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II ZR 93/70 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 08.02.1971
Aktenzeichen: II ZR 93/70
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Auch wenn im Lande des als zuständig vereinbarten Gerichts, dessen Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit in Deutschland nicht anerkannt wird, vollstreckungsfähiges Vermögen des Schuldners nicht vorhanden ist und nur eine in Deutschland geleistete Sicherheit als Gegenstand der Vollstreckung in Betracht kommt, ist die Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe des § 40 Abs. 2 ZPO zulässig.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 8. Februar 1971

  II ZR 93/70

(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, deren Sitz in Hamburg ist, hat als Empfängerin gegen die Beklagte, die als thailändische Verfrachterin ihren Sitz in Bangkok hat, Ansprüche wegen Ladungsfehlmengen und Ladungsschäden erhoben, die auf der Fahrt nach Hamburg auf den von der Beklagten gecharterten Schiffen eingetreten sein sollen. In den Konossementen ist als ausschließlicher Gerichtsstand der Sitz der Beklagten vereinbart worden. Mit Thailand besteht keine Gegenseitigkeit bei der Vollstreckung zivilgerichtlicher Urteile. Wegen der Ansprüche der Klägerin hinsichtlich der aus einem Dampfer zu empfangenden Partie hat der Hamburger Agent der Beklagten eine Sicherheit von 25 000,- DM geleistet.
Gegenüber der Klage auf Zahlung von ca. 35 000,- DM für Verlust und Beschädigung der Güter hat die Beklagte die fehlende deutsche Gerichtsbarkeit gerügt.
Die Klägerin hat behauptet, daß die Beklagte in Thailand kein vollstreckungsfähiges Vermögen habe und zahlungsunfähig sei.

Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Vereinbarung, durch welche die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Rechtsstreitigkeiten ausgeschlossen und die Gerichte eines ausländischen Staates für zuständig erklärt werden, wird grundsätzlich auch für Streitigkeiten aus Seefrachtverträgen nach deutschem Recht anerkannt (BGH WM 1968, 369 - Hansa 1969, 1427). Wird eine solche Gerichtswahlklausel im Konnossement vereinbart, so wirkt sie auch gegen den Empfänger der Güter (§ 656 Abs. 1 HGB). Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 1967 (BGHZ 49, 124) für Streitgegenstände, die der Verfügung der Parteien und keiner ausschließlichen deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts auch dann für zulässig erkannt, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit in Deutschland nicht anerkannt werden würde. Die hier im Konnossement vereinbarte Zuständigkeit thailändischer Gerichte würde dazu führen, daß der deutsche Empfänger die Güter aufgrund eines thailändischen Urteils in Deutschland nicht vollstrecken könnte, denn die Gegenseitigkeit mit Thailand ist nicht verbürgt.
Auch für den Konnossementsvertrag ist von dem In BGHZ 49, 124 aufgestellten Grundsatz auszugehen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. Dezember 1970 - II ZR 39/70 - MDR 1971, 162). Hier unterstellt das Berufungsgericht, daß die Beklagte an ihrem Hauptsitz in Bangkok kein vollstreckungsfähiges Vermögen hat und nur die in Deutschland geleistete Sicherheit von 25 000 DM als Vollstreckungsobjekt in Betracht kommt. Auch diese Besonderheit des Falles rechtfertigt keine Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts auch dann zulässig ist, wenn dessen Urteil im Inland nicht vollstreckbar ist.
Das Vorhandensein von Vollstreckungsobjekten im Lande des als zuständig vereinbarten Gerichts zur Zeit der Klageerhebung kann schon deshalb keine Rolle für die Wirksamkeit der Vereinbarung spielen, weil sich der durch das ergehende Urteil tatsächlich zu erreichende Rechtsschutz im Zeitpunkt der Klage überhaupt nicht voraussehen läßt. Bis zu der oft erst Jahre später möglichen Vollstreckung kann das Vermögen zur Zeit der Klage nicht mehr greifbar sein und umgekehrt inzwischen (z. B. durch Sanierung) Vermögen erworben worden sein. Die Zuständigkeit kann nicht von den Aussichten der Vollstreckung eines künftigen Urteils im Lande des vereinbarten Gerichtsstandes abhängen.
Die Klägerin wird, wenn kein Vermögen der Beklagten in Thailand vorhanden sein sollte, nachdem das obsiegende Urteil ergangen ist, nicht durch die Zuständigkeitsvereinbarung rechtlos" gestellt, wie die Revision meint, sondern ihr Anspruch scheitert am Fehlen vollstreckungsfähigen Vermögens in dem Bereich, der durch das Urteil des ausländischen Gerichts erfaßt werden kann. Mit dieser Beschränkung hat sich aber die Klägerin durch Unterwerfung unter die Konnossementsbedingungen einverstanden erklärt. Dem Inländer wird durch die deutsche Rechtsordnung der Abschluß einer solchen Vereinbarung über dem seiner Verfügung unterliegenden Streitgegenstand gestattet.

Durch die Vereinbarung der Ausschließlichkeit des ausländischen Gerichtsstandes wird, wie das Berufungsgericht darlegt, zulässigerweise auch der Gerichtsstand des inländischen Vermögens (§ 23 ZPO) abbedungen.
Die Klauseln, die die Gerichte am Hauptsitz des Verfrachters für zuständig und das dort anzuwendende Recht für maßgeblich erklären, sind international üblich. Sie wollen klare Verhältnisse für die Zuständigkeit schaffen. Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, können sie schon aus praktischen Erwägungen nicht dahin verstanden werden, daß der Kläger geltend machen kann, am Hauptsitz des Verfrachters habe dieser kein vollstreckungsfähiges Vermögen und es könne daher im Inland geklagt werden, um hier befindliches Vermögen, etwa ein einen deutschen Hafen anlaufendes Schiff, zu erfassen."