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II ZR 77/77 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 17.04.1978
Aktenzeichen: II ZR 77/77
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Ein über 4% hinausgehender Anspruch der Bundesrepublik Deutschland auf Verzugszinsen setzt nicht voraus, daß sie gerade wegen der geschuldeten Forderung Kredit aufgenommen hat oder bei pünklichem Eingang der Zahlung diese unmittelbar zur Rückführung bestehender Kredite verwendet hätte.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 17. April 1978

II ZR 77/77

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Schiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Wegen der Beschädigung eines Dalbens waren die Beklagten zur Zahlung von über 43 000,- DM nebst 4 % Zinsen an die Klägerin (Bundesrepublik Deutschland) durch Anerkenntnisurteil des Schiffahrtsgerichts verurteilt worden. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches - je nach verschiedenen Verzugszeiträumen in der Zeit von August 1974 bis April 1976 jeweils weitere 6 bis 3/2 u/0 Zinsen - hat das
Schiffahrtsgericht die Klage abgewiesen. Das Schiffahrtsobergericht erkannte diesen weiteren Zinsanspruch auf Berufung der Klägerin jedoch an. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Zur Begründung eines über die Mindestverzinsung von 4 % hinausgehenden Verzugsschadens muß der Gläubiger im allgemeinen darlegen und beweisen, daß er infolge des Verzugs entweder einen höher verzinslichen Kredit aufnehmen - oder weiterhin in Anspruch nehmen - mußte oder ihm Gewinn in entsprechender Höhe entgangen ist. Hier hat das Berufungsgericht schon mit Rücksicht auf die fehlende Objektbezogenheit der Bundesschulden (vgl. Art. 115 GG, § 18 BHO) einen konkreten Ursachenzusammenhang in dem Sinne, daß die Klägerin wegen des Verzugs gerade dieser Schuldner - der Beklagten - Kredit hätte aufnehmen müssen oder nicht hätte zurückzahlen können, nicht festzustellen vermocht. Nach seinen zutreffenden Ausführungen würden aber die Anforderungen an die Geltendmachung eines über 4 0/o hinausgehenden Verzugsschadens überspannt, wollte man von der Bundesrepublik Deutschland als Gläubigerin den genauen Nachweis verlangen, daß ein einzelner Posten innerhalb ihrer Außenstände einen bestimmten Kredit unmittelbar ausgelöst habe. Damit würde nämlich verkannt, daß ein Gläubiger mit zahlreichen Außenständen, der seinerseits Kredit in Anspruch nimmt, hierbei wirtschaftlich sinnvoll keinen genauen Gleichlauf zwischen der jeweiligen Höhe der Außenstände und derjenigen seiner Kredite herstellen kann. So hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 26. Januar 1965 - VI ZR 207/63 (VersR 1965, 479, 481 - in BGHZ 43, 337 insoweit nicht abgedruckt; die Wiedergabe in BB 1965, 305 bezeichnet unzutreffend eine Aktiengesellschaft als Gläubigerin) der Deutschen Bundespost Verzugszinsen in Höhe von mehr als 4 0/o zugesprochen und dazu ausgeführt, der Nachweis, daß die Klägerin gerade wegen der Klageforderung einen Kredit aufgenommen oder nicht zurückgezahlt habe, sei nicht zu fordern (ähnlich BVerwG, Urt. v. B. 5. 1969 - II C 86/67. DOD 1969, 235, 238). Denn ein solcher Vorgang finde bei einem Großbetrieb, der mit Fremdgeld arbeite und über bedeutende Kassenbestände verfügen müsse, in Wirklichkeit nicht statt. Das ändere nichts daran, daß die beanspruchten Kredite im ganzen entsprechend verringert werden könnten, wenn alle Außenstände bei Fälligkeit prompt eingingen. Damit sei aber die Säumnis der Beklagten in dem Umfang, wie ihre Schuld in den überfälligen Forderungen der Klägerin enthalten ist, für deren erhöhten Zinsaufwand ursächlich.

Für die Bundesrepublik Deutschland kann nichts anderes gelten, wenn sie mehr als 4 % Verzugszinsen einklagt. Dabei spielt es entgegen der Auffassung der Revision keine Rolle, daß es sich um eine Gebietskörperschaft handelt, die nicht in erster Linie erwerbswirtschaftlich tätig wird, sondern andere Aufgaben hat; hierauf käme es nur an, wenn der Zinsanspruch auf entgangene Geschäftsgewinne gestützt würde. Entscheidend ist vielmehr, daß die Haushaltswirtschaft des Bundes nicht anders als die eines kaufmännischen Unternehmens durch eine Vielzahl von Außenständen, die Notwendigkeit der Bereitstellung liquider Mittel und ein bestimmtes, die Außenstände in der Regel übersteigendes Kreditvolumen beeinflußt ist, dessen Inanspruchnahme, im ganzen gesehen, durch die Verzögerung von Zahlungseingängen mit bedingt ist und zu einem laufenden, der jeweiligen Lage auf dem Kapitalmarkt entsprechenden Zinsaufwand führt. In Anbetracht dieser typischen Zusammenhänge konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß der Kreditbedarf der Bundesrepublik Deutschland, berücksichtigt man die Vielzahl ihrer Schuldner in allen Bereichen staatlicher Betätigung, bei rechtzeitigem Eingang aller Zahlungen geringer sein würde. Dies rechtfertigt es, auch im Einzelfall einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Zahlungsverzug eines Schuldners und einem auf den geschuldeten Betrag entfallenden Teil des gesamten Zinsaufwands der Klägerin anzunehmen und demgemäß nach § 287 ZPO ihren Verzugsschaden in Höhe der üblichen Zinssätze zu ermitteln, die sie während des Verzugs jeweils selber zu zahlen hat....“