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II ZR 38/78 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 24.09.1979
Aktenzeichen: II ZR 38/78
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Die Klausel in den Verlade- und Transportbedingungen (Konnossementsbedingungen) eines Frachtführers, daß der Anspruch wegen Verlustes oder Beschädigung der Güter nach drei Monaten verjährt, ist unwirksam.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 24. September 1979 

II ZR 38/78

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Die Speditionsfirma U. hatte im Auftrag der Empfangsfirma C. einen Transport Petrolkoks von Rotterdam nach Besch (Luxemburg) der Beklagten zu 1 übertragen. Der Transport der bei der Klägerin versicherten Güter erfolgte mit MS C der Beklagten zu 2 (Schiffsführer: Beklagter zu 3). Als das Schiff nach einer Kollision im Rhein bei Duisburg versank, ging die Ladung teilweise verloren oder wurde durch Nässe beschädigt.

Die Klägerin verlangt Ersatz des erstatteten Schadens von ca. 75 000 DM, weil wegen Undichtigkeit der Schotten nach der Kollision Wasser durch ein Leck im Achterdeck in den Maschinenraum und die Laderäume habe eindringen können.

Während das Verfahren gegen die Beklagten zu 2 und 3 erledigt ist bzw. ruht, bestreitet die Beklagte zu 1 das Vorbringen der Klägerin. Außerdem erhebt sie die Einrede der Verjährung, da die Klage entgegen § 21 Abs. 2 der Konnossementsbedingungen (nachfolgend: KB) nicht innerhalb von 3 Monaten nach dem Schadensereignis erhoben worden sei.

Beide Vorinstanzen haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Auf Revision der Klägerin wurde jedoch unter Aufhebung dieser Urteile die Beklagte zu 1 zur Zahlung der eingeklagten Summe kostenpflichtig verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Nach § 21 Abs. 2 KB „erlöschen alle Ansprüche gegen die Reederei nach drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Schadensereignisses". Eine solche Klausel ist, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. BGHZ 71, 167, 1969/1970), unwirksam, soweit sie Ansprüche der Ladungsbeteiligten wegen Verlustes oder Beschädigung des Frachtgutes gegen den Frachtführer betrifft. Nun legen allerdings die Beklagte zu 1 und offenbar auch die Klägerin § 21 Abs. 2 KB dahin aus, daß die Ansprüche gegen die Reederei nach dem Ablauf von drei Monaten nicht erlöschen, sondern lediglich verjähren sollen. Ob eine solche Auslegung, die dem eindeutigen Wortlaut der Klausel widerspricht, möglich ist, erscheint zweifelhaft, bedarf aber keiner weiteren Prüfung. Denn es verstößt auch dann gegen § 242 BGB, wenn ein Frachtführer in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (Verlade- und Transportbedingungen; Konnossementsbedingungen) festlegt, daß Schadensersatzansprüche wegen Verlustes oder Beschädigung der Ladung bereits nach drei Monaten verjähren. Insoweit hält der Senat an seiner gegenteiligen Ansicht (vgl. Urt. v. 21. 10. 71 - II ZR 159/69, LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 37 = VersR 1972, 40 sowie das in der gleichen Sache ergangene 2. Revisionsurt. v. 28. 4. 77 - LM a.a.O. Nr. 79 - VersR 1977, 717 *) nicht fest.

Nach dem Gesetz beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Verlustes oder Beschädigung der Güter ein Jahr (§ 26 BinnSchG, § 439 Satz 1, § 414 Abs. 1 HGB). Diese Regelung, die auf Grund der angezogenen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches in gleicher Weise für den Landfrachtführer gilt (vgl. außerdem § 901 Nr. 4 HGB, wonach die Forderungen gegen den Seeverfrachter aus Frachtverträgen sowie aus Konnossementen ebenfalls in einem Jahr verjähren), ist allerdings nicht zwingend. Die Frist kann daher abgekürzt werden (§ 225 BGB). Das kann auch durch eine entsprechende Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Frachtführers geschehen. Jedoch darf diese den Frachtführer nicht einseitig und übermäßig zum Nachteil eines geschädigten Ladungsbeteiligten bevorzugen. Gewiß hat jeder Frachtführer schon wegen der im allgemeinen von ihm in nicht geringer Zahl getätigten Frachtgeschäfte ein anerkennenswertes Interesse daran, nicht erst nach einem längeren Zeitraum mit einem Schadensersatzprozeß wegen Verlustes oder Beschädigung des Frachtgutes überzogen zu werden, zumal dann die Aufklärung des Schadensvorgangs oftmals nur noch schwer oder überhaupt nicht mehr möglich und damit der ihm nach § 58 Abs. 1 BinnSchG (vgl. auch § 429 Abs. 1 sowie § 606 Satz 2 HGB) obliegende Entlastungsbeweis vielfach nicht mehr zu führen ist. Dem steht aber, was offenbar den Gesetzgeber zu der einjährigen Frist bewogen hat, gleichwertig das berechtigte Anliegen eines geschädigten Ladungsbeteiligten gegenüber, vor einer Klageerhebung mit Sorgfalt und in Ruhe die Sach- und Rechtslage prüfen und seine Entschließung treffen zu können und nicht zu einem voreiligen Prozeßbeginn gezwungen zu sein. Dieses Anliegen wird in unvertretbarer und mit dem gesetzlichen Rechtsgehalt unvereinbarer Weise mißachtet, wenn für den Schadensersatzanspruch eines Ladungsbeteiligten die Verjährungsfrist auf lediglich drei Monate verkürzt wird. Es liegt auf der Hand, daß eine derart knapp bemessene Zeitspanne oft nicht ausreicht, um die Sach- und Rechtslage genügend überschauen und danach die Aussichten eines Rechtsstreits beurteilen zu können, zumal das alles regelmäßig mit dem jeweiligen Transportversicherer abzuklären ist. Hinzu kommt, daß das nicht seltene Zwischenschalten von Unterfrachtführern, die den Ladungsbeteiligten zunächst oft nicht bekannt sind, die Beantwortung der Frage überaus schwierig machen kann, wen der Geschädigte verklagen soll. Diese Punkte hat das Berufungsgericht nicht oder nur unzulänglich berücksichtigt und deshalb zu Unrecht die Verkürzung der Verjährungsfrist auf drei Monate in § 21 Abs. 2 KB, soweit sie die Ansprüche aus § 58 Abs. 1 BinnSchG betrifft, für unzulässig angesehen.
...

Bemerkenswert scheint, daß man bei der Neufassung der Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen zum 1. Oktober 1978 die bis dahin geltende Verkürzung der ebenfalls einjährigen Verjährungsfrist (§ 414 Abs. 1 HGB) auf sechs Monate geändert und die Frist nunmehr auf acht Monate festgelegt hat. Im übrigen kann eine Klausel, die den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, nicht deshalb für wirksam erachtet werden, weil sie auch von Mitbewerbern des Verwenders benutzt oder jedenfalls gebilligt wird. Zudem ist dem Senat bekannt, daß eine bedeutende Anzahl bekannter Binnenschiffsreedereien in ihren Geschäftsbedingungen die Verjährungsfrist nicht auf drei, sondern nur auf sechs Monate verkürzt haben.

Nach alledem greift die Verjährungseinrede der Beklagten zu 1 nicht durch.

...“