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Leitsatz:
Einigen sich Frachtvertragsparteien wegen vertragswidriger Nichtlieferung der zu verladenden Güter über die Zahlung eines bestimmten Schadensausgleichsbetrages durch den Verlader und nimmt der Verfrachter anstelle der nicht gelieferten andere Güter an, so läßt sich die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Verladers, wenn nicht anderweitige Vereinbarungen getroffen sein sollten, nicht als Fehlfracht, u. a. nach Maßgabe der §§587 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 588 Abs. 2 Satz 2 HGB, sondern nur nach den schadensrechtlichen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung beurteilen.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 12. Oktober 1987
— II ZR 62/87 —
(LG Hamburg; OLG Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin als Absender erteilte der Beklagten als Verfrachter durch Frachtvertrag vom 4. 10. 1984 den Auftrag, mit MS „Wellpark" 7300 mts gesacktes Weizenmehl von Antwerpen nach Colombo für eine Fracht von 36 US-Dollar je mt zu befördern. Die Klägerin kündigte mit FS vom 23. 10..1984 den Frachtvertrag, weil sie aufgrund einer Entscheidung der EG die Güter nicht liefern konnte. In dem FS hieß es u. a.: „we presume owners will come forward with their claim for deadfreight, which hopefully will be well within reasonable limits order to settle this matter as soon as possible." Mit FS vom 24. 10. 1984 forderte die Beklagte von der Klägerin „deadfreight" in Höhe von 213 525 US-Dollar (30 US-Dollar je t abzüglich 2,5 % Kommission), worauf die Klägerin mit FS vom 25. 10. 1984 „deadfreigth" von 125 775 US-Dollar anbot (Abzug von 90 000 US-Dollar für ersparte Lösch- und Liegezeit sowie weiterer Abzug von 2,5 % Kommission). Nach weiterem FS-Wechsel einigten sich die Parteien am 26. 10. 1984 auf einen Betrag von 150 000 US-Dollar, den die Klägerin gezahlt hat, nachdem sie sich im Beisein des Surveyors B. (Vermesser) überzeugt hatte, daß der für die Weizenpartie vorgesehene Laderaum bei der Abfahrt des MS „Wellpark" frei war.
Die Klägerin verlangt nunmehr die 150 000 US-Dollar zurück, weil in den frei gebliebenen Teil des Schiffes 7200 t gesackter Zucker in Rouen für Mogadiscio sowie 2725 t Stahlplatten in Bilbao für Jeddah geladen worden seien. Nur bei Nichtannahme von Ersatzladung sei die Fehlfracht von 150 000 US-Dollar fällig gewesen. Die Beklagte meint, daß die Zahlung nicht zur Voraussetzung gehabt habe, daß der für die Mehlladung vorgesehene Raum frei bleibe. Aus der Fracht für die Ersatzgüter sei kein Gewinn erzielt. Die Stahlplatten wären ohnedies geladen worden, da sie auf die Mehlsäcke hätten gelegt werden können. Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug im wesentlichen darüber, mit welchem Betrag sich die Beklagte die Ersatzfracht aus dem Frachtvertrag vom 25. Oktober 1984 über die Verschiffung von 8500 mts gesackten Zuckers von Rouen nach Mogadiscio auf die von der Klägerin an sie gezahlten 150 000 US-Dollar anrechnen lassen muß. Dafür kommt es nach Ansicht des Berufungsgerichts allein auf die Höhe der in dem Frachtvertrag vom 25. Oktober 1984 vereinbarten Fracht (8500 mts x 32,50 US-Dollar abzüglich 5 % = 262 437,50 US-Dollar) an. Diese habe sich die Beklagte voll auf ihren Anspruch gegen die Klägerin anrechnen lassen müssen, so daß ihr kein Fehlfrachtanspruch gegen diese zugestanden habe.
Nehme der Verfrachter anstelle der nicht gelieferten Güter andere an, so handle er auf sein eigenes wirtschaftliches Risiko und müsse sich die gesamte erlangte Fracht ohne Berücksichtigung seiner Aufwendungen anrechnen lassen. Das folge aus dem Gesetzeswortlaut und aus der Rechtsnatur der Fehlfracht als einer pauschalierten Kündigungsentschädigung.
Das angefochtene Urteil kann beim derzeitigen Prozeßstand nicht aufrechterhalten werden. Die Revision wendet sich mit Grund gegen die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts, mit der es ersichtlich an § 587 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 588 Abs. 2 Satz 2 HGB anknüpft. Sie ist nicht vereinbar mit dem Kern seiner Ausführungen zum Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Fernschreiben. Darin habe sie, wie das Berufungsgericht darlegt, durch den mehrfachen Gebrauch des Wortes „deadfreight" zum Ausdruck gebracht, daß sie über einen Schadensersatzanspruch verhandeln wollten. Insoweit ist es zutreffend davon ausgegangen, daß das Wort „deadfreight nicht dem Begriff „Fautfracht" (Fehlfracht) der §§ 580 ff. HGB entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 17. April 1956 — 1 ZR 184/54, LM § 652 BGB Nr. 3), sondern einen schadensrechtlichen Charakter hat (vgl. Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. § 578 Anm. B 2). Danach handelte es sich aber bei der vereinbarten Zahlung von 150 000 US-Dollar um keine Fehlfracht, sondern um eine pauschalierte Schadensersatzleistung. Auf eine solche müßte sich der Verfrachter, sofern keine abweichende Vereinbarung besteht, unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs nur dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Nichtanlieferung der Güter erspart oder anderweitig erworben hat oder hätte erwerben können (vgl. Prüßmann/Rabe a.a.O.). Hingegen bestünde insoweit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Raum, die Regelung des § 587 Abs. 1 Satz 2, § 588 Abs. 2 Satz 2 HGB heranzuziehen, die auf eine andere Art des Ausgleichs zwischen Befrachter und Verfrachter zugeschnitten ist. Auch wenn die Klägerin, wie das Berufungsgericht darlegt, in dem „Fernschreibwechsel" zum Ausdruck gebracht hat, daß bei einer Ersatzladung die Fracht auf ihre Zahlung von 150 000 US-Dollar angerechnet werden sollte, so folgt daraus nicht schon, daß die Parteien von der gewählten schadensrechtlichen Betrachtungsweise abgegangen sind und sich der auf die Zahlung der Klägerin anzurechnende Betrag nicht nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung, sondern nach § 587 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 588 Abs. 2 Satz 2 HGB bestimmen sollte. Gegen eine Anwendung dieser Vorschriften spricht zudem, daß nach ihnen der Befrachter, der die Güter nicht anliefert, gleichwohl die volle Fracht an den Verfrachter zu entrichten hat, wogegen hier der von der Klägerin in Höhe von 150 000 US-Dollar geleistete Schadensbetrag auf Grund des Entgegenkommens der Beklagten ohnehin nur knapp 3/5 der vollen fracht von 255 430 US-Dollar (262 800 US-Dollar abzüglich 2,4 % address commission) ausmacht. Die Sache bedarf danach weiterer Prüfung durch das Berufungsgericht, ob bei der Berechnung der Klageforderung nicht zu berücksichtigen ist, daß die Beklagte nur eine erheblich niedrigere als die zunächst vereinbarte Ersatzfracht erhalten haben will und diese nicht einmal ihre Kosten aus dem Transport der Ersatzladung gedeckt habe.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.3 (Sammlung Seite 1225 f.); ZfB 1988, 1225 f.