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Leitsatz:
Führt die Bundesrepublik auf einer Bundeswasserstraße die Wahrschau und Kennzeichnung eines gesunkenen Schiffes durch, so kann sie vom Schiffseigentümer Ersatz ihrer Aufwendungen jedenfalls dann verlangen, wenn es sich um einen nicht nur kurzfristigen Einsatz ihres Personals und ihrer Einrichtungen handelt.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 12. März 1964
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort/Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
II ZR 243/62
Zum Tatbestand
Die Klägerin, die Bundesrepublik Deutschland, verlangt Ersatz des einer Wasser- und Schiffahrtsdirektion entstandenen Lohn- und Sachaufwandes in Höhe von über 9000,- DM für die Wahrschau und Kennzeichnung eines Motorschiffes A, das dem Beklagten gehört und nach einem Zusammenstoß mit dem Motorschiff B der Nebenintervenientin gesunken war. Da der Beklagte das an einer verkehrsreichen Stelle der Fahrrinne im Rhein unter Wasser liegende Wrack nicht gekennzeichnet und keine Wahrschauposten ausgestellt hatte, waren diese Maßnahmen für etwa 18 Tage von einer WSD mittels schwimmender Schiffahrtszeichen und grüner Bojen sowie unter Heranziehung fiskalischer Fahrzeuge und eigenen Personals durchgeführtworden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Rheinschiffahrtsobergericht hat ihr zu einem Teil stattgegeben. Unter Zurückweisung der Revision des Beklagten war auf die Anschlußrevision der Klägerin die Klage in vollem Umfang erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen
Es bedarf hier keiner Erörterung, ob die Klägerin auf dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Wege des Verwaltungszwanges den Ersatz ihrer Aufwendungen hätte erlangen können. Die Klage ist darauf gegründet, daß die Klägerin als Eigentümerin der Bundeswasserstraffe den Ersatz von Aufwendungen für eine Tätigkeit verlangt, zu deren Vornahme der Beklagte verpflichtet gewesen wäre. Die Klägerin tritt in diesem Rechtsstreit nicht als Hoheitsträger, sondern gleichgeordnet dem Beklagten gegenüber. Sie stützt ihren Anspruch auf ihr Eigentum und auf Geschäftsführung ohne Auftrag, also auf privatrechtliche Gründe, wobei es unerheblich ist, daß die Wasserstraffe dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist und die von ihr vorgenommene Tätigkeit nicht nur unter ihre privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht fällt, sondern gleichzeitig die Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgabe der Verkehrsregelung darstellt. Daher ist der Rechtsweg gegeben (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1954 - 1 ZR 134/53, insoweit in NJW 1955, 340 nicht abgedruckt; BGHZ 19, 126).
Die Revision meint, die Vorschriften der §§ 93,94RhSchPOV seien verkehrspolizeilicher Art, für deren Einhaltung die allgemeinen Polizeimittel eingesetzt werden müßten. Auf die am Unfall beteiligten Fahrzeuge könnten die Kosten der Verkehrsregelung, die durch den Unfall notwendig geworden seien, nicht abgewälzt werden. Die Klägerin habe nicht zugunsten des Beklagten, sondern zugunsten der übrigen Verkehrsteilnehmer gehandelt und nur ein eigenes Geschäft geführt. Aus der Pflicht zur Beseitigung gesunkener Fahrzeuge (§ 97 Nr. 1 RhSchPVO) lasse sich nichts für die Pflicht zur Kostentragung verkehrspolizeilicher Maßnahmen herleiten.
Der Beklagte hatte dadurch, daß sein gesunkenes Schiff den Schiffsverkehr auf der Wasserstrafe gefährdete, das Eigentum der Klägerin an der Schiffahrtsstraße, die die Klägerin dem öffentlichen Verkehr gewidmet hat, beeinträchtigt. Unerheblich ist, daß die Beeinträchtigung nicht unmittelbar durch den Beklagten, sondern durch die Besatzung seines Schiffes verursacht worden ist. Es genügt, wenn die Beeinträchtigung und ihre Fortdauer mittelbar auf den Willen des Störers zurückzuführen sind, insbesondere er es in der Hand hat, die von seiner Sache ausgehende Störungsquelle zu beseitigen. Ebensowenig setzt der Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB ein Verschulden des Störers voraus. Aus all diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof in dem bezeichneten Urteil vom 14. Dezember 1954 den Anspruch der Bundesrepublik auf Beseitigung eines im Rhein gesunkenen Wracks gegen den Schiffseigentümer unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 1004 BGB grundsätzlich anerkannt, wenn auch in dem damals entschiedenen Fall die Störung nicht als rechtswidrig angesehen worden ist, weil das Schiff durch Bombentreffer versenkt worden war. Im vorliegenden Fall kann es sich nur fragen, ob der Beseitigungsanspruch auch den Anspruch auf Kennzeichnung und Wahrschau umfaßt. Das ist zu bejahen. Ist die Beseitigung der Beeinträchtigung nicht sofort im vollen Umfange möglich, so kann der Eigentümer von dem Störer verlangen, daß die Beeinträchtigung bis zu ihrer völligen Beseitigung in zumutbarer Weise auf den geringst möglichen Grad zurückgeführt wird. Dazu gehörten, was keiner näheren Ausführung bedarf, im vorliegenden Fall Kennzeichnung und Wahrschau.
Die Klägerin hat diese Maßnahmen selbst durchgeführt. Hierdurch ist der Beklagte auf Kosten der Klägerin bereichert (§ 812 BGB; RGZ 127, 29, 34; vgl. BGHZ 29, 314, 319). Denn er ist ohne rechtlichen Grund von seiner ursprünglichen Verpflichtung zur Kennzeichnung und Wahrschau befreit worden. Wenn die Klägerin in Erfüllung ihrer privat- und öffentlichrechtlichen Verkehrssicherungspflicht oder ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabe zur Erhaltung der Verkehrswege (BGHZ 21, 48, 50 f; BGH VersR 1962, 378, 379; s. auch ZfB 1962, S. 221) die Malinahmen getroffen hat, so ändert dies nichts daran, daß der Beklagte auf Kosten der Klägerin bereichert ist. Denn die Klägerin hätte auf Grund ihrer Verkehrssicherungspflicht Kennzeichnung und Wahrschau nicht vornehmen müssen, wenn der Beklagte ihr Eigentum nicht gestört hätte oder die Störung seiner Rechtspflicht entsprechend selbst beseitigt hätte; die dafür notwendigen Aufwendungen hat der Beklagte infolge der von der Klägerin getroffenen Maßnahmen erspart. Der Beklagte hat daher nach § 818 BGB den Wert zu ersetzen, d. h. denjenigen Betrag, den er hätte aufwenden müssen, um seine Verbindlichkeit zur Vornahme dieser Maßnahmen zu erfüllen, jedoch nicht mehr als die Klägerin aufgewendet hat. Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Erörterung, ob den Rechtsgrund für die Aufwendungen der Klägerin nicht die Vorschriften über Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB) abgeben könnten (vgl. BGHZ 40, 28; RGZ 167, 35); da die Anwendung dieser Vorschriften zum gleichen Ergebnis führen würde.
Es scheint nicht gerechtfertigt, bei den Personalkosten, die bei der über zwei Wochen dauernden Wahrschau und Kennzeichnung entstanden sind, einen Unterschied zu machen, je nachdem, ob sie innerhalb oder außerhalb des normalen Dienstbetriebes entstanden sind. Die Klägerin muß das nötige Personal auch für die Fälle halfen, in denen ein Unfallbeteiligter die ihm nach dem Gesetz obliegenden Sicherungen nicht sachgemäß erfüllen kann oder sie aus einem sonstigen Grunde nicht erfüllt. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, wie die Rechtslage ist, wenn es sich dabei nur um einen kurzfristigen Einsatz des Personals der Schiffahrtsverwaltung handelt. Jedenfalls besteht bei einem zeitlich erheblichen Einsatz von Personal, das auch für solche Fälle gehalten werden muß), kein Grund zu der Annahme, daß die Klägerin das Personal in demselben zeitlichen Umfange bezahlen müßte, wenn ihr nicht die Aufgabe obläge, für solche Fälle ihre Bediensteten zur Verfügung zu stellen."