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II ZR 72/76 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 28.09.1978
Aktenzeichen: II ZR 72/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Zur Wirksamkeit von sogenannten Straffrachtklauseln.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 28. September 1978

(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Es handelt sich um einen ähnlichen Fall wie im vorstehend veröffentlichten Urteil II ZR 10/77. Die Klägerin musste wegen falscher Wertangabe durch die beklagte Speditionsfirma und wegen der darauf beruhenden zu niedrigen Frachtberechnung
aufgrund ihrer Bindung an die Schifffahrtskonferenz FEFC eine Strafe zahlen. Sie selbst verlangte daraufhin gemäß den zugrundeliegenden Konnossementsbedingungen eine Straffracht.
Die Beklagte hält die Klage für unbegründet, weil sie an der falschen Wertangabe kein Verschulden treffe, die aus einer Mitteilung ihrer Auftraggeberin, der Streithelferin, stamme.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Streithelferin wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Konnossementsklausel, die den Verfrachter berechtigt, bereits im Falle einer (objektiv) unrichtigen Erklärung des Befrachters/ Abladers über Gewicht, Abmessungen oder Wert der Güter den doppelten Betrag der bei richtiger Aufgabe zu zahlenden Fracht zu fordern, ist - wie der Senat in dem zur Aufnahme in die Amtliche Entscheidungssammlung (BGHZ) vorgesehenen Urteil vom 28. September 1978 - II ZR 10/77 näher ausgeführt hat - weder unüblich noch benachteiligt sie den Befrachter/ Ablader entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie verstößt daher nicht gegen § 242 BGB.
Unzweifelhaft verletzt die streitige Straffrachtklausel als solche auch nicht die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch dann, wenn die Klausel auf einem Beschluss der FEFC beruhen und dieser an sich die Voraussetzungen des § 15 GWB erfüllen sollte. Denn die Bestimmung findet nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 GWB auf Konferenzen der internationalen Linienschiffahrt keine Anwendung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 1973 - KVR 3/72, LM § 99 GWB Nr. 4).
Eben so wenig vermögen die Art. 85, 86 EWGV die Unwirksamkeit der beanstandeten Konnossementsklausel zu begründen. Zwar dürften diese Vorschriften im Grundsatz auch für das Gebiet der Seeschifffahrt gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 4. April 1974 - 167/ 73, SIg. 1974 1 359, 369f; vgl. ferner Erdmenger, Schifffahrtspolitische Maßnahmen der EG - Heft 30 der Schriftenreihe A des Deutschen Vereins für internationales Seerecht S. 6, 20 f. sowie Necker, Die Seeschifffahrt im europäischen Recht - in Festschrift für Martin Luther zum 70. Geburtstag S. 113f). Da jedoch für dieses Gebiet bisher noch keine Durchführungsverordnung nach Art. 87 EWGV ergangen ist, sind Beschlüsse von Linienschifffahrtskonferenzen, die unter die Wettbewerbsregeln der Art. 85, 86 EWGV fallen, jedenfalls nicht unwirksam (vgl. EuGH. Urteil vom 6. April 1962 - 13/61, SIg. 1962, 105, 113 sowie Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EWG-Kartellrecht 3. Aufl. S. 642 f.).
Nach Ansicht des Berufungsgerichts wäre die Klage unbegründet, wenn die Beklagte die falsche Angabe des Werts der Güter berichtigt hätte, bevor die FEFC mit einer Untersuchung begonnen habe. In diesem Fall hätte die Klägerin die Richtigstellung entgegennehmen und an die FEFC weiterleiten müssen.
Im Übrigen wäre die Klägerin nicht bereits deshalb gehindert, Straffracht von der Beklagten zu fordern, wenn die Verfrachterin vor Einleitung der Untersuchung durch die FEFC die Frachtrechnung hätte berichtigen können und danach ihrerseits an diese keine Straffracht hätte entrichten müssen. Denn Klausel 17 der Konnossementsbedingungen der Verfrachterin knüpft den Verfall der Straffracht allein an das Vorliegen einer (objektiv) falschen Erklärung des Befrachters/ Abladers über Gewicht, Abmessungen oder Wert der Güter und macht dessen Pflicht, Straffracht zu zahlen, nicht zusätzlich davon abhängig, dass der Verfrachter seinerseits Straffracht an die FEFC zu leisten hat. Das entspricht dem Gedanken, dass eine Straffrachtklausel der vorliegenden Art dazu bestimmt ist, auf den Befrachter/ Ablader einen möglichst wirkungsvollen Druck auszuüben, die für die Frachtberechnung in Betracht kommenden Ladungsdaten dem Verfrachter richtig aufzugeben, damit dieser die Fracht nicht zu niedrig festsetzt und schon dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet."