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Leitsätze:
1) Zur Frage, ob jemand die Rechtsstellung eines am Hinterlegungsverfahren „Beteiligten" verliert, wenn seine Klage gegen einen anderen Beteiligten auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages abgewiesen wird.
2) § 54 Abs. 2 ADS gilt auch für die Abtretung des Entschädigungsanspruchs des Versicherten durch den Versicherungsnehmer zu Sicherungszwecken.
Die Befugnis des Versicherungsnehmers nach § 54 Abs. 2 ADS, die Rechte des Versicherten zu übertragen, besteht auch dann, wenn er lediglich mittelbarer Besitzer der Police ist.
3) Hat bei einer laufenden Seegüterversicherung der Versicherungsnehmer das ihm von dem Versicherer zur Verfügung gestellte Blanco-Zertifikat (Einzelpolice) diesem nach Vervollständigung überlassen, so ist der Versicherer unmittelbarer und der Versicherungsnehmer mittelbarer Besitzer des Zertifikats.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 7. Juli 1980
II ZR 244/79
(Landgericht Bremen; Oberlandesgericht Bremen)
Zum Tatbestand:
Die Firmen Beko-Export und Beko-Transport hatten am 2. Februar 1976 alle ihre bestehenden oder künftigen Forderungen gegen Dritte zur Sicherung von Steuerrückständen an die Klägerinnen abgetreten. Die Fa. Beko-Export hatte am 12. Februar 1976 ihre Ansprüche gegen die E-Versicherungs-Aktiengesellschaft aus Versicherungen für Güter, welche die Beko-Export verkauft und deren Beförderung Beko-Transport besorgt hatte, zur Sicherung an die Beklagte übertragen. Die Beko-Transport hatte auch die einzelnen Transporte dieser Güter im Rahmen einer laufenden Versicherung (General-Police) bei dem genannten Versicherungsunternehmen versichert. Am 18. Februar 1976 wurden die Ansprüche der Fa. Beko-Transport gegen die E-Versicherungs-AG wegen rückständiger Steuern vom Finanzamt für die Klägerinnen gepfändet. Wegen Widerspruchs gegen die Auszahlung hat die E-Versicherungs-AG einen Betrag von ca. 80 000,- DM - Versicherungsleistungen aufgrund von Transportschäden an den genannten Gütern - beim Amtsgericht hinterlegt.
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten die Einwilligung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages unter Berufung auf die Abtretung vom 2. 2. 1976. Außerdem sei in einem Vorprozeß die gegen sie gerichtete Klage der jetzigen Beklagten auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages bereits abgewiesen worden.
Die Beklagten halten die Abtretungsvereinbarung vom 2. 2. 1976 für unwirksam. Die Abweisung ihrer Klage im Vorprozeß sei für das laufende Verfahren ohne Bedeutung. Ferner könne die von Beko-Export und Beko-Transport abgetretene Versicherungsforderung ganz oder teilweise Dritten, nämlich den Vorbehaltskäufern der verschifften Güter oder deren Käufern, zugestanden haben.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerinnen ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
1. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage wegen der im Vorprozeß der Parteien ergangenen - rechtskräftigen - Entscheidung bestehen. Dort ging es um den Anspruch der Beklagten gegen die Klägerinnen, in die Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Beklagte einzuwilligen. Dieser Anspruch wurde abgewiesen, weil die Beklagte nicht hatte beweisen können, daß ihre Rechtsvorgängerin, die Beko-Export, Inhaber der Versicherungsforderung war, als sie ihr diese am 12. Februar 1976 abtrat. Damit wurde in dem Vorprozeß weder über die materielle Berechtigung der Klägerinnen hinsichtlich des hinterlegten Betrages noch über die Frage entschieden, ob die Klägerinnen ihrerseits von der Beklagten verlangen können, in die Auszahlung dieses Betrages an die Klägerinnen einzuwilligen.
2. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Abweisung der Klage im Vorprozeß nicht zur Folge, daß der Einwilligungsanspruch der Klägerinnen nicht mehr des Nachweises der materiellen Berechtigung hinsichtlich des hinterlegten Betrages bedarf.
...
Denn § 13 Abs. 2 Nr. 2 HO bestimmt nur, daß der Nachweis der Berechtigung des Empfängers gegenüber der Hinterlegungsstelle als geführt anzusehen ist, wenn die Berechtigung durch rechtskräftige Entscheidung mit Wirkung gegen die Beteiligten festgestellt ist. Das hat damit, daß die Klägerinnen ihre materielle Berechtigung gegenüber der Beklagten als Voraussetzung für den gegen diese gerichteten Einwilligungsanspruch nachzuweisen haben, nichts zu tun. Ferner ist es nicht richtig, daß die Beklagte durch die Abweisung ihrer Klage im Vorprozeß aus dem Kreis der möglichen Empfangsberechtigten ausgeschieden ist.
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Offen blieb für sie hingegen, ihre Berechtigung auf anderem Weg nachzuweisen (vgl. § 13 Abs. 1 HO).
3. Diesen Gesichtspunkt übersieht die Revisionserwiderung, soweit sie ihrerseits meint, die Beklagte sei infolge Abweisung ihrer Klage im Vorprozeß nicht mehr Beteiligte des Hinterlegungsverfahrens, weshalb schon aus diesem Grund der streitige Einwilligungsanspruch abzuweisen sei. Die Ansicht findet in § 16 Abs. 5 Satz 2 HO keine Stütze. Die Vorschrift regelt lediglich den Fall, daß ein Beteiligter die ihm von der Hinterlegungsstelle gesetzte Klagefrist (§ 16 Abs. 1 HO) ohne Klageerhebung hat verstreichen lassen; sie besagt hingegen nichts für den weiteren Fall, daß der Beteiligte die Klage rechtzeitig erhoben hat, diese aber abgewiesen worden ist. Zudem vermag die Revisionserwiderung nicht aufzuzeigen, wieso das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen einem Beteiligten und der Hinterlegungsstelle bereits dadurch enden soll, daß er in einer gegen einen anderen Beteiligten geführten zivilrechtlichen Einwilligungsklage unterliegt.
...
4. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hatte Beko-Transport jeweils nur fremdes Interesse versichert. Ob es sich dabei um das Eigentümerinteresse der Beko-Export gehandelt hat, hat das Berufungsgericht nicht feststellen können, weil nach dem Beweisergebnis auch die (unter Eigentumsvorbehalt verkaufenden) Lieferanten der Beko-Export sowie deren Abnehmer Versicherte hätten sein können. Somit sei auch nicht bewiesen, daß die Zedenten der Klägerinnen beim Abschluß der Abtretungsvereinbarung vom 2. Februar 1976 Gläubiger der Versicherungsforderung gewesen seien. Ferner sei unerheblich, ob Beko-Transport oder Beko-Export „Inhaber" der Einzelpolicen gewesen seien. Da Beko-Transport nur fremdes Interesse versichert habe, könne diesem Unternehmen die Versicherungsforderung nur treuhänderisch zugestanden haben. Ebenso liege es hinsichtlich der Beko-Export, wenn noch unter Vorbehaltseigentum ihrer Lieferanten stehende Ware beschädigt oder wenn das versicherte Interesse im Zeitpunkt des Schadenseintritts bereits auf den einzelnen Käufer „übergegangen" gewesen sei. Damit hätte in beiden Fällen die Versicherungsforderung nicht Gegenstand der Versicherungsabtretung an die Klägerinnen sein können.
Zu diesen Ausführungen, die von der Revision in tatsächlicher Hinsicht nicht angegriffen werden, ist rechtlich zu bemerken:
a) Nach der General-Police liegen den einzelnen Versicherungen die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen (ADS) und die Besonderen Bestimmungen für die Güterversicherung (ADS Güterversicherung 1973), die an die Stelle der §§ 80 bis 99 ADS getreten sind, zugrunde.
b) Nach § 54 Abs. 1 ADS kann der Versicherungsnehmer, der fremdes Interesse versichert hat, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag im eigenen Namen verfügen (vgl. auch § 887 Abs. 1 HGB und § 76 Abs. 1 VVG), obwohl diese nach § 53 Abs. 1 Satz 1 ADS dem Versicherten zustehen. Ist allerdings eine Police (bei der laufenden Versicherung eine Einzelpolice - vgl. Nr. 6.2 Satz 2 der Bestimmungen für die laufende Versicherung zur ADS Güterversicherung 1973) ausgestellt, so ist der Versicherungsnehmer zur Annahme der Zahlung sowie zur Übertragung der Rechte des Versicherten ohne dessen Zustimmung nur befugt, wenn er die Police im Besitz hat (§ 54 Abs. 2 ADS; vgl. auch § 887 Abs. 2 HGB und § 76 Abs. 2 VVG). Das gilt nicht nur für die Vollabtretung, sondern auch für die Sicherungszession, da sie sich für den Versicherten, über dessen Recht seitens des Versicherungsnehmers verfügt wird, praktisch in gleicher Weise auswirkt (ebenso Bruck/Möller/Sieg, VVG 7. Aufl. §§ 75, 76 Anm. 14; vgl. auch Ritter/Abraham, Das Recht der Seeversicherung 2. Aufl. Bd. 1 § 54 Anm. 9). Demnach konnte Beko-Transport als Versicherungsnehmer den Entschädigungsanspruch des nach den Einzelpolicen jeweils Versicherten zu Sicherungszwecken an die Klägerinnen wirksam abtreten, sofern das Unternehmen im Besitz dieser Policen gewesen sein sollte, was nach dem Berufungsurteil nicht ausgeschlossen ist. Es ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für die Entscheidung über den Klageanspruch nicht unerheblich, ob Beko-Transport die Einzelpolicen besessen hat. Auch geht es insoweit nicht um die Abtretung von Rechten, welche Beko-Transport treuhänderisch für den jeweiligen Versicherten innegehabt haben soll (für eine solche Abweichung von der Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 ADS besteht überdies kein Anhalt), sondern um die Abtretung der dem Versicherten selbst zustehenden Entschädigungsforderung.
c) Anders ist es hingegen, falls Beko-Export im Besitz der Einzelpolicen gewesen sein sollte, was nach dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht ausgeschlossen ist. Zwar konnte dann das Unternehmen über seine Rechte aus den einzelnen Versicherungen verfügen (§ 53 Abs. 2 ADS). Jedoch hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, daß Beko-Export Entschädigungsansprüche gegen die E. Versicherungs-Aktiengesellschaft erwachsen sind, weil bei Eintritt der einzelnen Versicherungsfälle auch die Lieferanten oder die Abnehmer der beschädigten Güter Versicherte hätten gewesen sein können.
5. Bei dem derzeitigen Stand des Rechtsstreits ist demnach die Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht - aus den unter Ziffer 4 b) aufgezeigten Gründen - nicht haltbar. Allerdings kann ihr auch nicht stattgegeben werden, solange nicht feststeht, daß Beko-Transport bei Abschluß der Abtretungsvereinbarung vom 2. Februar 1976 die Einzelpolicen besessen hat. Auch kommt es, falls das zu bejahen sein sollte, auf das weitere Vorbringen der Beklagten zur Unwirksamkeit der Vereinbarung und ihren - beschränkten - Inhalt an, was ebenfalls zunächst der Prüfung durch das Berufungsgericht bedarf. An dieses war daher die Sache - unter Aufhebung des angefochtenn Urteils - zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Für die weitere Prüfung erscheint noch folgender Hinweis angezeigt: Nach Ziffer 4 der Zusatzbedingungen zur General-Police stellte die E. Versicherungs-Aktiengesellschaft der Beko-Transport jeweils nach Bedarf Blanko-Zertifikate (Einzelpolicen) zur Verfügung. Sollte die Beko-Transport nach Vervollständigung der einzelnen Zertifikate diese nicht bei sich behalten, sondern sie anstelle von Abschriften dem Versicherer im Original überlassen haben (vgl. auch Nr. 8 1 Ziffer 3 der Richtlinien der Hamburger Versicherungsbörse für den Abschluß von Transportversicherungen, abgedruckt bei Ritter/Abraham aaO Bd. II § 97 Anm. 38), so hätte das ihre Befugnis, die Versicherungsforderung zu Sicherungszwecken an die Klägerinnen abzutreten, nicht berührt. Da die E. Versicherungs-Aktiengesellschaft die Einzelpolicen jederzeit auf Verlangen der Beko-Transport an diese hätte zurückgeben müssen (vgl. Nr. 6.2 Satz 1 der Bestimmungen für die laufende Versicherung zur ADS Güterversicherung 1973), hätte zwischen den beiden ein Besitzmittlungsverhältnis im Sinne von § 868 BGB bestanden, so daß die Beko-Transport mittelbare Besitzerin hinsichtlich der Einzelpolicen gewesen wäre. Mittelbarer Besitz des Versicherungsnehmers genügt aber für die ihm in § 54 Abs. 2 ADS eingeräumte Verfügungsbefugnis (vgl. Ritter/Abraham aaO § 53 Anm. 15; Bruck, Das Privatversicherungsrecht S. 621). Denn die Legitimation, die der Besitz der Police dem Versicherungsnehmer gibt, besteht auch dann, wenn er kraft seines mittelbaren Besitzes auf sie zurückgreifen kann.
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