... Besondere Bedingungen gemäß Anlage. Die Besonderen Bedingungen gehen den gedruckten Klauseln, diese den AVB Flusskasko 2000 und diese den gesetzlichen Bestimmungen voran.

[4] Die AVB Flusskasko 2000 lauteten auszugsweise: 3. Umfang des Versicherungsschutzes

3.1.     Versicherte Gefahren, Aufwendungen und Kosten

3.1.1. Der Versicherer leistet Ersatz für Verlust oder Beschädigung des versicherten Schiffes, verur­sacht durch: - Schifffahrtsunfall; ...

3.1.3. Ferner leistet der Versicherer Ersatz für: 3.1.3.1. Ersatz an Dritte gemäß Ziffer 4; ...

3.2. Nicht versicherte Gefahren und nicht ersatzpflichtige Schäden

3.2.1. Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, leistet der Versicherer keinen Ersatz für Verlust oder Beschädigung des versicherten Schiffes, verursacht

3.2.1.1. durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln des Versicherungsnehmers auch dann, wenn er das Schiff selbst führt. ...

3.2.1.2. dadurch, dass das versicherte Schiff nicht fahrtüchtig, insbesondere

- nicht gehörig ausgerüstet, bemannt oder beladen ist;

4. Ersatz an Dritte

4.1. Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz auch für den Fall, dass er einem Dritten wegen des Verlustes oder der Beschädigung von Sachen aufgrund gesetzlicher Be­stimmungen Ersatz zu leisten hat und der Verlust bzw. die Beschädigung durch unmittelbare navigato­rische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Schiffsverkehr verursacht worden sind. ...

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haft­pflichtansprüche wegen Schäden, die durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien verursacht worden sind, ...

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, leistet der Versicherer keinen Ersatz für Verlust oder Be­schädigung von Sachen, die sich an Bord des versicherten Schiffes befinden.

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, hat im Falle der Kollision zwischen Schiffen desselben Versicherungsnehmers jedes Schiff bzw. dessen Versicherer seinen eigenen Schaden zu tragen.

[5] Weiterhin nahm die Kl. die Bekl. zu 2 als persönlich haftende Gesellschafterin der Bekl. zu 1 in An­spruch.

[6] Die Bekl. wendeten ein, die Bekl. zu 1 sei nur als Versicherungsmaklerin tätig geworden und habe ein Versicherungsverhältnis mit einem Konsortium von Versicherern, darunter der Streithelferin als füh­render Versicherer, vermittelt. Außerdem beriefen sie sich darauf, dass die Haftung schon deshalb aus­geschlossen sei, weil das Schiff aufgrund gravierender Mängel der Umsteueranlage bereits bei Antritt seiner Reise fahruntüchtig gewesen sei.

[7] Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das OLG das erstinstanzliche Ur­teil geändert und die Klage abgewiesen. [8] Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

[9] I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Kl. aufgrund eines durchgreifenden Haftungs­ausschlusses gem. § 132 Abs. 1 VVG a. F. keine Ansprüche aus einem etwaigen mit der Bekl. zu 1 ge­schlossenen Versicherungsvertrag zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Schiff aufgrund eines technischen Defekts der Umsteueranlage bei Fahrtantritt am 29. 1. 2003 objek­tiv fahruntüchtig gewesen und deshalb mit der Schleusenanlage kollidiert sei. Das Schiff sei nicht fähig gewesen, die gewöhnlichen Gefahren der geplanten Reise zu bestehen.

[10] Der damit zugunsten der Bekl. gem. § 132 Abs. 1 VVG a. F. eingreifende objektive Risikoaus-schluss sei nicht durch die - bei Annahme eines wirksam geschlossenen Versicherungsvertrags ent­sprechend der „Covernote“ vom 13. 2. 2003 - vereinbarten AVB abbedungen worden. Soweit Nr. 3.2.1.2 AVB Flusskasko 2000 für einen Leistungsausschluss wegen Fahruntüchtigkeit des Schiffs ein Verschulden des VN voraussetze, gelte dies allein für den hier nicht in Rede stehenden Ersatz wegen Verlustes oder Beschädigung des versicherten Schiffs. Hier gehe es um Ersatzansprüche Dritter, die abschließend in Nr. 4 AVB Flusskasko 2000 geregelt seien. Das ergebe sich ausdrücklich aus Nr. 3.1.3.1 („Ersatz an Dritte gemäß Ziff. 4“) und aus der Überschrift der Nr. 4 („Ersatz an Dritte“). In der letztge­nannten Bestimmung fänden sich in den Unterpunkten 4.7 bis 4.9 für Fremdschäden eigenständige Haftungsausschlüsse, allerdings nicht wegen Fahruntüchtigkeit. Aus dieser Regelung könne daher kei­ne Abbedingung der gesetzlichen Bestimmung des § 132 Abs. 1 VVG a. F. auch für Drittschäden herge­leitet werden. Weder die systematische Stellung noch der Sinn oder Wortlaut der Nr. 3.2.1.2 AVB Fluss-kasko 2000 geböten die Annahme, dass damit eine für alle Bereiche der Flusskaskoversicherung gel­tende Sonderregelung zu § 132 Abs. 1 VVG a. F. geschaffen werden sollte. Falls allein das Überfüllen der Ölspeicher der D.-Anlage zum Ausfall der Umsteuerungsfunktion geführt habe, könnte sich die Kl. mög­licherweise über Nr. 3.2.1.1 S. 2 AVB Flusskasko 2000 insoweit entlasten, als sie ein schadensursächli­ches Fehlverhalten der Besatzung nicht zu vertreten hätte. Daneben läge aber als weiterer Haftungs­ausschlussgrund eine objektive Fahruntüchtigkeit des Schiffs vor.

[11] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

[12] 1. Anders als das LG, das ein Versicherungsverhältnis zwischen der Kl. und der Bekl. zu 1 bejaht hatte, hat das Berufungsgericht offengelassen, ob ein Versicherungsvertrag gemäß der „Covernote“ vom 13. 2. 2003 zustande gekommen ist. Für das Revisionsverfahren ist dies zugunsten der Kl. zu un­terstellen.

[13] 2. Das Berufungsgericht hat § 132 Abs. 1 VVG a. F. zutreffend für einschlägig gehalten, aber letzt­lich nicht richtig angewandt.

[14] a) Entgegen der Auffassung der Revision schließt Nr. 3 AVB Flusskasko 2000 nicht als versiche­rungsvertragliche Spezialregelung den vom Berufungsgericht bejahten Rückgriff auf § 132 Abs. 1 VVG a. F. aus.

[15] aa) Nach dem Inhalt der „Covernote“ vom 13. 2. 2003 sollten Kasko, Haftpflicht und Wrackbesei­tigung mit unterschiedlichen Versicherungssummen abgedeckt sein. Dabei sollten die AVB Flusskasko 2000 und die Besonderen Bedingungen gemäß der Anlage zur „Covernote“ gelten, wobei die Beson­deren Bedingungen „den gedruckten Klauseln, diese den AVB Flusskasko 2000 und diese den gesetz­lichen Bestimmungen“ vorangehen sollten. Daraus ergibt sich nach dem maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen VN nicht, dass die gesetzlichen Regelungen überhaupt nicht zum Zuge kom­men sollten. Vielmehr zielt die in der „Covernote“ vorgenommene Abstufung ersichtlich darauf, dass die AVB Flusskasko 2000 die allgemeinen Normen des VVG ergänzen und gegebenenfalls modifizieren.

[16] bb) Maßgeblich für den Umfang des Versicherungsschutzes ist zunächst Nr. 3 AVB Flusskasko 2000. Unter Nr. 3.1 „Versicherte Gefahren, Aufwendungen und Kosten“ findet sich bei Nr. 3.1.1 und 3.1.2 die Ersatzpflicht für Verlust oder Beschädigung des versicherten Schiffs und seines Zubehörs und damit die Regelung der Kaskoversicherung. Nummer 3.1.3.1 sieht den „Ersatz an Dritte gemäß Ziff. 4“ vor. Dort wird die Haftpflichtversicherung dergestalt umschrieben, dass der Versicherer dem VN Versi­cherungsschutz auch für den Fall gewährt, dass er einem Dritten wegen des Verlustes oder der Beschädigung von Sachen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Ersatz zu leisten hat und der Verlust bzw. die Beschädigung durch unmittelbare naviga­torische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Schiffsverkehr verursacht worden sind.

[17] Danach kann der durchschnittliche VN im Rahmen der Schiffsversicherung Deckungsschutz so­wohl im Kasko- als auch im Haftpflichtbereich erwarten. Von einem uneingeschränkten Versicherungs­schutz wird er aber nicht ausgehen. Aus Nr. 3.2 „Nicht versicherte Gefahren und nicht ersatzpflichti­ge Schäden“ entnimmt er weiter die Risikoausschlüsse und Beschränkungen des Versicherungsschut­zes. Diese Einschränkungen, u. a. den Haftungsausschluss wegen Fahruntüchtigkeit des versicherten Schiffs in Nr. 3.2.1.2, wird er - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat und auch die Bekl. einräu­men - nicht auch auf Ersatzansprüche Dritter beziehen. Den Umfang des Versicherungsschutzes für Drittschäden wird der durchschnittliche VN nur aus Nr. 4 herleiten, die den Ersatz an Dritte im Einzel­nen regelt. Da dort unter Nr. 4.7 bis 4.9 verschiedene Leistungsausschlüsse - darunter keiner wegen Fahruntüchtigkeit - vorgesehen sind, wird er angesichts der ohnehin sehr verzweigten Systematik des Bedingungswerks nicht auf den Gedanken kommen, dass der Haftpflichtversicherungsschutz zusätz­lich durch Nr. 3.2.1.2 eingeschränkt wird (a. A. Koller in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Nr. 4 AVB Flusskas-ko 2000/08 Rn. 1; Bremke/Gerhard TranspR 2008, 297 m. w. N.). Dies gilt umso mehr, als Nr. 3.2.1 nur von „Verlust und Beschädigung des versicherten Schiffes“ spricht. Zudem enthält Nr. 4 AVB Flusskasko 2000 keinen Verweis auf Nr. 3.2, während Nr. 4.10 AVB Flusskasko 08 klarstellt: „Die Ausschlüsse ge­mäß Ziff. 3.2.1 bleiben unberührt.“

[18] cc) Der durchschnittliche VN wird Nr. 4 AVB Flusskasko 2000 nicht so deuten, dass daneben die gesetzlichen Vorschriften des VVG - u. a. des § 132 a. F. - nicht gelten. Insbesondere wird ihm ein Rück­griff auf das VVG nach der zitierten Prioritätsregelung in der „Covernote“ nicht ausgeschlossen erschei­nen. Denn dort sind die gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich, wenn auch nachrangig genannt. Da­her wird ein verständiger durchschnittlicher VN nicht meinen, der Umfang des Versicherungsschutzes sei allein und abschließend in den AVB Flusskasko beschrieben. Dies hat das Berufungsgericht zutref­fend dargelegt.

[19] b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass § 132 Abs. 1 VVG a. F. auch für Dritt­schäden gilt, die durch eine Kollision eines Schiffs mit einer anderen Sache verursacht worden sind.

[20] aa) Die Revision wendet ohne Erfolg ein, der Haftpflichtversicherungsschutz für den Ersatz von Drittschäden jenseits der Kollision mehrerer Schiffe unterfalle nicht dem gesetzlichen Regelungsbe­reich des § 129 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. und damit auch nicht § 132 Abs. 1 VVG a. F. Die in § 129 Abs. 2 VVG a. F. (§ 130 Abs. 2 VVG) normierte Versicherung eines Schiffs gegen die Gefahren der Binnenschiff­fahrt umfasst als Kaskoversicherung das Risiko der Beschädigung des Schiffs selbst (§ 129 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. , so auch § 130 Abs. 2 S. 1 VVG). Daneben deckt die Schiffsversicherung auch Schäden, die der VN Dritten infolge eines Zusammenstoßes von Schiffen zu ersetzen hat (§§ 129 Abs. 2 S. 2 VVG a.F., 130 Abs. 2 S. 2 VVG). Die Versicherung dieses Risikos hat der Gesetzgeber nicht der Haftpflichtver­sicherung unterstellt, um die Einheit der Transportversicherung nicht zu gefährden (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, Verhandlungen des Reichstags Bd. 241 §§ 129 bis 133 S. 130; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 129 Rn. 11). Gleichwohl handelt es sich um die - jetzt in § 130 Abs. 2 S. 2 VVG enthaltene - Regelung der Kollisionshaftpflicht in der Binnenschiff­fahrt (vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Versicherungsvertrags­reformgesetz BT-Drucks. 16/3945 S. 91 zu § 130).

[21] bb) Die erweiterte Fassung des § 130 Abs. 2 S. 2 VVG erfasst zusätzlich zur bisherigen Regelung in § 129 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. auch den Fall, dass der Schaden durch einen Zusammenstoß des versicher­ten Schiffs mit einem Gegenstand - wie hier mit einem Schleusentor - verursacht wird (Gesetzesbe­gründung aaO S. 92). § 129 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. umfasst diesen Fall nicht, sondern ist auf den Zusam­menstoß des versicherten Schiffs mit einem anderen Schiff beschränkt (Gesetzesbegründung VVG a. F. §§ 129 bis 133 S. 132). Daraus lässt sich aber nicht der von der Revision angestrebte Umkehrschluss ziehen, dass auch der (im Wesentlichen unverändert von § 138 S. 1 VVG übernommene) § 132 Abs. 1 VVG a. F. nur Schäden betrifft, die durch Kollisionen zwischen Schiffen verursacht werden. § 132 Abs. 1 VVG a. F. spricht allgemein von der „Versicherung eines Schiffes“, ohne auf § 129 Abs. 2 VVG a. F. Be­zug zu nehmen. Daher muss der Haftungsausschluss nicht auf die dort geregelten Arten der Schiffsver­sicherung beschränkt sein, sondern kann jedenfalls dann eingreifen, wenn eine darüber hinausgehen­de Kollisionshaftpflicht in einem Versicherungsvertrag bzw. den in diesen einbezogenen AVB - wie hier nach Nr. 3.1.3.1 i. V. m. Nr. 4 AVB Flusskasko 2000 - vereinbart ist.

 

[22] Dieses - auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegte - Verständnis bedeutet nicht, dass die AVB Flusskasko 2000 § 132 Abs. 1 VVG a. F. auf vertraglicher Basis auf Haftpflichtfälle erstrecken, für die der Gesetzgeber einen solchen Haftungsausschluss nicht vorgesehen hat. Vielmehr gilt neben den AVB Flusskasko 2000 die gesetzliche Regelung, die hier nach der „Covernote“ gerade nicht ausgeschlossen worden ist. Eine von der Revision reklamierte unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann darin schon deshalb nicht liegen, weil durch § 132 Abs. 1 VVG a. F. die Haftung gesetzlich eingeschränkt wird und somit dem VN kein dem Gesetz widersprechender Nachteil i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auferlegt wird.

[23] c) Die objektiven Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 VVG a. F. hat das Berufungsgericht ohne Ver­fahrens- oder Rechtsfehler bejaht.

[24] aa) Nach der allgemein anerkannten Rechtsprechung des BGH zum Binnenschifffahrtsrecht liegt anfängliche Fahruntüchtigkeit dann vor, wenn ein Schiff bereits bei Antritt der Reise nicht fähig ist, de­ren gewöhnliche Gefahren zu bestehen (BGH vom 20. 2. 1995 - II ZR 60/94 - VersR 1995, 685 unter 2; vom 24. 4. 1989 - II ZR 208/88 - VersR 1989, 761 unter 4; vom 15. 10. 1979 - II ZR 80/77 - VersR 1980, 65 unter II 3 m. w. N.; vom 21. 4. 1975 - II ZR 164/73 - VersR 1975, 1117 = MDR 1976, 29 unter II 1 m. w. N.).

[25] bb) Davon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aufgrund des von ihm eingeholten Sach­verständigengutachtens festgestellt, dass entweder die D.-Umsteueranlage infolge eines Überfüllens der Ölspeicher ausgefallen sei oder die Weiterleitung der Steuerbefehle aufgrund eines technischen Defekts der dafür vorgesehenen Sempress-Anlage versagt habe oder aber beide Fehlerquellen in ei­nem Zusammenspiel unfallursächlich geworden seien. Da aus seiner Sicht eine der in Betracht kom­menden Fehlervarianten zur Fahruntüchtigkeit bei Reisebeginn führte, konnte das Berufungsgericht of­fenlassen, welche dieser Unfallursachen zutraf.

[26] d) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht § 132 Abs. 1 VVG a. F. als objektiven Risikoausschluss und nicht als sogenannte verhüllte Obliegenheit angesehen hat.

[27] aa) Eine vergleichbare Klausel aus der Flusskaskoversicherung hatte der II. Zivilsenat des BGH in einem Urteil vom 11. 2. 1985 (II ZR 290/83 - VersR 1985, 629 unter 2) ebenso wie § 132 VVG Abs. 1 a. F. als objektiven Risikoausschluss verstanden, weil die Klausel an den Zustand des Schiffs und nicht an ein Verhalten des VN anknüpfe (so auch BGH vom 4. 12. 2000 - II ZR 293/99 - VersR 2001, 457 unter II; OLG Karlsruhe VersR 1983, 74 ; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 132 Rn. 5; Römer aaO § 132 Rn. 1; Thume in Thume/de la Motte, Transportversicherungsrecht Kap. 2 § 132 VVG Rn. 178; ebenso für § 138 S. 1 VVG: Harms in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG § 138 VVG Rn. 2; Koller aaO § 138 Rn. 2; Thume in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherungsrecht 2. Aufl. § 138 Rn. 465; zweifelnd Pisani in Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG § 138 Rn. 12 f.; Paffenholz in Looschelders/Pohl-mann, VVG § 138 Rn. 7). An dieser eher formalen Betrachtungsweise, die bei der Auslegung nicht auf das Verständnis eines durchschnittlichen VN abstellt, hat der Senat in seinem Urteil vom 24. 5. 2000 (IV ZR 186/99 - VersR 2000, 969 unter 1 b) ausdrücklich nicht festgehalten.

 

[28] bb) Die Erwägungen, mit denen der Senat in dem genannten Urteil vom 24. 5. 2000 ( VersR 2000, 969 ) Nr. 6.1.5 AVB Werksverkehr nicht als objektiven Risikoausschluss, sondern als verhüllte Obliegen­heit eingeordnet hat, gelten auch für die gesetzliche Regelung des § 132 Abs. 1 VVG a. F.

[29] (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es bei der Unterscheidung zwischen ei­ner Obliegenheit und einer Risikobegrenzung nicht nur auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungs­bedingung an. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klausel. Es kommt dar­auf an, ob sie eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ihn ver­liert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versiche­rungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobe­grenzung (Senat vom 18. 6. 2008 - IV ZR 87/07 - VersR 2008, 1107 Tz. 9; vom 16. 11. 2005 - IV ZR 120/04 - VersR 2006, 215 unter II 1 a m. w. N.; vom 14. 5. 2003 - IV ZR 140/02 - VersR 2003, 897 unter 1 b; VersR 2000, 969 unter 1 a m. w. N.). Das gilt auch für gesetzliche Bestimmungen, die den Verlust des Versicherungsschutzes unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen.

[30] (2) Die Einordnung des § 132 Abs. 1 VVG a. F. als verhüllte Obliegenheit steht mit ihrem Wortlaut in Einklang. Danach bezieht sich der Haftungsausschluss auf Schäden, die dadurch entstehen, dass das versicherte Schiff in einem nicht fahrtüchtigen Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder be­mannt die Reise antritt. Derartige Mängel liegen im Verantwortungsbereich des VN und können von ihm vermieden werden, indem er die Fahrtauglichkeit seines Schiffs sichert und es mit genügender Ausrüstung und Personal versieht. Damit wird ein bestimmtes vorbeugendes, gefahrminderndes Ver­haltengefordert, von dem es abhängt, ob der VN eine zugesagte Deckung behält oder verliert. Dass der Ver­sicherungsschutz auch schon dann entfallen soll, wenn das Schiff ohne Verschulden und möglicherwei­se sogar ohne Kenntnis des VN in einen verkehrsunsicheren Zustand geraten ist, kann der Formulie­rung des § 132 Abs. 1 VVG a. F. nicht entnommen werden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ma­terialien zu dieser Bestimmung (Gesetzesbegründung aaO S. 131 f.), die sich zu ihrer rechtlichen Ein­ordnung nicht verhalten.

[31] Auch dem erkennbaren Sinn und Zweck des § 132 Abs. 1 VVG a. F. entspricht es, ihn als verhüllte Obliegenheit anzusehen. Der Versicherer soll nicht für Schäden haften, die der VN durch ordnungsge­mäße Instandhaltung und Ausrüstung sowie personelle Ausstattung des Schiffs hätte verhindern kön­nen. In solchen Fällen kann der VN nicht erwarten, dass er Deckungsschutz erhält. Mit einem Verlust des Versicherungsschutzes muss er aber nur dann rechnen, wenn er dafür verantwortlich ist, dass sich das versicherte Schiff bei Fahrtantritt nicht in einem verkehrssicheren Zustand befindet oder nicht aus­reichend ausgerüstet oder mit zuwenig Personal ausgestattet ist. Die berechtigten Interessen des Ver­sicherers gebieten es nicht, unabhängig vom Verschulden des VN einen bestimmten Teil des übernom­menen Risikos aus dem Deckungsschutz herauszunehmen.

[32] 3. Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil daher keinen Bestand haben. Der Se­nat kann nicht gem. § 563 Abs. 3 ZPO abschließend in der Sache entscheiden, weil noch Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 VVG a. F. fehlen. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nachzuholen und der Kl. Gelegenheit zu geben, zur Entkräftung der Vorsatzvermutung ergänzend vor­zutragen. Falls es eine unverschuldete Obliegenheitsverletzung annimmt, wird es zu klären haben, ob die Bekl. der Kl., wie diese meint, aus einem Versicherungsvertrag verpflichtet sind.