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II ZR 55/79 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 04.02.1980
Aktenzeichen: II ZR 55/79
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Wird ein Schiff durch unsachgemäßes Verhalten der Leute des Greiferbetriebs beim Beladen beschädigt, wäre aber der Schaden auch bei sachgemäßer Beladung eingetreten, so steht dies einem auf §§ 831, 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruch des Eigentümers entgegen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei sachgemäßer Beladung eingetreten wäre, trägt der in Anspruch genommene Geschäftsherr.

Urteil des Bundesgerichtshofs

vom 4. Februar 1980

II ZR 55/79

(Schiffahrtsgericht Hamburg; Schifffahrtsobergericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin hatte einen ihr gehörenden Schubleichter im Auftrag der Fa. M. zwecks Beladung mit Kupfererzkonzentrat an der im Hamburger Hafen befindlichen Lade- und Löschanlage der Beklagten zu 2 vorgelegt, für welche die Beklagte zu 1 als Betriebsführungsgesellschaft tätig war und als solche auch die Arbeitsverträge mit den dort Beschäftigten namens der Beklagten zu 2 abgeschlossen hatte. Als die Sektionen 2 bis 7 des Leichters an der Anlage der Beklagten bereits beladen waren, knickte der Leichter beim Ausschütten der 1. Hieve in die Sektion 1 mittschiffs ein.

Die Klägerin macht die Beklagten als Gesamtschuldner für den Schaden von über 380000,- DM haftbar mit der Begründung, daß der Kranführer den Greifer mit der schweren Last in zu großer Höhe über dem Boden des Laderaumes geöffnet habe.
Schiffahrtsgericht und Schiffahrtsobergericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Schiffahrtsobergericht zwecks anderweiter Verhandlung und Entscheidung.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Das Berufungsgericht hat zu Gunsten der Klägerin unterstellt, daß der Greiferkorb zu früh geöffnet worden ist und die Beklagten ihre Verrichtungsgehilfen nur unzureichend beaufsichtigt haben. Es läßt den Schadensersatzanspruch schon daran scheitern, daß es am Nachweis der Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden fehle. Durch das Fallenlassen des Kupfererzkonzentrats und der damit verbundenen Stoßwirkung sei zwar das Stabilitätsversagen der Leichterkonstruktion ausgelöst worden. Die Konstruktion sei aber durch die vom Ewerführer veranlaßte fehlerhafte Beladungsweise - die Sektion 1 habe man zunächst leer gelassen, während man die Sektionen 2 bis 7 aufgefüllt habe - so hoch belastet gewesen, daß sie schon dicht vor dem Zusammenbruch gestanden habe. Es sei daher nicht sicher, daß durch ein Öffnen des Greifers wenige Meter über dem Schiffsboden, also auch bei rechtmäßigem Verhalten des Greiferführers, der Schaden vermieden worden wäre.
Diesen Ausführungen kann zum Teil gefolgt werden. Wenn das Ladegut, wie mit dem Berufungsgericht zu unterstellen ist, aus zu großer Höhe in die Sektion 1 abgeworfen worden und dabei der Leichter zusammengebrochen ist, ist das Eigentum der Klägerin durch ein ursächliches Verhalten der Leute der Beklagten rechtswidrig verletzt und damit an sich der Haftungstatbestand des § 823 Abs. 1, § 831 BGB verwirklicht worden. Dem Berufungsgericht ist jedoch zuzustimmen, daß es auch darauf ankommt, ob der Schaden in derselben Weise eingetreten wäre, wenn der Greiferführer den Korb nach den Regeln sachgemäßer Beladung in entsprechend geringerer Höhe über dem Schiffsboden geöffnet hätte.
...
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß die Bestimmung des Umfangs und der Reihenfolge der Beladung der einzelnen Sektionen Sache der Klägerin war und damit auch die Instabilität der Konstruktion als Folge der falschen Verteilung des Ladegutes in ihren alleinigen Verantwortungsbereich fiel. Der Sachverhalt ist insoweit demjenigen vergleichbar, in dem der Eigentümer ein Schiff zur Beladung vorlegt, dessen Bodenfestigkeit durch vorangegangene Beschädigung oder Verschleiß derart gemindert ist, daß es auch bei fachlich einwandfreier Arbeitsweise des die Beladung ausführenden Greiferführers durchbrechen muß. In Fällen dieser Art liegt es nicht nur auf der Hand, daß der Eigentümer den Schaden selbst zu tragen hat, wenn dem von ihm nicht vorgewarnten Personal des Beladungsunternehmens kein Verstoß gegen die Regeln fachgerechter Beladungstechnik zur Last fällt. Es widerspräche auch Treu und Glauben und einer angemessenen Risikoverteilung, wenn hier dem Eigentümer die Verantwortlichkeit für die mangelnde Eignung des Schiffes, in verkehrsüblicher Weise Ladegut aufzunehmen, abgenommen würde und er den Schaden auf den Belader abwälzen könnte, nur weil dieser zufällig einen Fehler gemacht hat, der sich gar nicht besonders ausgewirkt hat, sondern ein Schaden entstanden ist, der auch durch fehlerfreie Arbeitsweise nicht hätte vermieden werden können. Insoweit geht es nicht um einen Anwendungsfall des § 254 BGB, so daß es nicht auf eine Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeit für den entstandenen Schaden ankommt. Es handelt sich vielmehr darum, daß der Schadenseintritt in der Sphäre des später Geschädigten bereits derart „vorprogrammiert" war, daß es überhaupt nicht mehr darauf ankam, ob das Greiferunternehmen den Schadensfall durch fehlerfreie oder durch widerrechtliche Ausführung des Auftrags auslöste. Kommt aber in diesem Sinne der Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Schädigers keine Bedeutung für die Entstehung des Schadens zu, entspricht es auch nicht den gerade an die Widerrechtlichkeit anknüpfenden Grundsätzen eines gerechten Schadensausgleichs, dem Geschädigten einen Ersatzanspruch zu gewähren.
Die Haftung für das pflichtwidrige Verhalten des Greiferführers, von der für die Revisionsinstanz auszugehen ist, entfällt allerdings nur dann, wenn feststeht, daß der Schaden auch bei einer noch als sachgemäß anzusehenden Beladung eingetreten wäre. Hierfür tragen die Beklagten, die diese Einwendung erheben, die Darlegungs- und Beweislast. Die Klägerin hat insoweit mit dem von ihr behaupteten und unter Beweis gestellten Geschehensablauf das Erforderliche vorgetragen.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht in einer für die revisionsgerichtliche Nachprüfung ausreichenden Weise erkennen, daß es diese Grundsätze beachtet hat. Es begnügt sich im wesentlichen mit Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen, ohne zweifelsfrei festzustellen, daß der Schaden bei sachgemäßer Beladung ebenso eingetreten wäre.
...
Die bloße Möglichkeit aber, daß der Schaden auch sonst eingetreten wäre, schließt - wie schon ausgeführt - den Anspruch auf Schadensersatz nicht aus.
Damit die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können, ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
...“