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II ZR 261/64 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 21.11.1966
Aktenzeichen: II ZR 261/64
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 21. November 1966

II ZR 261/64

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Das auf der Talfahrt befindliche, der Klägerin gehörende TMS M drehte bei Rhein-km 728,5 nach Passieren eines zu Berg kommenden D-Schleppzuges wegen zunehmenden Nebels über Steuerbord auf. Dabei wurde es fast querliegend in nächster Nähe der rechtsrheinischen Kribben von dem hinter dem D-Zug zu Berg kommenden und nach Backbord ausweichenden MS R, das dem Beklagten gehört und von ihm selbst geführt wurde, fast rechtwinklig am Vorderschiff angefahren und beschädigt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Schadensersatzanspruch zu 2/3, das Rheinschiffahrtsobergericht hat die Klage zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Beklagten, der die Abweisung der Klage erreichen will, soweit sie zu mehr als einem Viertel dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden war, blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Im angefochtenen Urteil ist festgestellt, der Beklagte habe es bei seiner Fahrt zu Berg im Nebel entgegen den zwingenden Vorschriften der §§ 81 Nr. 1, 80 Nr. 1 Abs. 2 RhSchPVO unterlassen, Nebelsignale zu geben und einen Ausguck zu stellen. Beide Versäumnisse seien für den Zusammenstoß ursächlich gewesen.
Auch hätte man auf R, als der Talfahrer M in Höhe des letzten Anhangkahnes des D-Zuges in einer Entfernung von 300 bis 400 m aufgetaucht sei, nicht nur sofort Schallsignal geben, sondern vorsorglich auch die Geschwindigkeit herabsetzen müssen, da man bei dem unsichtigen Wetter damit habe rechnen müssen, daß der Talfahrer hinter dem Schleppzug aufdrehen werde.
Das ursächliche Verschulden der Führung des Talfahrers M hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß der Talfahrer (entgegen der Vorschrift des § 80 Nr. 2 RhSchPVO) seine Fahrt zu lange fortgesetzt habe und infolgedessen mitten im Rhein praktisch ohne jede Orientierung nach rechtsrheinisch aufgedreht habe, wo üblicherweise allein die Bergfahrt fahre, während die Talfahrt die linke Rheinseite benutze.
Zur Schuldabwägung führt das Berufungsgericht aus, es könne im Ergebnis nicht festgestellt werden, daß Unfallursächlichkeit und Schuld auf der einen oder anderen Seite erheblich überwögen.
Die Revision meint, die Versäumnisse der Führung von R seien bei weitem milder zu beurteilen, da auf R das für den Entgegenkommer gut erkennbare Blinklicht gesetzt gewesen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. (Wird weiter ausgeführt.)
Auch die Vorschrift des § 38 Nr. 1 RhSchPVO ist im angefochtenen Urteil entgegen der Ansicht der Revision nicht verletzt. Gegenüber dem aufdrehenden Talfahrer hat der Bergfahrer grundsätzlich kein Kursweisungsrecht; es ist § 46 und nicht § 38 RhSchPVO anzuwenden. Im übrigen konnte der Talfahrer das Blinklicht des Bergfahrers deshalb nicht rechtzeitig erkennen, weil er die Fahrt in die Nebelwand hinein fortgesetzt hat. Das darin liegende Verschulden des Talfahrers hat das Berufungsgericht gewürdigt. Die Revision will die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichts; der Talfahrer hätte nach Backbord aufdrehen sollen, für den Beklagten ins Feld führen; sie meint, der Bergfahrer habe nicht damit rechnen können, daß der Talfahrer nach Steuerbord aufdrehen würde; der Führung von R könne daher nicht vorgeworfen werden, daß sie beim Auftauchen des Talfahrers die Fahrtgeschwindigkeit nicht herabgesetzt habe. Auch dem kann nicht zugestimmt werden. Der Bergfahrer mußte unter den gegebenen Umständen damit rechnen, daß der Talfahrer aufdrehen und dessen Aufdrehsignal auf R nicht gehört werden würde, da kein Ausguck aufgestellt worden war. Er mußte auch, zumal er keine Nebelsignale gegeben hat, damit rechnen, daß ihn der Talfahrer nicht rechtzeitig würde erkennen können. Weil der Talfahrer den D-Zug erst passieren ließ, lag es nicht fern, daß der Talfahrer in Fortsetzung seines nautisch fehlerhaften Verhaltens möglicherweise hinter dem D-Zug nach dem rechten Ufer aufdrehen würde. Die nautische Sorgfaltspflicht gebot es daher, beim Auftauchen des Talfahrers die Fahrgeschwindigkeit herabzusetzen."