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II ZR 54/72 - Bundesgerichtshof (Zivilgericht)
Entscheidungsdatum: 21.05.1973
Aktenzeichen: II ZR 54/72
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Zivilgericht

Leitsatz:

Zur Frage der Erfüllung eines Schiffskaufvertrages im Falle der späteren Wiederinbesitznahme des Fahrzeugs und seiner Weiterveräußerung an einen Dritten.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 21. Mai 1973

II ZR 54/72

(Oberlandesgericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Die Beklagte verkaufte ihr Motorschiff an die Kläger, übergab es ihnen und einigte sich mit ihnen über den Eigentumsübergang. Die Kläger unterwarfen sich wegen der Kaufpreisforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung. Nach 9 Monaten fochten die Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung über das Alter des Schiffes an, verlangten die Anzahlung zurück, erklärten die Wandelung und traten vom Kaufvertrag zurück. Darauf ließ die Beklagte den Klägern eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Kaufvertragsurkunde zustellen. Die Kläger haben deshalb Vollstreckungsabwehrklage erhoben.
Während des Rechtsstreits verkaufte die Beklagte ohne Wissen der Kläger das Schiff an eine andere Firma. Diese wurde Eigentümerin, nachdem die Beklagte im Schiffsregister gelöscht worden war. Am nächsten Tag zahlte die neue Käuferin den Kaufpreis, worauf ihr das Schiff übergeben wurde. Die Beklagte hatte das Schiff durch ihren Ehemann wieder in ihren Besitz gebracht.
Die Kläger verlangen mit der Klage, daß die Vollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde wegen der erklärten Anfechtung für unzulässig erklärt wird.
Land- und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten war erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger wegen der behaupteten - vom Landgericht auch bejahten - arglistigen Täuschung wirksam den notariellen Vertrag anfechten, die Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) verlangen oder von dem Vertrag zurücktreten konnten. Ebenso kann unerörtert bleiben, ob die Parteien, wie das Berufungsgericht annimmt, den Vertrag stillschweigend aufgelöst haben. Auch wenn man das alles zugunsten der Beklagten verneint, ist die Klage dennoch begründet, weil die Kläger zumindest deshalb die Leistung des Kaufpreises verweigern können, weil sich die Beklagte die Erfüllung des Kaufvertrages nachträglich unmöglich gemacht hat. Das folgt aus den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das den Klägern verkaufte Schiff ohne deren Wissen durch ihren Ehemann wieder in Besitz genommen und an einen anderen Käufer übereignet. Diese Veräußerung begründet das Unvermögen der Beklagten zur Übereignung des Schiffes an die Kläger und damit zur Erfüllung des Kaufvertrages. Die Revision meint zwar, „es lasse sich denken", daß die Beklagte dafür vorgesorgt habe, das Schiff den Klägern übereignen zu können, sobald diese ihrerseits den Kaufvertrag erfüllten. Dieser Hinweis hilft der Beklagten aber nicht. Wenn sich der Verkäufer einer Sache zu deren Leistung durch anderweiten Verkauf außerstande setzt, so muß sein Unvermögen zur Leistung angenommen werden, solange er nicht behauptet und beweist, daß er zur Erfüllung durch Wiedererwerb der Sache willens und in der Lage ist (BGB RGRK 11. Aufl. § 275 Anm. 17 m.w.N.). Das hat die Beklagte nicht getan. Ihr danach anzunehmendes Unvermögen zur Erfüllung des Kaufvertrages steht hinsichtlich der Rechtsfolgen einer nachträglichen Unmöglichkeit ihrer Leistung gleich (§ 275 Abs. 2 BGB).

Wenn dem Verkäufer die Erfüllung des Vertrages aus einem von ihm zu vertretenden Grunde unmöglich wird, kann der Käufer nach § 325 BGB zurücktreten, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder die Rechte aus § 323 BGB, also insbesondere geltend machen, daß er von der von ihm zu erbringenden Gegenleistung freigeworden sei. Dem Vortrag der Kläger ist zwar nicht zu entnehmen, daß sie bereits erklärt haben, von einem dieser Rechte Gebrauch zu machen, wohl aber dem Sinne nach, daß sie, falls die Anfechtung nicht durchgreifen sollte, hilfsweise ihren Klagantrag auf jenen Sachverhalt stützen wollen. Damit haben sie sich einredeweise auf Gestaltungsrechte berufen, die - wenn auch jedes in anderer Weise - der Durchsetzung des Zahlungsanspruchs der Beklagten entgegenstehen würden und die es, auch wenn die Kläger noch keine weiteren Folgen aus jenem Sachverhalt herleiten, der Beklagten bereits jetzt nach Treu und Glauben verwehren, wegen des Kaufpreisanspruchs noch die Vollstreckung zu betreiben.