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Leitsatz:
Zur Haftung der Werften für Brandschäden auf Schiffen, die zur Reparatur aufliegen. - Kein Verschulden bei unerwarteten, nicht schuldhaft herbeigeführten Gefahrenlagen, die schnelle Entschlüsse fordern. - Freizeichnungsklauseln in allgemeinen Lieferungsbedingungen haben im Falle besonderer Vereinbarungen keine Wirkung.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 29. Oktober 1959
Zum Tatbestand:
Die Klägerin hatte es in mündlicher Verabredung übernommen, in ihrem Werftbetrieb an dem Motorschiff der Beklagten Unterhaltungsarbeiten durchzuführen. Das sodann auf Helling genommene Schiff erlitt bei einem Brand, der bei Schweißarbeiten ausgebrochen war, erhebliche Schäden. Die Klägerin sandte der Beklagten erst nach dem Brand ihre Allgemeinen Lieferungsbedingungen, nach welchen die Haftung für Schäden während der Reparatur ausgeschlossen ist.
Die Klägerin verlangt die Erstattung der für die Beseitigung der Brandschäden erforderlichen Reparaturkosten und behauptet, dass sie oder ihre Arbeiter den Schaden nicht verschuldet hätten. Der Klage wurde vom Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin war erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Berufungsgericht stellt - von der Revision nicht angegriffen - rechtlich bedenkenfrei fest, dass der Brand auf die Schneidarbeiten zurückzuführen ist. Es ist weiter zu der Oberzeugung gekommen, dass das Personal der Klägerin - der Schweißer A und der Schiffsbauer B - grob fahrlässig gehandelt habe. Beide hätten, so führt das Berufungsgericht aus, bei den äußerst feuergefährlichen Schneidarbeiten die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen, die in jedem Merkblatt der Brandversicherung niedergelegt seien, nicht beachtet. Sie hätten die brennbaren Stolte aus der Nachbarschaft der Arbeitsstelle nur in ungenügender Weise entfernt, die Fugen und Ritzen der in der Nähe befindlichen Diele nicht abgedichtet und die Arbeitsstelle nach Beendigung der Arbeit nicht überwacht. Von einer Überspannung der Sorgfaltspflicht kann im Hinblick auf die sich aus den Merkblättern ergebenden Sicherheitsvorschriften, die dem Schweißer und der Aufsichtsperson bekannt sein mussten, keine Rede sein. In den Merkblättern ist insbesondere darauf hingewiesen, welche Feuersgefahr von stark erhitzten Metallteilen für die brennbare Umgebung ausgeht. Dass dort der Ausdruck Wärmebrücke von Metall zu Holz nicht gebraucht wurde, ändert an der Erkennbarkeit der Feuersgefahr nichts; hierfür kommt es auch nicht darauf an, wieweit von dem Personal der Klägerin Kenntnisse über Gebläsetemperatur, den Schmelz- und Siedepunkt des Eisens und den Zündpunkt von Holz verlangt werden können. Die Arbeitsstelle und ihre Umgebung ist nach den Merkblättern noch mehrere Stunden nach Schluss der Arbeit zu überprüfen. Der ursächliche Zusammenhang der mangelnden Nachschau mit dem Brandschaden ist im angefochtenen Urteil rechtsirrtumsfrei festgestellt. Ein Mitverschulden der Schiffsbesatzung hat das Berufungsgericht verneint. Im angefochtenen Urteil ist hierzu ausgeführt: Wenn der Matrose beim Erkennen des Feuers in Bestürzung und Schrecken sofort seinen Schiffsführer alarmierte und die Luke nicht sogleich wieder schloss, was das richtige gewesen wäre, so sei dies bei der überraschenden Situation noch entschuldbar. Die Möglichkeit, dass er durch Offenstehenlassen der Luke die Entfaltung des Brandes begünstigen und den Schaden vergrößern könnte, sei für ihn in seiner damaligen Situation nicht so naheliegend und leicht erkennbar gewesen, wie das erforderlich wäre, um aus seinem Verhalten ein mitwirkendes Verschulden herleiten zu können. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, dem die Revision eine zu geringe Bemessung der Sorgfaltspflicht vorwirft, entsprechen der ständigen Rechtsprechung über die Frage des Verschuldens bei unerwarteten, nicht schuldhaft herbeigeführten Gefahrenlagen, die schnelle Entschlüsse fordern (RGZ 92, 38; BGH LM ZPO § 286 A Nr. 2; Erman BGB 2. Aufl. § 276 Anm. 4C; Vortisch/Zschucke BSchG 2. Aufl. § 92 An. 7 c). Gegen die Meinung der Revision, die Allgemeinen Bedingungen seien Vertragsinhalt geworden, spricht schon der Umstand, dass bei Erteilung des mündlichen Auftrages, in dessen Ausführung der Brandschaden entstanden ist, von den Allgemeinen Bedingungen unstreitig nicht gesprochen wurde, diese vielmehr erst drei Tage nach dem Brand dem Beklagten übersandt wurden. Doch bedarf dies keiner näheren Prüfung, da hier nach der Feststellung des Berufungsgerichts eine besondere, von den Allgemeinen Bedingungen abweichende Vereinbarung getroffen ist. Soweit diese Vereinbarung reicht, können die Allgemeinen Bedingungen keinesfalls zum Zuge kommen. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend sein Urteil auf die von den Parteien getroffene besondere Vereinbarung und auf das von der Klägerin zu vertretende Verschulden ihres Personals gestützt."