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II ZR 249/83 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 27.11.1984
Aktenzeichen: II ZR 249/83
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Internationaler Code für die Beförderung von gefährlichen Gütern mit Seeschiffen (IMCO-Code) - Beilage z. BAnz Nr. 119 v. 30. Juni 1973; HGB § 514.


2) Zur Auslegung des IMCO-Codes sowie zum Inhalt des auf S. 5100 Nr. 1.2 des Codes verwendeten Begriffs „Entzündliche Stoffe".

Urteil des Bundesgerichtshofs

vom 27. November 1984

(LG Hamburg; OLG Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die Sache befindet sich zum zweiten Mal in der Revisionsinstanz. Verwiesen wird auf das erste Revisionsurteil des BGH vom 17. November 1980 - II ZR 51/79 (ZfB 1981, 238) -. Es geht um einen schweren Stückgutschaden, der durch einen Schiffsbrand in Luke 2 des MS „CW" auf einer Reise über See entstanden war. Die von Versicherern und Eignern der zerstörten und beschädigten Güter wegen fehlerhafter Stauung gefährlicher Güter erhobene Klage gegen den Reeder des Schiffes (Beklagter zu 1), den Zeitcharterer (Beklagter zu 2) und den Nachlaßverwalter des Kapitäns (Beklagter zu 3) war von den Vorinstanzen abgewiesen worden. Der BGH hatte jedoch das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil nicht geprüft worden war, ob Aizen Cathilon Orange GLH oder Malachit-grün oder Resin - die hier zur Debatte stehenden gefährlichen Güter - zu den entzündlichen Stoffen im Sinne von IMCO-Code S. 5100 Nr. 1.2 gehören. Das Berufungsgericht hat diese Frage in seinem zweiten Urteil verneint. Die Kläger haben erneut Revision eingelegt, allerdings ihre Zahlungsansprüche der von der Berufungsinstanz bereits unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 17. Januar 1983 - II ZR 259/81 - (ZfB 1983, 188) für richtig gehaltenen Haftungsgrenze angepasst. Die Revision blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Angaben und Vorschriften des IMCO-Code sind in erster Linie für die Schifffahrt bestimmt (S. 0008 Nr. 4.1). Deshalb sind sie, soweit es um das Stauen von Gütern geht, aus der Sicht des für die Sicherheit von Schiff und Ladung verantwortlichen Kapitäns auszulegen. Dieser findet im IMCO-Code, der den Begriff der Entzündlichkeit nicht ausdrücklich beschreibt, dazu nur einen Anhaltspunkt auf S. 4000 Nr. 1.1.1.. Dort zählt der Code die Eigenschaften der „Entzündbaren festen Stoffe" auf. Danach ist die Entzündlichkeit eines Stoffes im Sinne von IMCO-Code S. 5100 Nr. 1.2 anzunehmen, wenn er durch äußere Zündquellen, wie Funken und Flammen, leicht entzündet werden kann oder ansonsten leicht brennbar ist. Das ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts bei Aizen Cathilon Orange GLH oder bei Malachit-grün oder bei Resin nicht der Fall.
Nun meint die Revision die drei Stoffe seien deshalb als entzündlich im Sinne von IMCO-Code S. 5100 Nr. 1.2 anzusehen, weil sich bei ihrer Vermischung mit Calciumhypochlorit explosive Gase und Dämpfe bilden könnten, die ihrerseits durch äußere Zündquellen leicht entzündbar seien. Das habe auch der gerichtliche Sachverständige H. bestätigt. Insoweit handelt es sich aber nicht um eine Eigenschaft der einzelnen Stoffe, sondern um eine solche bestimmter Stoffmischungen. Damit lässt sich deshalb die Entzündlichkeit der Stoffe selbst im Sinne von IMCO-Code S. 5100 Nr. 1.2 nicht begründen.
Allerdings ist die Gefährlichkeit der Mischungen für das Stauen der Güter bedeutsam. Das hat das Berufungsgericht verkannt. Zu Unrecht hat es daher bei der Prüfung dieses Punktes nur auf die Eigenschaften der beiden Farbstoffe und des Resin abgestellt, hingegen den leicht entzündlichen und explosiven Charakter der im Zuge einer Vermischung mit Calciumhypochlorit sich bildenden Gase und Dämpfe außer Betracht gelassen. Gewiss verstößt der Kapitän eines Seeschiffes nicht gegen seine Pflicht, für eine gehörige Stauung der Güter zu sorgen, wenn er sich beim Laden gefährlicher Güter nach dem IMCO-Code richtet. Darum geht es jedoch nicht. Hier steht die (chemische) Unverträglichkeit des Calciumhypochlorits mit den beiden Farbstoffen und dem Resin fest, weil sich beim Vermischen leicht entzündliche und explosive Gase und Dämpfe entwickeln können. Deshalb waren diese Güter, da Fässer und Säcke bei schwerer See beschädigt werden oder zu Bruch gehen können und sich danach ihr Inhalt vermischen kann, getrennt zu stauen.
Indes lässt sich, sofern die Güter tatsächlich zusammengestaut waren, daraus zu Lasten der Beklagten nichts herleiten. Für die - von dem Privatgutachter der Kläger H. und dem gerichtlichen Sachverständigen H. erst bei experimentellen Untersuchungen während des zweiten Berufungsrechtszugs erkannte - Unverträglichkeit des Calciumhypochlorits mit den Farbstoffen und dem Resin ergibt sich aus dem IMCO-Code nichts. Auch haben die Kläger nicht vortragen können, dass Kapitän 0. insoweit etwas den sonstigen Vorschriften zum Transport gefährlicher Güter über See oder den einschlägigen Ladungshandbüchern hätte entnehmen können oder dass in den angeführten Rundschreiben der Südafrikanischen Schifffahrtskonferenz zur Gefährlichkeit des Calciumhypochlorits auf die festgestellte Unverträglichkeit mit den hier interessierenden Stoffen hingewiesen worden ist. Ferner kann wegen der erst von den Gutachtern Hü. und H. erkannten Unverträglichkeit der Güter nicht angenommen werden, dass, Kapitän 0. auf die mögliche Entstehung leicht entzündlicher und explosiver Gase und Dämpfe im Falle ihrer Vermischung aufmerksam gemacht worden wäre, wenn er sich nach ihren Eigenschaften bei einem Fachmann für chemische Ladungen erkundigt hätte. Danach kommt es darauf, ob oder in welchem Umfang dem Kapitän eine Erkundigungspflicht oblegen und er hiergegen verstoßen hat, nicht an. Das gilt in gleicher Weise, was eine Erkundigung nach der Entzündlichkeit der beiden Farbstoffe und des Resin angeht, weil diese Stoffe nicht im Sinne von IMCO-Code S. 5100 Nr. 1.2 entzündlich sind (vgl. oben).
Der Senat hat in dem ersten Revisionsurteil dargelegt, dass Ursache für den Schiffsbrand auch die mangelhafte optische Überprüfbarkeit des Unterraums der Luke 2 gewesen sein könne. Hierzu hat das Berufungsgericht nunmehr ergänzend ausgeführt, dass der den Laderaum kontrollierende 1. Offizier R. trotz der eingeschränkten optischen Kontrollmöglichkeit hätte erkennen können, wenn ein Stahlbehälter mit Calciumhypochlorit beschädigt und etwas von diesem Stoff verschüttet gewesen sei. Infolge des dabei entstehenden starken Chlorgeruchs hätte R. beim jeweiligen Öffnen der Luke über seinen Geruchssinn die Kontrolle gehabt, dass die Behälter mit dem Calciumhypochlorit noch nicht beschädigt gewesen seien. Diese im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Ausführungen muss die Revision hinnehmen.
Richtig ist, dass in der randvoll gestauten Luke 2 entgegen IMCO-Code S. 0031 Nr. 16.1 (e) nicht sichergestellt war, dass die 300 Fässer Calciumhypochlorit im Falle eines Brandes aus Sicherheitsgründen sofort aus dem Gefahrenbereich entfernt werden konnten. Jedoch besteht im Hinblick auf den mit einer starken Explosion in der Luke 2 verbundenen Beginn des schweren Brandes kein genügender Anhalt dahin, dass bei einer Stauung der 300 Fässer Calciumhypochlorit entsprechend der Vorschrift des IMCO-Code S. 0031 Nr. 16.1 (e) ein Teil davon noch aus der Brandzone hätte entfernt werden können. Die Kläger haben sich insoweit auf Vermutungen beschränken müssen. Die Kläger sind nach dem Erlass des ersten Revisionsurteils nicht darauf zurückgekommen, dass die 300 Fässer Calciumhypochlorit ungenügend deklariert und gekennzeichnet gewesen seien sowie ferner an Bord des MS „CW" die einschlägigen Vorschriften über den Transport gefährlicher Güter gefehlt hätten. Damit brauchte sich daher das Berufungsgericht nicht zu befassen. Im Übrigen haben die Kläger auch in diesem Zusammenhang nur Vermutungen über die Schadensursächlichkeit der behaupteten Verstöße äußern und nicht dartun können, dass die Güter bei richtiger Handhabung der Dinge getrennt gestaut und dadurch der Schiffsbrand vermieden worden wäre. ....“