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Leitsatz:
Zur Frage der gleichrangigen Aufteilung der von einem Haftpflichtversicherer gezahlten Versicherungssummen unter mehreren geschädigten Schiffsgläubigern.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 14. Oktober 1974
II ZR 55/73
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Schiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
An einer durch das Motorschleppboot R verschuldeten Kollision waren u. a. der der Klägerin gehörende Kahn G und der dem Beklagten zu 1 gehörende Kahn T, dessen Ladungsversicherer der Beklagte zu 3 ist, beteiligt. Die Schäden betrugen für G 7575,16 DM, für T 35 799,90 DM und für dessen Ladung 64 502,80 DM, insgesamt rund 107 878 DM. Der Haftpflichtversicherer von R kürzte einen als Versicherungssumme zunächst zugrundegelegten Betrag von 30 000,- DM um Prämienrückstände von 20 361,28 DM und hinterlegte die restlichen 9638,72 DM beim Amtsgericht. Der Beklagte zu 1 klagte darauf gegen den Eigner von R weitere 22 361,28 DM ein und erwirkte ein entsprechendes Versäumnisurteil. Nach Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Schuldners gegen den Haftpflichtversicherer von R zahlte letzterer im Vergleichswege 18 833,40 DM, wovon die Beklagten zu 1 und 3 je die Hälfte erhielten.
Die Klägerin verlangt unter Berufung auf die Gleichrangigkeit der Schiffsgläubigerrechte, an der gesamten vom Haftpflichtversicherer erbrachten Leistung von 28 472,12 DM anteilig - nach ihrer Meinung zu 7,6 % = 2169,- DM beteiligt zu werden. Die Beklagten müßten einwilligen, daß ihr dieser Betrag von der hinterlegten Summe ausgezahlt werde.
Die Beklagten meines, daß die Klägerin mangels einer Ausgleichspflicht nicht beanspruchen könne, an der durch das Versäumnisurteil erwirkten Zahlung des Haftpflichtversicherers beteiligt zu werden.
Die Vorinstanzen haben der Klage nur teilweise, und zwar in Höhe von ca. 658,- bzw. 820,- DM stattgegeben. Das Revisionsgericht hat der Klage in Höhe eines Anteils von 7,02 % = 1998,73 DM entsprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Erörterungen gestellte Bereicherungsfrage stellt sich nicht. Die Beklagten haben nicht mehr vom Versicherer erhalten, als ihnen zustand. Aber sie müssen sich bei der Aufteilung der Hinterlegungssumme anrechnen lassen, was ihnen der Versicherer gezahlt hat ...
Der Haftpflichtversicherer hat, nachdem er zunächst zu weitgehende Kürzungen für sich in Anspruch genommen hatte, eine Versicherungssumme von 28 472,12 DM durch Hinterlegung in Höhe von 9638,72 DM und durch Auszahlung in Höhe von zusammen 18 833,40 DM an die beiden Beklagten anerkannt. Die Schadensersatzforderungen der Parteien beliefen sich unstreitig auf insgesamt rund 107 878 DM, überstiegen mithin die Versicherungssumme. Andererseits waren die Parteien als Schiffsgläubiger gleichrangig berechtigt. Nach § 156 Abs. 3 Satz 1 VVG hatte daher der Haftpflichtversicherer alle ihre Forderungen zu berücksichtigen und anteilmäßig nach dem Verhältnis ihrer Schadensbeträge zu berichtigen. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch von 7575,16 DM, das ist ein Anteil von 7,02 % an der Gesamtschadenssumme der Parteien. Ihr steht daher ein Anteil an der Versicherungssumme von 7,02 % = 1998,73 DM zu (nicht 7,6 % = 2169 DM, wie sie sich ausgerechnet hat).
Diesen Betrag hat die Klägerin in voller Höhe aus der Hinterlegungssumme zu beanspruchen. Der Haftpflichtversicherer hatte den Betrag von 9638,72 DM für die Parteien hinterlegt, weil - wie es im Hinterlegungsantrag unter anderem heißt - „der Schaden die Höhe der zur Verfügung stehenden Summe erheblich übersteigt ...". Die Hinterlegung ist daher ersichtlich mit der Maßgabe gewollt gewesen, daß jedem Berechtigten derjenige Betrag zustehen solle, der ihm nach § 156 Abs. 3 Satz 1 WG zu zahlen sein würde. Auch die spätere Zahlung von 18 833,40 DM an die Beklagten war eine Zahlung aus der Versicherungssumme nach § 156 Abs. 3 Satz 1 WG: Der Versicherer hatte sie gerade mit Rücksicht darauf geleistet, daß der Beklagte zu 1 den Anspruch des Schiffseigners gegen den Versicherer auf Zahlung der Versicherungssumme gepfändet hatte. Die Klägerin kann deshalb unbedenklich geltend machen, daß ihr 7,02 % betragender Anteil an der Versicherungssumme noch offensteht, daß die Beklagten dagegen teilweise aus der Versicherungssumme bereits befriedigt worden sind und daß ihnen dies bei der Verteilung des hinterlegten Restes der Versicherungssumme anzurechnen ist. Dementsprechend sind die Beklagten gemäß § 812 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 17. 12. 1969 - VIII ZR 10/68, NJW 1970, 463) zu verurteilen, daß sie der Auszahlung des der Klägerin zustehenden Anteils an der hinterlegten Summe von 1998,73 DM zustimmen und damit in diesem Umfang ihre Stellung als Mitgläubiger aufgeben, die sie ohne rechtlichen Grund innehaben.