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II ZR 23/72 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 28.05.1973
Aktenzeichen: II ZR 23/72
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 446 BGB
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Zur Auslegung der Vertragsklausel „wie sie seilt und reilt".

Bundesgerichtshof

Urteil

vom 28. Mai 1973

Zum Tatbestand:

Der Kläger verkaufte dem Beklagten eine Motoryacht unter Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises, auf den nur eine Anzahlung entrichtet wurde. Bei einer vor Vertragsabschluß durchgeführten Probefahrt wurden keine Leckstellen festgestellt. In dem Kaufvertrag hieß es u.a.:
„Die Yacht wird vom Käufer (Beklagter) im jetzigen Zustand wie sie seilt und reilt übernommen. Auf jede Mängelrüge wird verzichtet.
Der Verkäufer übergibt am Tage der restlosen Bezahlung die Yacht einschließlich Inventar... an den Käufer..."
Der Beklagte ließ im anschließenden Winter auf der Werft, wohin der Kläger die Yacht schon vor Vertragsabschluß hatte überführen lassen, Reparaturarbeiten ausführen. Als der Beklagte bei einer Besichtigung im Vorschiff Wasser feststellte, verweigerte er die Zahlung des Restkaufpreises. Der Kläger berief sich auf die Klausel „wie sie seilt und reilt", so dass ihn ein am Boot erst nach Vertragsschluss entstandener Schaden nichts mehr angehe und der Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei.
Der Kläger erhob Klage auf Zahlung von 95000,- DM. Während des Rechtsstreits verkaufte er das Boot mit Zustimmung des Beklagten an einen Dritten für 75000,- DM und erklärte darauf die Hauptsache in Höhe von 66 000,-DM für erledigt. Er verlangt seither noch 29 000,- DM als Ersatz des Schadens, der durch Nichterfüllung des Vertrages entstanden sei.
Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.
Auf die Revision ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das angefochtene Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil sich das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht damit auseinandergesetzt hat, ob die Gegenleistungsgefahr auf den Beklagten unabhängig von der Übernahme der Yacht auf Grund der im Kaufvertrag getroffenen Abreden schon mit dessen Abschluss übergegangen ist. War das der Fall, so entfiel für den Beklagten die ihre sonst zustehende Einrede des nicht erfüllten Vertrages, weil er als Träger der Gegenleistungsgefahr den Kaufpreis auch dann in vollem Umfang zahlen musste, wenn sich der Zustand der Yacht nach dem Vertragsschluss aus Gründen, die keine der Parteien zu vertreten hatte, verschlechtert hatte.
Die in den § 446 BGB getroffene Regelung ist abdingbar. Die Parteien konnten daher den Gefahrübergang anders als dort vorgesehen bestimmen, ihn insbesondere zeitlich vorverlegen und mit dem Abschluss des Kaufvertrages verbinden. Insoweit kommt es auf die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage an, ob der Vertragsklausel „Die Yacht wird vom Käufer im jetzigen Zustand wie sie seilt und reilt übernommen" eine selbständige, in jenem Sinne weitergehende Bedeutung gegenüber dem nachfolgenden Satz: „Auf jede Mängelrüge wird verzichtet" zukommt.
Die Abrede „wie sie seilt und reilt" wird allerdings für sich allein - wie auch die beim Kauf einer Sache gelegentlich verwendete Klausel „wie sie steht und liegt" - im allgemeinen dahin verstanden, dass der Verkäufer damit, soweit zulässig, Gewährleistungsansprüche auch wegen verborgener Mängel ausschließt (Handelsbräuche in der Rheinschifffahrt 9. Aufl. Nr. 216-218; BGH Urteil vom 27. Mai 1964 -- V ZR 146/62, BB 1964, 906 und zum Verkauf eines Motorboots RG WarnRspr 1926 S. 53). Das kann aber hier anders sein.
Das Berufungsgericht geht nicht auf den Sinn der Wörter „wird im jetzigen Zustand übernommen" ein und berücksichtigt auch nicht, wie die Revision richtig hervorhebt, dass der Kläger in der Berufungsbegründung und im Schriftsatz vom 3. Mai 1971 unter Beweisantritt vorgetragen hat, im Kaufvertrag sei die Übernahme der Yacht „im jetzigen Zustand" vereinbart worden, um ihn von der Tragung der Gefahren zu befreien, die der Yacht durch die Winterliegezeit und insbesondere durch die während dieser Zeit vom Beklagten vorgesehenen Umbau- und Überholungsarbeiten drohten. Auch nach der Interessenlage kann die Klausel über den Ausschluss der Gewährleistung hinaus den Sinn gehabt haben, die Gegenleistungsgefahr schon mit dem Abschluss des Vertrages auf den Beklagten übergehen zu lassen, weil ausschließlich er und nicht mehr der Kläger in der bevorstehenden Winterzeit Arbeiten an der Yacht vornehmen lassen wollte, die allein oder zusammen mit der Einlagerung des Schiffes außerhalb des Wassers bis zu der rund 1/2 Jahr nach dem Vertragsschluss vorgesehenen Übergabe zu Mängeln führen konnten. Da der Beklagte die Arbeiten wegen des künftigen Erwerbs der Yacht und damit in seinem Interesse ausführen ließ, kann dies ein Anlass gewesen sein, den Beklagten hinsichtlich der Gefahrtragung für Mängel schon mit dem Vertragsabschluß so zu stellen, als ob ihm die Yacht zu dieser Zeit übergeben worden wäre. Von den üblichen Fällen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt jedenfalls wesentlich dadurch, das verkaufte Boot weder sofort dem Käufer übergeben noch bis zur späteren Übergabe vom Verkäufer weiter genutzt werden, sondern längere Zeit auf der Werft liegen bleiben und dort bis zur Übergabe für Werftarbeiten im Auftrag des Beklagten zur Verfügung stehen sollte. Das Berufungsgericht hätte daher an der Frage nicht vorbeigehen dürfen, ob der Gefahrübergang hier anders als in § 446 Abs. 1 BGB dahin geregelt worden war, dass der Käufer die Gefahr für nach Vertragsschluss auf der Werft entstandene Schäden an der Yacht zu tragen hatte.