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Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen für die Gewährung eines „Treuerabatts" nach Teil I Abschnitt 12c des deutschen Binnentankschiffahrtstarifs.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 13. Juni 1988
II ZR 261/87
(Landgericht Köln; Oberlandesgericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte ihre gesamten Tankschiffstransporte auf dem Rhein und anderen Wasserstraßen einer Reederei gemäß einem Vertrag vom 3. Januar 1983 mit einer Laufzeit vom 1. 1. 1983 bis zum 31. 12. 1987 übertragen. In dem Vertrag heißt es u. a.:
§3: „Y (die Beklagte) garantiert gemäß Ziffer 12a des Deutschen Binnentankschiffahrtstarifes gegenüber Schiffahrtstreibenden eine jährliche Gesamtfrachtsumme einschließlich eventueller Liegegelder, die mindestens der Eingangsstufe der Mengenrabattstaffel des Deutschen Binnentankschiffahrtstarifes Ziffer 12a entspricht. Die jeweilige garantierte Gesamtfrachtsumme (Mengenrabattstufe) kann zu Beginn eines jeden Vertragsjahres durch eine Ergänzung zu diesem Vertrag erhöht werden, so daß eine andere Stufe der Mengenrabattstaffel Anwendung findet."
§5: „ ... Mengenrabatte gelangen jeweils nach Ablauf eines Vertragsjahres zur Ausschüttung. Treuerabatte gemäß Ziffer 12c des Deutschen Binnentankschiffahrtstarifes werden gleichfalls nach Ablauf eines jeden Vertragsjahres vergütet, innerhalb der garantierten Vertragsdauer als Vorauszahlung."
In einem Anschreiben vom 6. 1. 1983, mit dem sie „den Vertrag mit einer neuen Laufzeit von fünf Jahren" an die Reederei mit der Bitte um Rückgabe nach Unterzeichnung übersandte, hatte die Beklagte außerdem ausgeführt:
„Wir beanspruchen somit gern. Ziffer 12c des Deutschen Binnentankschiffahrts-Tarifes (FTB) die Höchststufe des Treuerabattes von 5 %. Der Vertrag gilt als nicht erfüllt, wenn die Mindestanforderungen des FTB gern. Ziffer 12a und 12c wider Erwarten nicht eingehalten werden können. Ein entsprechend geminderter Treuerabatt ist jedoch zu gewähren, falls dies erst nach Ablauf des zweiten Vertragsjahres eintritt.
Bezüglich der Festlegung der Mengenrabattstufe nach Ziffer 12a des FTB und gern. §3 (des übersandten Vertrages) kommen wir in Kürze auf Sie zu. Dieses Schreiben erhalten Sie in 2-facher Ausfertigung mit der Bitte, uns die Kopie unterschrieben als Vertragsbestandteil zurückzusenden."
Die in dem vorgenannten Schreiben bezeichneten Ziffern
12a (Mengenrabatt) und 12c (Treuerabatt) des
DBT Teil I Abschnitt 12 enthalten u. a. folgende Bestimmungen:
12a: „Wenn ein Verlader für eigene Rechnung gegenüber Schiffahrttreibenden eine Gesamtfrachtsumme für die Dauer von mindestens einem Jahr garantiert, so können die Schiffahrtstreibenden folgende Mengenrabatte (auf die auf Grund des Frachten- und Tarifanzeigers der Binnenschiffahrt — FTB — normierten Tariffrachten) gewähren:
an Verlader, die innerhalb eines Jahres Mineralölfrachten zuzüglich evtl. Liegegelder in einem Gesamtbetrag von
...
12,91 Mio. DM bis 15.09 Mio. DM (ausschl.) zahlen,
8,5 %
..."
12c „Garantiert ein Verlader einem Schiffahrttreibenden zusätzlich zu einer Verpflichtung nach dem Mengenrabatt, Buchstabe a. oder nach dem (hier nicht interessierenden) Vertragsrabatt, Buchstabe b, Vertragsfrachtsummen über eine Vertragsdauer von zwei und mehr Jahren, so ist der Schiffahrtstreibende berechtigt, folgende Treuerabatte zu gewähren:
an Verlader, die Vertragsfrachtsummen über die Vertragsdauer von zwei Jahren garantieren 2 %
...
Vertragsdauer von von fünf Jahren und mehr garantieren 5 %, soweit der Zeitraum vorher fest fixiert ist."
Ferner teilte die Beklagte mit Schreiben vom 26.Januar 1983 der Reederei "gemäß §3 des Transport- Vertrages vom 3. Januar 1983 mit, daß wir für das Vertragsjahr 1983 eine Gesamtfrachtsumme garantieren, die der zweiten Stufe der Mengenrabattstaffel des Deutschen Binnentankschiffahrtstarifes Ziffer 12a entspricht."
Die Reederei gewährte der Beklagten auf Grund des Vertrages für die Jähre 1983 und 1984 Treuerabatte in Höhe von insgesamt 588 432,82 DM.
Die Klägerin — Bundesrepublik Deutschland — verlangt Zahlung des vorgenannten Betrages gemäß §31 Abs. 3 BinSchVG mit der Begründung. daß der Transportvertrag vom 3. Januar 1983 keine Garantie für die in Ziffer 12c des deutschen Binnentankschiffahrtstarifes vorgeschriebenen Vertragsfrachtsummen enthalte und die Gewährung der Treuerabatte daher als grob fahrlässiger Tarifverstoß anzusehen sei.
Demgegenüber meint die Beklagte, daß sich die Frachtsummengarantie aus §3 Abs. 2 des Transportvertrages in Verbindung mit dem Schreiben vom 6.1. 1983 ergebe; jedenfalls fehle es an einem groben Verschulden der Vertragspartner, die stets von der Tarifgerechtigkeit der Treuerabattgewährung ausgegangen seien.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin wurde auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Revision hat keinen Erfolg
1. ...
Danach ist Voraussetzung für eine wirksame Treuerabattabsprache, daß sie a) zusätzlich zu einer Verpflichtung nach dem Mengen- oder Vertragsrabatt erfolgt, b) die Garantieerklärung einem einzelnen Schiffahrtstreibenden gegenüber abgegeben wird, c) jeweils Jahresvertragsfrachtsummen garantiert, die allerdings jährlich unterschiedlich sein können, jedoch bei Vertragsschluß festgelegt werden müssen (vgl.Kuncke a.a.O. S. 27), d) schriftlich getroffen ist.
2. a) Das Berufungsgericht hat aus der fünfjährigen Laufzeit des Transport-Vertrages vom 3. Januar 1983, der Bestimmung der Zahlungszeitpunkte des jeweiligen Treuerabatts in §5 Abs. 3 des Vertrages sowie aus dem Inhalt des Schreibens der Beklagten an die Reederei vom 6. Januar 1983, der auf Grund der Einverständniserklärung der Reederei Bestandteil des Transport- Vertrages geworden ist und mehrfach den beanspruchten Treuerabatt erwähnt, entnommen, daß der Transport-Vertrag (auch) den Treuerabatt regeln sollte. Es legt auf Grund dieses Zweckes §3 Abs. 1 des Vertrages dahin aus, daß die Klausel über den abstrakten auf den Mengenrabatt abgestellten Wortlaut hinaus („zusätzlich") inhaltlich die individuelle Garantie einer Gesamtfrachtsumme enthält, was „für Ziffer 12c des Tarifs nötig ist und ausreicht"; dabei schade die Vokabel „mindestens" ebensowenig wie der bezug auf einen Rahmen von Frachtsummen; damit sei die in jener Stufe genannte Mindestsumme ausreichend garantiert. Das Berufungsgericht hat demnach aus den Klauseln und Erklärungen zum Treuerabatt in dem Transport- Vertrag vom 3. Januar 1983 und in dem Schreiben der Beklagten vom 6. Januar 1983 sowie dem damit verbundenen Regelungszweck entnommen, daß die Beklagte der Reederei durch §3 Abs. 1 des Vertrages eine Jahresvertragsfrachtsumme in Höhe des Mindestbetrages der Mengenrabattstaffel garantiert hat. Insoweit handelt es sich um eine mögliche Auslegung einer Indiviudalvereinbarung, die rechtlich nicht beanstandet werden kann und gegen die sich die Revision deshalb ohne Erfolg wendet. Was sie hiergegen vorbringt, liegt auf dem ihr verschlossenen Gebiet tatrichterlicher Würdigung und trägt dem Zweck der Treuerabattvereinbarung nicht hinreichend Rechnung, zumal deren nicht in allen Punkten geglückte Fassung auf den Wortlaut des zwischen der Beklagten und der Reederei schon zuvor am 2. Januar 1981 geschlossenen Transport-Vertrages zurückgeht (vgl. außerdem dessen Vorgänger v. 2. Januar 1977), der vor der zum 1. Februar 1982 erfolgten Teiländerung des DBT Teil I Abschnitt 12 Buchstabe c vereinbart worden ist.
b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts bestehen jedoch Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit und Wirksamkeit der Treuerabattregelung in dem Transport-Vertrag vom 3. Januar 1983 deshalb, weil dessen §3 Abs. 2 die Deutung zulasse, auch er beziehe sich wie §3 Abs. 1 auf den Treuerabatt, also nicht nur auf den Mengenrabatt. Das könnte die Wendung, es könne die „jeweilige garantierte" Gesamtfrachtsumme zu Beginn eines jeden 'Jahres verändert werden, sogar nahelegen. Auch würde eine jeweils erst zukünftig erfolgende Festlegung der Garantiesumme dem Sinn des Tarifs, was den Treuerabatt anbelangt, widersprechen. Denn dieser erfordere eine Festlegung der garantierten Jahresfrachtsumme von Vertragsbeginn an; sonst könnten die negativen Folgen einer 50 %igen Unter- oder Überschreitung (wie DBT Teil I Abschnitt 12 Buchstabe c Abs. 3 sie vorsieht) durch nachträgliche Anpassungen vermieden werden. Dabei erscheine auch eine Mengenrabattstaffel als erfahrungsgemäß veränderliche Größe als Anknüpfungspunkt für eine Garantie bedenklich. Letztlich könne das alles aber dahinstehen, weil die unveränderte Weiterverwendung des früheren Vertragstextes, der nach altem Tarifrecht eine zureichende Grundlage für die Inanspruchnahme von Treuerabatten dargestellt habe, nicht als grobe Fahrlässigkeit der Vertragspartner im Sinne des §31 Abs. 3 BinSchVG angesehen werden könne.
Zu diesen Ausführungen ist zu bemerken:
Da das Berufungsgericht §3 Abs. 2 des Transport-Vertrages
vom 3. Januar 1983 nicht abschließend ausgelegt hat und die
Parteien die insoweit wesentlichen Tatsachen in den Vorinstanzen
vorgetragen haben, kann der Senat die Klausel selbst auslegen.
Hierbei ist der wirkliche Wille der Vertragspartner zu erforschen
und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks
festzuhalten (vgl.§133 BGB), selbst wenn die Klausel objektiv
eine andere Bedeutung haben sollte, d. h. ein unbefangener Dritter
ihr einen anderen Sinn beilegen würde (BGH, Urt. v. 24. Juni
1987 — IV b ZR 48/86, BGHR ZPO §550 — Vertragsauslegung
1). Auch die Klägerin, die den Klageanspruch aus dem Transport- Vertrag vom 3. Januar 1983 herleitet, muß die Bindung an den wirklichen Willen der Vertragspartner hinnehmen. Diese wollten mit dem Transport-Vertrag der teilweisen Änderung der DBT Teil I Abschnitt 12 Buchstabe c Rechnung tragen und der Beklagten weiterhin den ihr schon bisher von der Reederei gewährten Treuerabatt erhalten. Hierzu war die Festlegung der Jahresfrachtsummen für die vorgesehene Vertragsdauer von fünf Jahren erforderlich. Dem hätte entgegengestanden, der Beklagten die nachträgliche Festlegung einzelner Jahresfrachtsummen zu gestatten. Es ist deshalb nicht anzunehmen, daß die Vertragspartner die Möglichkeit hierzu der Beklagten durch §3 Abs. 2 des Vertrages einräumen wollten. Stattdessen liegt es nahe, die Klausel dahin zu verstehen, daß sie gegenüber der Reederei nochmals deutlich machen sollte, daß sich für sie — neben dem unmittelbar vereinbarten Treuerabatt — der ebenfalls von ihr zu gewährende Mengenrabatt jährlich erhöhen konnte, sofern die Beklagte gegenüber dem Frachtenausschuß für den Tankschiffsverkehr jährlich eine höhere Stufe der Mengenrabattstaffel garantierte. Der Senat vermag deshalb die Bedenken, die das Berufungsgericht aus §3 Abs. 2 des Transport-Vertrages vom 3. Januar 1983 gegen eine wirksame Treuerabattvereinbarung geäußert hat, nicht zu teilen. Er ist vielmehr der Ansicht, daß sämtliche Voraussetzungen einer Treuerabattabrede hier gegeben sind und deshalb der von der Klägerin angenommene Tarifverstoß zu verneinen ist. Damit ist die Klage unbegründet, ohne daß es noch einer Erörterung der zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Verschuldensfrage bedarf."
Eine Anmerkung zu obigem Urteil bleibt vorbehalten, bis weitere in Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Transportvertrag schwebende Prozesse rechtskräftig entschieden worden sind.
Dütemeyer
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.6 (Sammlung Seite 1240 f.); ZfB 1988, 1240 f.