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II ZR 96/73 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 20.03.1975
Aktenzeichen: II ZR 96/73
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 31 Abs. 3 BinnSchVG
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Für den Anspruch der Bundesrepublik Deutschland auf Zah­lung des Unterschiedsbetrages zwischen dem festgesetzten und dem vereinbarten Entgelt gemäß § 31 Abs. 3 BinnSchVG ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

2) Der Anspruch des Bundes nach § 31 Abs. 3 BinnSchVG setzt voraus, daß derjenige, von dem die Zahlung des Unter­schiedsbetrages verlangt wird, durch den Tarifverstoß tatsächlich einen Vorteil erlangt hat. Dies ist bei einem Haupt­frachtführer dann nicht der Fall, wenn die unzulässige Tarif­unterschreitung im Vertrag mit dem Unterfrachtführer nicht höher ist als im Frachtvertrag mit dem Absender.

Urteil des Bundesgerichtshofs

20. März 1975

II ZR 96/73

Zum Tatbestand:

Die Beklagte zu 2, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 3 und 3b sind, ließ als Hauptfrachtführerin für ihre Auftraggeberin B 24 Salztransporte durch Parti­kuliere als Unterfrachtführer durchführen. Die mit der Fa. B. vereinbarte Fracht war gegenüber der FTB-Fracht um ca. 5900,- DM, das den Unterfrachtführern gezahlte Entgelt um ca. 7700,- DM zu niedrig.

Die Klägerin hat wegen angeblich allseitiger vorsätzlicher Frachtunterbietung von der Fa. B. und der Beklagten zu 2 Zahlung der genannten Differenzbeträge gemäß § 31 Abs. 3 BinnSchVG verlangt. Nur die Fa. B. zahlte den Betrag von ca. 5900,- DM.

Die Beklagten zu 2, 3a und 3b haben dagegen außer ver­fassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht, daß die Klägerin den Differenzbetrag nur einmal verlangen dürfe. Die allein begünstigte Fa. B. habe aber bereits die einge­sparte Frachtdifferenz bezahlt. Die Einsetzung von Unter­frachtführern müsse außer Betracht bleiben, da sonst der Einsatz eigenen Schiffsraumes ungerechtfertigt begünstigt werde.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, aber abzüglich eines Betrages von ca. 2900,- DM, weil diese Summe der Beklagten als mit den Unterfrachtführern zulässig verein­barte Abschlußprovision zustehe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten und die Anschlußprovision der Klägerin zurückgewiesen. Did Klägerin hat keine Revision eingelegt. Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungs­urteil, soweit es die Beklagten betraf, aufgehoben und die Klage auch wegen des Restes von ca. 4800,- DM abge­wiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Sicherung des Tarifzwangs dienen unter anderem die Bestim­mungen der §§ 31 Abs. 2 und 3 BinnSchVG. Gemäß Abs. 2 wird die rechtliche Wirksamkeit eines Vertrages nicht berührt, wenn in ihm Entgelte für Verkehrsleistungen vereinbart werden, die von den aufgrund des Binnenschiffsverkehrsgesetzes festgesetzten abwei­chen. In diesen Fällen wird das festgesetzte Entgelt geschuldet. Dies bedeutet im Falle einer Frachtunterschreitung, daß dem Frachtführer ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung des Unter­schiedsbetrages zwischen vereinbarter und festgesetzter Fracht gegen den Absender zusteht; bei Bezahlung eines übertariflichen Entgelts wird in Höhe des die festgesetzte Fracht übersteigenden Betrages ohne rechtlichen Grund geleistet; daraus ergibt sich für den Leistenden (Absender) ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Frachtführer. Abweichend davon bestimmt § 31 Abs. 3 BinnSchVG, daß der Unterschiedsbetrag an den Bund zu entrichten ist, wenn die Vertragsparteien in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des festgesetzten Entgelts ein von diesem abweichendes Entgelt vereinbaren. Durch diese Vorschrift werden demnach bei beiderseitigem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Tarifverstoß die nach § 31 Abs. 2 BinnSchVG grundsätzlich den Vertragsparteien zustehenden privatrechtlichen Ausgleichsan­sprüche auf die Bundesrepublik übergeleitet (vgl. Bartholomeyczik, Binnenschiffahrtsrecht 2. Aufl. 1963 BinnSchVG § 31 Anm. 2). An ihrem bürgerlich-rechtlichen Charakter ändert sich dadurch nichts. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 31, 88, 91) zu der vom Zweck her gleichliegenden Vorschrift des § 23 GüKG, auf die bei der Ent­stehung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes hingewiesen worden ist (vgl. BT-Drucks. 1 Nr. 3622, 4343). Die Vorinstanzen sind nach alledem zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausge­gangen.

Das Berufungsgericht hält die objektiven und subjektiven Tat­bestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 3 BinnSchVG für gegeben und deshalb den Klaganspruch für begründet, soweit er nicht auf die Abschlußprovision entfällt. Ihm könne nicht entgegengehalten werden, die Beklagte zu 2 sei durch die Tarifunterschreitung in den Verträgen mit den Unterfrachtführern nicht begünstigt wor­den, weil sie den Unterschiedsbetrag gleichsam vorweg an ihren Partner des Hautpfrachtvertrages, die Firma B. weitergegeben habe. Die Beklagte zu 2 habe mit der Absenderin und mit den Unterfrachtführern jeweils rechtlich selbständige Frachtverträge abgeschlossen, die gesondert nach § 31 Abs. 3 BinnSchVG zu prü­fen und gegebenenfalls gegenüber der Bundesrepublik abzurech­nen seien. Wie sich aus der Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil ergibt, verkennt das Berufungsgericht dabei nicht, daß da­durch von den Verpflichteten unter Umständen insgesamt mehr als die festgesetzte Fracht bezahlt werden muß. Diese Ausführun­gen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Die Ansicht des Berufungsgerichts hätte zur Folge, daß ein Haupt­frachtführer, der unter den Voraussetzungen des § 31 Abs.3 BinnSchVG untertarifliche Bezahlung mit dem Absender und i n g 1 e ich e m Umfange mit den Unterfrachtführern vereinbart, den sich bei alleiniger Betrachtung der Unterfrachtverträge ergebenden Differenzbetrag an die Bundesrepublik zu zahlen hätte, obwohl nicht er, sondern der Absender durch den Tarifverstoß begünstigt wurde. Dies käme einer Bestrafung gleich, die dem Sinn und Zweck des § 31 Abs. 3 BinnSchVG widerspricht. Nach richtiger Auffassung ist die nach dieser Vorschrift an den Bund zu lei­stende Zahlung keine Strafe (vgl. Bartholomeyczik aa0). Dagegen spricht schon die Tatsache, daß das Binnenschiffsverkehrsgesetz in § 36 Verstöße gegen den Tarifzwang ausdrücklich als Zuwider­handlung (bzw. nach der seit 1. 1. 75 durch Art. 275 des Ein­führungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974, BGBI. 1 S. 469, geänderten Fassung als Ordnungswidrigkeit) im Sinne des Wirtschaftsstrafgesetzes von 1954 bezeichnet und damit eine be­sondere strafrechtliche Regelung getroffen hat. Demgegenüber hat die Vorschrift des § 31 Abs.3 BinnSchVG im System der zur Sicherung des Tarifzwangs geschaffenen gesetzlichen Bestim­mungen die Aufgabe, eine nachträgliche Wiederherstellung des Tarifzustandes herbeizuführen (vgl. BVerwG aaO; SenUrt. v. 3. 3. 1960 - II ZR 196/57, LM GüKG Nr. 9 zu dem insoweit vergleich­baren § 23 GüKG), indem sie den Ausgleichsanspruch auf den Bund überleitet, weil mit der Geltendmachung durch den Benach­teiligten mit Rücksicht auf das beiderseits grobe Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) von vornherein nicht zu rech­nen ist. Der Tarifzustand wird dabei aber nur insofern ausge­glichen, als der durch den Verstoß Begünstigte seinen Vorteil herausgeben muß, ohne daß er dem Benachteiligten zugute kommt. Daraus ergibt sich für den Streitfall, daß der Klägerin selbst bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs. 3 Binn­SchVG dann kein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 zusteht, wenn dieser aus der mit den Unterfrachtführern vereinbarten Un­terschreitung der festgesetzten Entgelte kein geldwerter Vorteil erwachsen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Tarifunterschreitung im Vertrag mit dem Unterfrachtführer nicht höher ist als im Vertrag mit dem Absender. In einem solchen Falle liegt der Vorteil aus­schließlich beim Absender, der deswegen alleine zum Ausgleich verpflichtet ist. Eine Ausgleichspflicht des Hauptfrachtführers tritt dagegen dann ein, wenn und soweit die von ihm mit den Unter­frachtführern ausgehandelte unerlaubte Tarifunter­schreitung die im Hauptfrachtvertrag vereinbarte übersteigt. Er erzielt dann in Höhe des Differenzbetrages einen Vorteil, den er unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BinnSchVG an den Bund auszukehren hat. Diese Grundsätze hat das Berufungs­gericht nicht beachtet und deshalb nicht darauf abgestellt, ob der Beklagten zu 2 durch die Frachtvereinbarungen mit den Unter­frachtführern ein gesetzwidriger Vorteil erwachsen ist.

Dabei scheidet von vornherein der Teilbetrag der Klagforderung von (ca. 2900,- DM) aus, den das insoweit unangefochten gebliebene Berufungsurteil der Klägerin mit der vom Senat nicht nachzuprü­fenden Begründung aberkannt hat, es handele sich um eine zulässigerweise vereinbarte Abschlußprovision. Der Betrag von (ca. 4800,- DM), der hiermit für die Revisionsinstanz allein noch, als unzulässige Frachtunterschreitung in Betracht kommt, ist niedriger als die Differenz beim Hauptfrachtvertrag, die nach dem unstreiti­gen Vorbringen der Klägerin (ca. 5900,- DM) beträgt. Einen auszugleichenden Vorteil hat die Beklagte zu 2 mithin nicht er­langt. Damit erweist sich der Klaganspruch in dem hier zu prü­fenden Umfange als unbegründet.