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Leitsatz:
Durch das Steuerbord- oder Backbordschallsignal wird das unmittelbar bevorstehende und nicht ein später beabsichtigtes Manöver angezeigt. Ein den Strom überquerendes Schiff darf nicht die für den Bergfahrer nach § 38 Nr. 3, 4 Abs. 1 RheinSchPolVO. vorgesehenen Zeichen verwenden, solange es nicht zur Bergfahrt übergegangen ist. Die Querfahrt ist nur erlaubt, wenn die durchgehende Schifffahrt durch zumutbare Fahrtverminderung oder Kursänderung keine wesentliche Fahrbehinderung erfährt.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 28. April 1960
II ZR 68/59
Zum Tatbestand:
Der Kläger war mit dem ihm gehörenden und von ihm geführten Schlepper A nebst einem Anhangkahn B unter mehrmaligem Ausfahrtsignal (lang, lang, lang, kurz) aus dem Brohler Hafen gefahren, um auf dem anderen - rechtsrheinischen - Ufer 2 vorher dort abgelegte Anhänge aufzunehmen und sodann mit allen 3 Anhängen zu Tal zu fahren. Als sich Schlepper A nebst Kahn B auf dem Strom befand, kam es zwischen diesen Fahrzeugen und dem zu Tal fahrenden MS „C" zum Zusammenstoß, durch den alle 3 Schiffe beschädigt wurden.
Der Kläger verlangt Schadensersatz und behauptet, dass er mit seinem Schleppzug A und Anhang B sein Aufdrehmanöver etwa 150 m unterhalb der Hafenmündung gemäß dem vorher gegebenen Signal nach Steuerbord begonnen habe. Als er etwa bis zur Strommitte gekommen sei, habe der Abstand zu dem zu Tal kommenden MS „C" des Bekl. noch etwa 700 m betragen. In diesem Zeitpunkt habe „A" die blaue Seitenflagge gesetzt und gleichzeitig das Signal kurz-kurz gegeben, da er Kurs nach Backbord nehmen wollte und der Talfahrer Steuerbord an Steuerbord passieren sollte. Bei Annäherung des MS „C" bis auf etwa 150 m habe dieser plötzlich den Kurs nach Steuerbord geändert und sei in den Drehkreis von „A" gefahren, wodurch es zum Zusammenstoß gekommen sei. Der Beklagte bestreitet jedes Verschulden. Er habe das Backbordsignal (kurz-kurz) wahrgenommen und dieses beantwortet. Der Schleppzug „A" habe jedoch eine unzulässige Querfahrt zum rechten Ufer durchgeführt, worauf der Unfall zurückzuführen sei.
Rheinschifffahrtsgericht und Rheinschifffahrtsobergericht haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Revision wurde die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Rheinschifffahrtsobergericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Unrichtig war das von „A" gegebene Ausfahrtssignal (lang, lang, lang, kurz). Es zeigte an, dass „A" anschließend an die Ausfahrt den Kurs nach Steuerbord richten wollte (§ 50 Nr. 3, Nr. 2). Es hätte nicht gegeben werden dürfen, wenn „A" zunächst querfahren und erst in der rechten Fahrwasserhälfte seinen Kurs nach Steuerbord richten wollte. Denn durch das Signal wird das unmittelbar bevorstehende Manöver angezeigt, nicht aber ein solches, das später einmal ausgeführt werden soll, nachdem zunächst ein anderes vorgenommen worden ist. Wenn aber, worauf noch zurückzukommen sein wird, „A" nach der Ausfahrt zunächst talwärts fuhr, um hier später die Querfahrt vorzunehmen, hätte das Signal (lang, lang, lang, kurz, kurz) gegeben werden müssen. Doch ist dieses unrichtige Ausfahrtsignal nicht unfallursächlich gewesen, weil die Schiffsführung von „C" es nicht gehört hat, hierdurch also nicht in ihren nautischen Maßnahmen beeinflusst wurde.
Ein besonderes Querfahrtssignal kennt die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung nicht. Die Querfahrt wird durch den tatsächlichen Kurs des Schiffes angezeigt. Das querfahrende Schiff muss erforderlichenfalls andere Schiffe durch das allgemeine Achtungssignal (lang) auf diesen Kurs aufmerksam machen (§ 24 Nr. 1; Anl. 1 zu § 23 Nr. 4). Nur wenn das querfahrende Schiff seinen Kurs nach Steuerbord oder nach Backbord richtet, muss es erforderlichenfalls Steuerbordsignal (kurz) oder Backbordsignal (kurz, kurz) geben (§ 49 Nr. 1; Anl. 1).
Es ist schwer verständlich, wie das Berufungsgericht zu der Meinung kommen konnte, durch das von „A" gegebene Backbordsignal sei angekündigt worden, „A" wolle den Strom überqueren und nach Beendigung der Überquerung nach Oberstrom fahren, also seinen Kurs nach Steuerbord richten. Vom Standpunkt des Querfahrenden aus, der allein bei der Signalgebung nach § 47 Nr. 1 maßgebend ist, kann das Backbordsignal des vom linken zum rechten Ufer hinüberwechselnden Schiffes nur bedeuten, dass er nach Backbord, also in Richtung talwärts fahre; es wäre selbstverständlich verfehlt, hier den Standpunkt eines Bergfahrers zugrunde zu legen, da „A" nicht zu Berg fuhr. Eine Erklärung der Ansicht des Berufungsgerichts könnte nur darin gefunden werden - und so wollte offenbar die Schiffsführung von A" ihr Backbordsignal auch verstanden wissen, wie sich aus dem von ihr behaupteten Setzen der blauen Flagge ergibt (§ 38 Nr. 3), dass damit angekündigt werden sollte, man wolle, nachdem der Schleppzug den Strom überquert und, zum rechten Ufer gelangt, seinen Kurs bergwärts, also nach Steuerbord genommen hatte, die Begegnung mit dem Talfahrer Steuerbord an Steuerbord vollziehen, da für eine solche Begegnung das Backbordsignal als Passiersignal in Betracht kommt. Eine derartige Deutung der hier abgegebenen Backbordsignale ist aber mit dem Gesetz schlechterdings unvereinbar. Nach § 38 weisen beim Begegnen die Bergfahrer den Talfahrern den Weg; die Bergfahrer, die Talfahrer an Steuerbord vorbeifahren lassen, müssen bei Tage rechtzeitig eine hellblaue Flagge setzen und gegebenenfalls Backbordsignale geben. Eine Begegnung kommt nach dem Gesetz nur zwischen Bergfahrern und Talfahrern in Frage. Der Schleppzug „A" war aber nach der zutreffenden Feststellung des Berufungsgerichts nicht Bergfahrer, sondern Querfahrer. Als solcher durfte er die für Bergfahrer gegebenen Signale nicht geben, sie waren nach § 25 unzulässig (Wassermeyer, Der Kollisionsprozess in der Binnenschifffahrt, 2. Aufl. S. 177). Solange die Querfahrt von „A" nicht beendet war, kam, wie ausgeführt, für den von „A" tatsächlich eingeschlagenen Kurs nur ein Achtungssignal in Frage.
Es muss deshalb dabei verbleiben, dass die von „A" abgegebenen Backbordsignale nur dahin gedeutet werden können, dass „A" seinen Kurs talwärts richten wollte. Damit steht fest, dass „A" nautisch falsche, weil seinem Kurs widersprechende Schallsignale gegeben hat. Seine Schiffsführung hat daher schuldhaft die erste und hauptsächliche Ursache für den Zusammenstoß gesetzt.
Das Berufungsgericht hat - von der Revision gerügt - die Zulässigkeit der Querfahrt bejaht. Gegen die Schlüssigkeit dieser Annahme bestehen Bedenken.
Nach § 49 Nr. 1 ist das Überqueren des Stromes nur erlaubt, wenn dieses Manöver ausgeführt werden kann, ohne dass andere Schiffsfahrzeuge gezwungen sind, unvermittelt ihre Geschwindigkeit zu vermindern oder ihren Kurs zu ändern. Hierdurch wird (im Gegensatz zu der Regelung beim Aufdrehen, siehe § 46 Nr. 3) der durchgehenden Schifffahrt ein Vorrecht gegenüber den Querfahrern eingeräumt. Die durchgehende Schifffahrt muss zwar auf den Querfahrer Rücksicht und eine geringfügige Fahrtbeeinträchtigung in Kauf nehmen; die Querfahrt darf aber nicht in unzumutbarer Weise zu einer wesentlichen Fahrtbehinderung der durchgehenden Schifffahrt führen (vgl. Kählitz, Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen, RhSchPVO § 47 Anm. 4; Wassermeyer S. 225). Handelt es sich um kurze Zeitspannen oder gar, wie es hier möglicherweise der Fall ist, um Bruchteile einer Minute, so hat der Querfahrende zu warten, da solche kurze Zeitspannen die durchgehende Schiffahrt zu schnellen Entschlüssen und zu Überlegungen und Berechnungen nötigen, die objektiv fehlerhaft ausfallen können, ohne dass ein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Solche Gefahrenlagen müssen unbedingt vermieden werden. Selbst wenn die Feststellung des Berufungsgerichts, bei dem erkennbaren Übergang des Schleppzuges zur Querfahrt sofort nach der Hafenausfahrt sei „C" noch 650 m oberhalb gewesen, unbedenklich wäre, könnte die Querfahrt kaum als zulässig erachtet werden. (wird ausgeführt).
Nur durch ganz erhebliche Fahrtverminderung oder durch Fahrteinstellung hätte „C", falls es die Querfahrt erkannt hätte, der schwierigen Situation in gefahrvermeidender Weise begegnen können. Das hätte aber „A" nicht verlangen dürfen. Der Schleppzug hätte dann die Vorbeifahrt von „C" abwarten müssen oder er hätte weiter zu Tal fahren und mit dem Vorrecht des Aufdrehenden (§ 46 Nr. 3) in engem Drehkreis zu Berg wenden müssen, um dann als Bergfahrer zu seinen rechtsrheinisch liegenden Kähnen zu gelangen, ohne sich treiben zu lassen.
Soweit ausreichende Feststellungen für die Zulässigkeit der Querfahrt nicht getroffen werden können, geht dies zu Lasten des Querfahrers.
Es wird zu prüfen sein, ob nicht, falls „A" die hellblaue Flagge gesetzt haben sollte, „C" hieraus im Zusammenhang mit den Backbordsignalen Zweifel über das Vorhaben von „A" hätte bekommen müssen. Wenn die Flagge, wie der Kläger behauptet, erst gesetzt wurde, als sich „A" in Strommitte befand, wird allerdings zu prüfen sein, ob „C" zunächst durch Herabminderung oder Einstellung der Fahrt und später gegebenenfalls durch Kursänderung den Unfall noch hätte vermeiden können (vgl. Urteil des OLG Köln vom 20. März 1952 3 U 58/51 in ZfB 1952 S. 166).