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II ZR 65/81 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 28.09.1981
Aktenzeichen: II ZR 65/81
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 852 Abs. 2 BGB
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Verhandeln nach einem Schiffszusammenstoß oder nach einer Fernschädigung der Ersatzpflichtige und der Ersatzberechtigte über den zu leistenden Schadensersatz, so ist die Verjährung in entsprechender Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 28. September 1981

II ZR 65/81

(Schifffahrtsgericht Emden; Schifffahrtsobergericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Der Kläger als Eigner einer Jacht verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von ca. 1500,- DM, weil die Besatzung eines der Beklagten gehörenden Baggers am 6. 7. 1976 die Beschädigung der Jacht schuldhaft verursacht habe.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, da ihr der Mahnbescheid des Amtsgerichts erst am 11.10. 1978 zugestellt worden sei.
Beide Vorinstanzen haben der Klage in Höhe von 1200,-DM stattgegeben. Auf diesen Betrag hatten sich der Experte des Versicherers der Beklagten und des Klägers am 22. 12. 1977 geeinigt. Die 2-jährige Verjährungsfrist haben die Vorinstanzen für mindestens 12 Monate als gehemmt angesehen,weil zwischen Versicherer und Kläger von Juli bis Dezember 1977 verhandelt und erst am 4. B. 1978 vom Versicherer der Beklagten dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass eine Entschädigung abgelehnt werde.
Die vom Schifffahrtsobergericht zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:

a) Die Regelung, dass Verhandlungen zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten über den zu leisten- den Schadensersatz die Verjährung hemmen, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, ist zunächst für Ansprüche aus bestimmten Gebieten der Gefährdungshaftung eingeführt worden (vgl. § 8 Abs. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 - RGBI. S. 437; § 25 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes vom 1. August 1922 - RGBI. 1 S. 681; § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden vom 29. April 1940- RGBI. 1 S. 691). Hinter dieser Regelung steht die Absicht zu verhindern, dass der Ersatzberechtigte durch Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der für derartige Ansprüche kurzen (damals zweijährigen) Verjährungsfrist hingehalten wird (vgl. die Begründung zu § 8 Abs. 2 im Entwurf des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen - Reichstag 12. Legislaturperiode 1. Session, Aktenstück Nr. 988; vgl. ferner BHG, Urt. v. 7. Dezember 1962 - VI ZR 62/62 und v. 7. März 1967 - VI ZR 135/65, LM StVG § 14 Nr. 3 und 3a). Dieser Gesichtspunkt, der eine Folge des Gebotes von Treu und Glauben ist, hat dann dazu geführt, die Regelung auf Ersatzansprüche aus weiteren Gebieten der Gefährdungshaftung zu erstrecken und sie in die Verjährungsvorschrift für das allgemeine Deliktsrecht der §§ 823 f BGB einzufügen (vgl. § 32 Abs. 4 AtomG; § 1 1 HPflG; § 852 Abs. 2 BGB in der Fassung des Art. 4 des bereits genannten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 16. August 1977; vgl. außerdem die Ausführungen zu Art. 4 dieses Gesetzes in den Bundestag-Drucksachen 8/108 und 8/562). Nun handelt es sich bei Ersatzansprüchen aus einem Schiffszusammenstoß oder einer Fernschädigung, die nach den §§ 92, 92b BinnSchG gegen den Eigner eines der am Unfall beteiligten Schiffe gerichtet werden, nur um Deliktsansprüche besonderer Art (vgl. auch Vortisch/Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. BSchG § 92 Anm. 7a). Das legt es nahe, auf sie die Regelung des § 852 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden. Auch hier ist es geboten zu verhindern, dass der Ersatzberechtigte durch Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der kurzen - zweijährigen - Verjährungsfrist hingehalten wird. Dem steht nicht, wie die Revision unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 17. März 1980 - II ZR 1/79 ) (BGHZ 76, 312 f) meint, entgegen, dass die kurzen Verjährungsfristen des Binnenschifffahrts-gesetzes eine schleunige Abwicklung der aus dem Schiffsbetrieb entspringenden Forderungen herbeiführen sollen, weil mit ihnen vielfach ein gesetzliches Pfandrecht verbunden ist oder sie nach Ablauf eines längeren Zeitraums nicht mehr zuverlässig geprüft werden können. Dieser Gedanke hat nichts damit zu tun, dass sich Verhandlungen zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Ersatzpflichtigen über den zu leistenden Schadensersatz nicht nachteilig für den Ersatzberechtigten auswirken sollen, soweit es um die Verjährung seines Anspruchs geht. Überdies sind derartige Verhandlungen für die beschleunigte Abwicklung eines Schadensfalles vielfach gerade förderlich. Im Übrigen steht es im Belieben des Ersatzpflichtigen, ob er sich überhaupt auf solche Verhandlungen einlassen soll oder wann er sie beenden will.


b) Nicht ersichtlich ist, dass der Kläger gegen Treu und Glauben verstoße, soweit er sich auf die Regelung des § 852 Abs. 2 BGB berufe. Dafür, dass er seinen Anspruch saumselig verfolgt habe, gibt der Sachverhalt nichts her. Die Revision verkennt mit ihrer gegenteiligen Ansicht, dass es zunächst Sache des die Beklagte vertretenden Versicherers gewesen wäre, zu dem Schadensersatzanspruch des Klägers Stellung zu nehmen und ihn gegebenenfalls abzulehnen, nachdem der von dem Versicherer eingeschaltete Experte G. sich mit dem Kläger anlässlich einer Besichtigung der Jacht am 22. Dezember 1977 auf eine Schadenshöhe von 1200,- DM geeinigt und ein entsprechendes Schadensattest seinem Auftraggeber zugeleitet hatte. Solange das nicht geschah und ferner in dem Schweigen des Versicherers der Beklagten auch keine Verweigerung weiterer Verhandlungen zu sehen war, durfte der Kläger von einer fortbestehenden Vergleichsbereitschaft auf Seiten der Beklagten ausgehen und von einem gerichtlichen Vorgehen gegen diese absehen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bereitschaft schon vor dem Zugang des Ablehnungsschreibens des Versicherers der Beklagten vom 4. August 1978 geendet haben soll, vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen. Vor diesem Zeitpunkt hatte deshalb der Kläger keinen Anlass, weitere Schritte gegen die Beklagte einzuleiten.