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II ZR 87/73 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 20.03.1975
Aktenzeichen: II ZR 87/73
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: gemäß § 31 Abs. 1, § 42a BinnSchVG
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Die Vereinbarung einer vom Frachtführer zu zahlenden so­genannten Spediteurprovision für Frachtaufträge, die der Spediteur für seinen eigenen Gewerbebetrieb erteilt, ist gemäß § 31 Abs. 1, § 42a BinnSchVG unzulässig.

2) Ein Vertrag zwischen Absender und Frachtführer, wonach Sonderleistungen, die der Absender außerhalb der Fracht­verträge für den Frachtführer erbringt, durch Bezahlung eines Prozentsatzes vom Frachtaufkommen pauschal abgegolten werden, ist gemäß § 31 Abs. 1, § 42a BinnSchVG unzulässig.

Urteil des Bundesgerichtshofs

20. März 1975

II ZR 87/73

Zum Tatbestand:

Die Beklagte, die eine Mühle betreibt und sich gleichzeitig über eine rechtlich nicht selbständige Speditionsabteilung im Speditionsgeschäft betätigt, hatte sich von einer Reederei, mit der sie seit vielen Jahren in Geschäftsverbindung stand, für die Durchführung von innerdeutschen Getreidetransporten Speditionsprovision in Höhe von 8 % des richtig berechneten FTB-Frachtsatzes gutschreiben lassen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten gemäß § 31 Abs. 3 BinnSchVG Abführung von derartigen Provisionen in Höhe von ca. 10 000,- DM.

Die Beklagte hält die Berechnung der Provisionen für zu­lässig, da insoweit keine tarifliche Festsetzung bestanden habe. Außerdem habe sie aufgrund des langjährigen Vertrauensverhältnisses die Interessen der Reederei wahr­genommen, ihre Schiffe betreut, Werkstätten für Schiffs­reparaturzwecke zur Verfügung gestellt, Ferngespräche für die Schiffsführer übernommen, die Ladung auf Wunsch vor­zeitig gelöscht und sei um Rückfrachten bemüht gewesen.

Dafür habe sie eine Provision verdient.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage statt­gegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der sich aus §§ 21, 31 BinnSchVG ergebende Ausschluß der Ver­tragsfreiheit hinsichtlich der Frachtenbildung stellt, was keiner weiteren Erörterung bedarf, eine Regelung der Berufsausübung der beteiligten Verkehrskreise dar. Diese wird durch jede sachge­gerechte und vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfer­tigt, in deren Rahmen weithin auch Gesichtspunkte der Zweck­mäßigkeit berücksichtigt werden können. Es gilt aber auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem die freie Ge­staltung der beruflichen Tätigkeit einerseits und die Interessen der Allgemeinheit andererseits in Einklang zu bringen sind. Je emp­findlicher der einzelne in seiner freien Betätigung im Beruf be­einträchtigt wird, desto stärker müssen die Interessen des Ge­meinwohls sein, denen diese Regelung zu dienen bestimmt ist (BVerfGE 26, 259, 264). Das Frachtenbildungsverfahren des Bin­nenschiffsverkehrsgesetzes genügt diesen Anforderungen.

Zweck der festgesetzten Entgelte ist es, daß die Beförderungs­bedingungen der Verkehrsträger einander angeglichen werden und durch marktgerechte Entgelte und einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglichen wird. Die Leistungen und Entgelte der verschiedenen Verkehrsträger hat der Bundesminister für Verkehr insoweit auf­einander abzustimmen, als es die Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs erfordert (§ 33 Abs. 1 und 2 BinnSchVG). Nach § 21 Abs. 2 BinnSchVG sollen die von den Frachtenausschüssen fest­gesetzten Entgelte marktgerecht sein und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Unternehmer der Schiffahrt Rechnung tragen. Daraus ergibt sich, daß es Aufgabe der gesetzlichen Frachten­bildung ist, mit dem Ziel „bester Verkehrsbedienung" (§ 33 Abs. BinnSchVG) eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung der Verkehrsträger zu ermöglichen, was ebenso im Interesse der All­gemeinheit liegt, wie die weitere Funktion, ruinösen Wettbewerb zu verhindern und dadurch eine gewisse wirtschaftliche Sicherung der Binnenschiffahrt zu gewährleisten (vgl. auch BGH Urt. v. 1. 3 1974 - 1 ZR 132/72, LM GNT Nr. 14 m.w.N.).

Durch die Überleitung des Unterschiedsbetrags zwischen unzu­lässig vereinbartem und festgesetzten Entgelt auf den Bund wird der Tarifzustand wiederhergestellt'). Der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit wird dadurch nicht verletzt, zumal sich die Überleitung auf vorsätzliche und grob fahrlässige Tarifverstöße beschränkt und der Absender in keinem Fall mehr als die gesetzliche Vergütung zu bezahlen braucht, während dem Frachtführer das verbleibt, was er haben wollte.

Nach § 407 Abs. 1 HGB ist Spediteur, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Güterversendungen durch Frachtführer für Rechnung eines anderen (des Versenders) in eigenem Namen zu besorgen. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beklagte bei Ab­schluß der Frachtverträge über die Beförderung der für ihren Betrieb bestimmten Güter nicht. Im Gegensatz zum Spediteur handelte die Beklagte hier im eigenen Interesse. Sie schloß die Frachtverträge nicht nur in eigenem Namen, sondern auch für eigene Rechnung ohne Inanspruchnahme eines Spediteurs direkt mit dem Frachtführer. Es fehlte also an der „Vermittlungsleistung", für die der Schiffer die Speditionsprovision zahlt. Daran ändert sich nichts, wenn mit dem Berufungsgericht unterstellt wird, daß die Beklagte die Frachtaufträge an die Reederei über ihre eigene Speditionsabteilung erteilen ließ. Wenn die Beklagte sich ihrer rechtlich nicht selbständigen Speditionsabteilung zur Abwicklung der eigenen Transportaufträge bedient, so erbringt sie damit keine vermögenswerte Leistung zugunsten des Frachtführers. Dies dient vielmehr dem Zweck, der Beklagten die Kosten für die Ver­mittlung der Frachtaufträge durch einen Dritten zu ersparen. Ein rechtfertigender Grund, der Beklagten die sogenannte Spediteur­provision zu zahlen, bestand daher nicht.

Nach §§ 42a, 31 Abs. 1 BinnSchVG ist die vereinbarte Spediteur­provision deshalb unzulässig.

Hingegen sind die übrigen Betreuungsleistungen Sonderleistun­gen der Beklagten, die nicht im Zusammenhang mit Verkehrslei­stungen im Sinne von § 21 BinnSchVG stehen und die daher nicht der Frachtenregelung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes unter­liegen. Auch ist, soweit das Entgelt dafür von den Parteien frei vereinbart werden kann, grundsätzlich eine Pauschalierung zu­lässig. Sie muß jedoch, um nicht unter das Umgehungsverbot des § 42a BinnSchVG zu fallen, einer angemessenen Vergütung der von der Beklagten erbrachten Leistungen entsprechen (so auch das SenUrt. v. 3. 3. 60 - II ZR 196/57, LM GüKG Nr. 9 für das Güterkraftverkehrsgesetz).

Nach § 42a BinnSchVG werden die Verpflichtungen, die nach die­sem Gesetz und den dazu erlassenen Rechtsverordnungen den Schiffahrttreibenden und allen anderen Personen obliegen, die an dem Zustandekommen eines Vertrages über eine Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 beteiligt sind, durch rechtsgeschäftliche Gestaltungen oder Scheintatbestände, die zur Umgehung der Be­stimmungen des Gesetzes geeignet sind, nicht berührt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, ein Handeln gegen die Zielsetzungen des Binnenschiffsverkehrsgesetzes, insbesondere auf dem Gebiet der Frachten, auszuschließen (vgl. schriftl. Bericht des Verkehrsausschusses, BT-Drucks. V/3414). Dem widerspricht die Vereinbarung, die erwähnten Sonderleistungen durch einen Prozentsatz vom Beförderungsentgelt pauschal abzugelten, weil die Höhe des Frachtaufkommens und der Wert der Sonderleistun­gen in keinem inneren Zusammenhang stehen und deshalb stets die Gefahr gegeben ist, daß die Vergütung unangemessen ist. Eine solche Vertragsgestaltung ist objektiv zur Umgehung der Vorschriften des Binnenschiffsverkehrsgesetzes über die Frach­tenfestsetzung geeignet und deshalb unzulässig. Der Gesichts­punkt der Tarifsicherung ist insoweit entscheidend. Nach diesen Grundsätzen war die Provisionsvereinbarung, auch soweit damit die Betreuungsleistungen der Beklagten abgegolten sein sollten, unzulässig.

Der Anspruch der Klägerin hängt gemäß § 31 Abs. 3 BinnSchVG nur noch davon ab, ob beide Vertragsparteien der Frachtverträge die unzulässige Provisionsvereinbarung in Kenntnis oder in grob fahrlässiger Unkenntnis des festgesetzten Entgelts vereinbart haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Gü­terkraftverkehrsgesetz muß sich ein in nicht unerheblichem Um­fange mit dem Güterverkehr zusammenarbeitender Unternehmer von den Tarifentgelten und -vorschriften Kenntnis verschaffen (BGH, Urt. v. 23. 4. 69 - 1 ZR 101/67, LM BGB § 139 Nr. 42 m.w.N.). Dieser Grundsatz muß auch im Rahmen des Binnen­schiffsverkehrsgesetzes gelten und schon deshalb im vorliegen­den Falle auf beide an den Frachtverträgen beteiligten Vertrags­parteien angewandt werden, weil die Beklagte in nicht unerheb­lichem Umfange ein Spediteurgeschäft betreibt, und es sich bei der Reederei um ein größeres Binnenschiffsunternehmen handelt.

Auch mußte beiden Vertragsparteien bekannt sein, daß die Be­klagte bei ihren eigenen Frachtaufträgen nicht als Spediteur tätig wurde und daß deshalb auch keine Spediteurprovisionen verein­bart werden durften. Auf die fehlende Kenntnis dieser Umstände können sie sich nicht berufen. Dagegen ist der Revision zuzuge­ben, daß die Unzulässigkeit einer als Provision vereinbarten Pau­schalvergütung für Sonderleistungen nicht ohne weiteres auf der Hand liegt. Dies entschuldigt die Beklagte jedoch nicht. Gerade weil die Vertragsparteien wissen mußten, daß eine Spediteur­provision nicht vereinbart werden durfte, mußte ihnen dies Anlaß zur Oberprüfung ihrer Abmachungen auch unter dem Gesichts­punkt der Zulässigkeit der pauschalen Vergütung der Sonder­leistungen geben. Dies unterlassen zu haben, muß den Vertrags­parteien zum Vorwurf gemacht werden.