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Leitsatz:
Ein Schiff muß so abgeladen sein, daß eine nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere nach den Strömungsverhältnissen allgemein gebotene nautische Maßnahme, z. B. die Erhöhung der Geschwindigkeit zwecks Einhaltung des gebotenen Fahrweges, unbedenklich durchgeführt werden kann.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 1. Februar 1962
(Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
II ZR 52/60
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende Boot „A" fuhr bei einem Kauber Pegel von 1,19 m mit den Kähnen „B", „C", „D" und „E" im Anhang bei St. Goarshausen zu Berg. Am Bankeck begegnete dem Schleppzug an Steuerbord das um die Loreley gekommene, zu Tal fahrende und mit 400 t beladene MS „F" (751 t), das dem Beklagten zu 1 gehört und vom Beklagten zu 2 verantwortlich geführt wurde. In Höhe der Verladestelle von St. Goarshausen schlug MS „F" mit seinem Steuerbordachterschiff gegen die Steuerbordseite des ebenfalls der Klägerin gehörenden auf 2. Länge schleppenden Anhangkahnes „C" an.
Die Klägerin verlangt Ersatz des an Kahn „C" entstandenen Schadens mit der Behauptung, daß der Bekl. zu 2 in Anbetracht der an der Unfallstelle nach rechtsrheinisch gehenden Strömung bei fast stillstehender Maschine eine zu geringe Fahrtgeschwindigkeit eingesetzt und ferner J nicht rechtzeitig das Bankeck angehalten habe.
Der Klage wurde in allen drei Instanzen in vollem Umfang stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der Feststellung des Berufungsgerichts führt der normale Bergweg wegen des Ankerliegeplatzes an der Verladestelle im wesentlichen durch den rechten Teil des mittleren Stromdrittels. Da der Unfallkahn nach der weiteren Feststellung im angefochtenen Urteil etwa auf der Grenze zum rechten Stromdrittel gelegen hat, hat der Bergschleppzug den üblichen Fahrtweg der Bergfahrt eingehalten. An welcher Stelle der Bergzug wieder zum linken Ufer hinüberwechselte, ist für das Unfallgeschehen bedeutungslos, da das Schleppboot zur Zeit des Unfalles den Seitenwechsel noch nicht vollzogen hatte und die etwaige Einleitung dieses Manövers durch das Boot jedenfalls den Kurs des Anhanges Nr. 2 nicht berührte. Es braucht daher auf das Vorbringen der Revision, nach der Schiffahrtsübung werde dieses Manöver bereits am km 556 eingeleitet und bei km 555 ganz durchgeführt, nicht eingegangen zu werden.
Das Berufungsgericht hat auch die Ankerlieger berücksichtigt und festgestellt, daß der Kahn, obwohl er die Ankerlieger habe umfahren müssen, dem MS „F" reichlich, nämlich mindestens 110 bis 130 m Platz gelassen habe.
Aus all dem ergibt sich gleichzeitig, daß sowohl der Übergang des Schleppzuges zum rechten Ufer als auch die Vorbeifahrt an dem Talfahrer „F" zulässig war (§§ 37, 38 RhSchPVO). Ein Verschulden der Schiffsführer von „A" oder „C" an dem Unfall liegt daher nicht vor.
Die Revision greift weiter die Auffassung des Berufungsgerichts an, „F" hätte von vornherein das Bankeck genügend anhalten müssen, um nicht in die scharfe Hangströmung zum rechten Ufer zu verfallen. Den Grund für das Unterlassen dieser nautisch gebotenen Maßnahme hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß der Lotse von „F" wegen der hinterlästigen Beladung des Schiffs (achtern über 1,60 m Tiefgang bei einem zulässigen Tiefgang bis höchstens 1,79 m) befürchtet habe, bei höherer Geschwindigkeit könnte sich das so abgeladene Fahrzeug achtern setzen und bei näherem Anhalten der Bank auf Grund geraten. Die Revision meint, nicht MS „F" habe die Gefahr des von ihm zutreffend berücksichtigten niedrigen Wassers zu tragen, vielmehr habe „A" der Notwendigkeit für den Talfahrer, das Bankeck in genügendem Abstand zu passieren, nicht hinreichend Rechnung getragen.
Auch diese Revisionsrüge ist nicht begründet. Wenn die hinterlästige Abladung des Schiffes die Navigation erschwert, so geht das zu Lasten dieses Schiffs. Ein Schiff muß so geladen sein, daß es das einem Schiff mit zulässigem Tiefgang nach dem jeweiligen Wasserstand zur Verfügung stehende Fahrwasser ausnutzen kann, daß es insbesondere den ihm vom Bergfahrer gewiesenen geeigneten Weg nehmen kann (§ 39). Nur das wollte das Berufungsgericht sagen, wenn es ausFührt, das Risiko für das Fahren mit einer solchen Abladung bei so niedrigem Wasser im Gebirge hätten die Beklagten selbst zu tragen. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts konnte ein Schiff mit zulässigem Tiefgang das Bankeck schärfer anhalten mit der Folge, daß es nicht in den Hang verfiel. Wenn der Lotse von „F" mit Rücksicht auf die nicht unerhebliche und nicht einmal genau feststehende (über 1,60 m) Hinterlästigkeit des Schiffs dies nicht wagte, weil er befürchtete, das Achterschiff könnte bei größerer Geschwindigkeit Grundberührung bekommen, also den Tiefgang von 1,79 m überschreiten, so hat das die Beklagte zu vertreten. Denn ein Schiff darf nicht so abgeladen sein, daß eine nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Strömungsverhältnissen allgemein gebotene nautische Maßnahme (wie hier die Erhöhung der Geschwindigkeit zwecks Einhaltung des gebotenen Fahrtweges) nicht unbedenklich durchgeführt werden kann.