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II ZR 216/66 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 14.07.1969
Aktenzeichen: II ZR 216/66
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 22 Abs. 2 WHG
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Tankschiffe sind „Anlagen" i. S. des § 22 Abs. 2 WHG. Zum Umfang der Haftung aus § 22 Abs. 2 WHG.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 14. Juli 1969

II ZR 216/66

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Der Tankkahn O der Beklagten wurde in Höhe des Gelsenberg-Hafens auf dem Rhein-Herne-Kanal von dem Motorschiff F angefahren. Infolge des Lecks flossen von der Gasölladung etwa 90 t in den Kanal.
Die Klägerin verlangt Ersatz für aufgewendete Löhne und Materialien. Die Ausgaben seien durch Einteilung von Wahrschauern zwecks Hinweises auf die Gefahrenstelle und zur Durchleitung anderer Fahrzeuge, durch Aufstellung und Beseitigung von Sperrvorrichtungen und Lampen sowie durch andere Vorkehrungen entstanden. Sie stützt den Klageanspruch auf § 22 Abs. 2 WHG und behauptet, durch das ausgelaufene Öl sei das Wasser des Kanals nicht nur erheblich verschmutzt, sondern auch physikalisch und biologisch verändert worden. Damit sei die Betriebssicherheit der Schleusenanlagen und die Schiffssicherheit gefährdet worden. Deshalb habe die Wasserstraßenverwaltung die fraglichen Maßnahmen treffen müssen. Die Beklagte habe als Eigentümerin des Schiffes als Anlage im Sinne des Gesetzes den durch die Maßnahmen der Klägerin entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Klage wird hilfsweise auf ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt, da die Beklagte gemäß § 1004 BGB und § 20 des Preuß. Polizeiverwaltungsgesetzes das ausgelaufene 01 habe beseitigen und die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen selbst durchführen müssen.
Die Beklagte verneint die Anwendungsmöglichkeit des § 22 WHG auf diesen Fall. Von einer Veränderung der Beschaffenheit des Wassers könne keine Rede sein. Hiermit hätten die entstandenen Kosten nichts zu tun. Als Schiffseignerin hafte sie außerdem nur im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Schiffahrtsobergericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Richtig und aus zutreffenden Erwägungen legt das Berufungsgericht § 22 Abs. 2 WHG in Übereinstimmung mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums (Sieder-Zeitler § 22 Anm. 31; Witze) WHG § 22 Anm. 4; Giesecke, Zeitschrift für Wasserrecht 1962, 4, 21; Larenz VersR 1963, 603, 604; Roth VersR 1962, 485, 486; Czychovski NJW 1965, 1314; Theisel, Betriebsberater 1965, 637, 639 mit Anm. 43; a. A. insbesondere Ettner, Betrieb 1964, 723, 724; zweifelnd Rhode VersR 1962, 103 f; Abt. NJW 1965, 187, 189) dahin aus, daß unter Anlagen' nicht nur ortsfeste Einrichtungen zu verstehen sind, sondern daß auch bewegliche unter diesen Begriff fallen können. Diese Auffassung ist inzwischen durch das einen Tankwagen betreffende Urteil des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. Dezember 1966 - V ZR 144/63 = BGHZ 47, 1 bestätigt und eingehend begründet worden. Sie trifft für Tankschiffe ebenso zu, wie für Tankwagen.

Die Ausführungen der Revision geben keinen Anlaß, von ihr abzuweichen. Es bedarf keiner Erörterung, ob im allgemeinen Sprachgebrauch unter einer technischen Anlage üblicherweise eine ortsfeste Einrichtung verstanden wird, wie Ettner aaO ausführt. Denn es kommt auf den Sprachgebrauch des Gesetzes an und dieser schließt nichtortsfeste Einrichtungen ein. Dafür spricht einmal der Schutzzweck des § 22 Abs. 2 WHG, mit dem es nicht zu vereinbaren wäre, nur für die Schäden Ersatz zu gewähren, die von ortsfesten Anlagen ausgehen, und den Ersatz gleichartiger Schäden auszuschließen, die durch nicht ortsfeste Einrichtungen, insbesondere Transportmittel, verursacht werden, obwohl hier die Gefahr eines Schadens schwerlich geringer, eher größer ist als bei ortsfesten Anlagen. Entscheidend kommt hinzu, daß der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen unter „Anlagen" zweifelsfrei auch nicht ortsfeste Einrichtungen versteht.
Wenn sie meint, aus § 14 sei nichts für die Frage zu entnehmen, ob Tankschiffe als Anlagen anzusehen sind, weil die Bestimmung den Begriff Anlage" nur auf die jeweiligen Behälter und Tanks anwende, nicht aber auf die Fahrzeuge selbst, so ist das nicht verständlich. Für die Beklagte wäre nichts gewonnen, wenn nur die Ölbehälter des Tankschiffs, nicht aber das Schiff als Ganzes als „Anlage" anzusehen wäre. Auch aus dem Wasserhaushaltsgesetz selbst ergibt sich, daß der Gesetzgeber unter "Anlagen" nicht nur ortsgebundene Einrichtungen versteht. Das zeigt gerade das dritte Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 15. August 1967 (BGBI. 1 909), auf das die Revision sich beruft.
Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, das ausgeflossene, über weite Wasserflächen hin verbreitete Gasöl habe, wenn nicht die chemische oder biologische, so doch die physikalische Beschaffenheit des Wassers verändert. Der Meinung, eine physikalische Veränderung des Wassers komme nicht in Betracht, weil das 01 nur auf dessen Oberfläche schwimme, ohne sich mit dem Wasser zu verbinden, kann nicht gefolgt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, auch auf der Oberfläche schwimmendes 01 sei geeignet, die Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, beruht auch nicht auf Verfahrensfehlern. Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, bezeichnet Abs. 2 des § 19a WHG, eingefügt durch das zweite Änderungsgesetz zum WHG vom 6. August 1964 (BGBI. 1 611), Rohöle, Benzine, Diesel-Kraftstoffe und Heizöle, zu denen das Gasöl zu rechnen ist, als wassergefährdende Stoffe, die geeignet sind, Gewässer zu verunreinigen oder sonst in ihren Eigenschaften nachteilig zu verändern, Den Umstand, daß die genannten Dle leichter sind als Wasser und auf diesem schwimmen, sieht der Gesetzgeber offensichtlich nicht als geeignet an, ihre schädliche Wirkung auf das Wasser auszuschließen. § 22 Abs. 1 und 2 WHG stellt allerdings lediglich auf die Veränderung und nicht, wie § 19a WHG, auch auf die Verunreinigung des Wassers ab; der Unterschied ist jedoch in seiner praktischen Bedeutung gering, weil eine erhebliche Verschmutzung regelmäßig das Wasser auch in seiner physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit verändert. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht aus § 19a WHG ein Anzeichen für seine Ansicht entnommen, das ausgelaufene Gasöl sei geeignet gewesen, die physikalische Beschaffenheit des Wassers zu verändern. Es bedarf keiner Erörterung, ob es nicht der Schutzzweck des § 2 WHG gebietet, schon dann das Vorliegen einer schädlichen Veränderung des Wassers anzunehmen, wenn entweder in ein Gewässer eine schwerere Flüssigkeit eindringt und das Wasser verdrängt oder aber eine leichtere Flüssigkeit, insbesondere 01, die Oberfläche eines Gewässers in erheblichem Umfang überlagert. Denn regelmäßig wird bei einem solchen Vorgang das Wasser selbst nicht nur verdrängt oder bedeckt, sondern auch in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert. Die Revision geht zu Unrecht davon aus, das leichtere 01 habe sich mi t dem schwereren Wasser nicht vermischen können. Es ist eine Erfahrungstatsache, die allgemein bekannt und daher auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist, daß schon sehr geringe Mengen Mineralöl einer vielfachen Menge Wasser den Olgeschmack mitzuteilen vermögen, daß also das geringere Gewicht des Öls einen schädlichen Einfluß auf das Wasser nicht ausschließt. Abgesehen von der Frage, ob nicht wenigstens Teile des schwimmenden Öls durch Lösung oder Diffusion, das ist die selbsttätige gegenseitige Durchdringung von Gasen oder Flüssigkeiten, die auch entgegen dem Gesetz der Schwere stattfindet, in das Wasser übergehen, tritt jedenfalls in gewissem Umfang eine mechanische Vermischung von 01 und Wasser durch die natürliche Bewegung des Wassers wie durch die Schiffahrt, insbesondere die Bewegungen der Schiffsschrauben ein. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, beim Ansaugen von Kühlwasser hätte Öl in die Schiffsmotoren gelangen und Explosionsgefahr entstehen können. Unter diesen Umständen wäre es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, eine formale und dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechende Auslegung, wenn man annähme, die weitgehende Bedeckung des Kanalwassers mit ausgeflossenem 01 stelle nicht auch eine - teils bereits eingetretene, teils ohne Gegenmaßnahmen mit Sicherheit sich verstärkende - schädliche Veränderung des Kanalwassers selbst dar.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, begründet § 22 WHG eine Gefährdungshaftung. Die Haftung der Beklagten entfällt nicht, wie die Revision meint, deshalb, weil das 01 ohne jedes Zutun der Beklagten ausgeflossen sei. Anders als im Falle des § 22 Abs. 1 WHG tritt die Haftung nach dessen Absatz 2 auch dann ein, wenn die schädlichen Stoffe nicht in das Wasser eingebracht oder eingeleitet werden, sondern sonstwie hineingelangen. Das folgt aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung (vgl. Sieder-Zeitler WHG § 22 Anm. 33). Die Haftung entfällt lediglich dann, wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht ist (§ 22 Abs. 2 Satz 2 WHG). Daß der Zusammenstoß auf höherer Gewalt beruht habe, macht auch die Revision nicht geltend; er stellt kein außergewöhnliches Ereignis dar, wie es Voraussetzung für das Vorliegen höherer Gewalt ist (BGHZ 1, 17, 20; 7, 338, 339; 47, 1, 8; Larenz VerR 1963, 593, 604; Sieder-Zeitler aa0 Anm. 39; Witzel aaO Anm. 5). Die Tatsache, daß in anderen Gesetzen die Gefährdungshaftung beschränkt, insbesondere 1n § 7 Abs. 2 StVG die Haftung auch bei unabwendbarem Ereignis ausgeschlossen ist, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Der Unterschied zwischen höherer Gewalt und unabwendbarem Zufall ist bereits in früheren Gesetzen gemacht und seine Bedeutung ist von der Rechtsprechung näher umrissen worden. Da der Gesetzgeber gleichwohl die Haftung aus § 22 Abs. 2 WHG nur für den Fall der höheren Gewalt ausschließt, würde der an das Gesetz gebundene Richter seine Befugnisse überschreiten, wenn er entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut unabwendbaren Zufall zum Ausschluß der Haftung genügen ließe
Ebensowenig Erfolg hat die Revision mit der Rüge, die Klägerin körne deshalb nicht für ihre Aufwendungen auf Grund des § 22 WHG Ersatz verlangen, weil ihre Maßnahmen sich nicht auf die mögliche Veränderung der Wasserbeschaffenheit bezogen und aus diesem Grunde mit dem Gegenstand der Haftung aus § 22 WHG nichts zu tun hätten. Das ist unrichtig. Zwar ist der Revision einzuräumen, daß sich die Haftung aus der genannten Bestimmung auf diejenigen Schäden beschränkt, die auf der Veränderung des Wassers beruhen. Soweit jedoch die Klägerin Maßnahmen traf, die Schiffe zu wahrschauen, geschah das zumindest mit aus dem Grunde, um zu verhindern, daß statt Wasser ein Wasser-J01-Gemisch angesaugt wurde und Explosionsgefahr entstand. Soweit die Maßnahmen dem Zwecke dienten, Sperrvorrichtungen aufzustellen und das von anderer Seite durchgeführte Aufsaugen des Öls zu ermöglichen, gilt nichts anderes. Die durch § 22 WHG begründete Pflicht, durch die Änderung der Wasserbeschaffenheit verursachte Schäden zu ersetzen, umfaßt auch die Verpflichtung, für die Aufwendungen aufzukommen, die die Klägerin zur Abwehr solcher Schäden gemacht hat. . . .
Das Berufungsgericht lehnt die Ansicht der Beklagten ab, sie hafte auf Grund der Bestimmung des Binnenschiffahrtsgesetzes nur beschränkt. Es hält eine entsprechende Anwendung des § 4 BinnSchG, nach dem der Schiffseigner gegenüber bestimmten Ansprüchen nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht (dinglich) haftet, auf die Ersatzansprüche aus § 22 WHG nicht für angängig und gelangt infolgedessen zu dem Ergebnis, auch die Anwendung des § 114 BinnSchG, nach dem den Schiffseigner unter bestimmten Voraussetzungen neben der dinglichen eine beschränkte persönliche Haftung trifft, komme nicht in Betracht. Die Revision meint unter Hinweis insbesondere auf BGHZ 6, 102, 106, 107, wenn der Schiffseigner schon für vom Schiffer vorgenommene Notstandsmaßnahmen gegenüber Ansprüchen aus § 904 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BinnSchG nur beschränkt mit Schiff und Fracht hafte, dann müsse das auch für den Fall der Gefährdungshaftung des § 22 WHG gelten. Die Frage kann jedoch unentschieden bleiben. Wie sich aus der von der Beklagten eingereichten Abschrift einer Klage gegen Eigentümer und Schiffer des Motorschiffes F ergibt, ist der Schaden der ,.Offenburg" repariert worden. Auf Grund der Lebenserfahrung und mangels entgegenstehenden Vortrags muß daher davon ausgegangen werden, daß das Schiff in der Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, das ist bis zum 28. Januar 1966, in Kenntnis dieses Sachverhaltes auf neue Reisen ausgesandt worden ist. Damit wäre für die Beklagte, hätte sie zunächst gegenüber den Ansprüchen aus § 22 WHG nur dinglich gehaftet, nach § 114 Abs. 1 BinnSchG eine persönliche Haftung getreten. Allerdings wäre diese Haftung auf den Betrag beschränkt, der sich für den Gläubiger ergeben haben würde, falls der Wert, den das Schiff beim Antritt der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rangordnung (§§ 102-109 BinnSchG) verteilt worden wäre; dabei wäre bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, daß die Klägerin bei dieser Verteilung ihre vollständige Befriedigung erlangt hätte (§ 114 Abs. 2 BinnSchG). Hier kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß der Wert der „Offenburg" im maßgebenden Zeitpunkt den Anspruch der Klägerin weit überstieg; es ist nicht das Geringste dafür vorgetragen, daß die Beschränkung der persönlichen Haftung der Beklagten sich irgendwie auswirken würde. Es ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte für den eingeklagten Betrag in jedem Falle in voller Höhe persönlich haftet. Auf die Frage, ob ihre Haftung nach § 114 BinnSchG beschränkt ist, kommt es unter diesen Umständen nicht an (vgl. RGZ 67, 353, 355; Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl. § 114 BinnSchG Anm. 4 d).

ZfB 1969, S. 375

Tankschiffe sind „Anlagen" i. S. des § 22 Abs. 2 WHG. Zum Umfang der Haftung aus § 22 Abs. 2 WHG.

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14. Juli 1969

111 ZR 216/66

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)


Anmerkung der Redaktion:

Das Urteil ist enttäuschend und gibt Anlaß zu einigen Hinweisen:

1. Niemand in der Binnenschiffahrt verkennt den Wert des Wassers und die Notwendigkeit seines Schutzes gegen Verunreinigung und Bestandsveränderung. Es muß aber bezweifelt werden, daß der Gesetzgeber jemals daran gedacht hat, allein dem Beförderer eine derart weitgehende Haftung aufzubürden, wie dies in dem obigen Urteil zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Falle wird sogar einem nur mittelbar geschädigten Dritten, nämlich der Wasserstraßenverwaltung, ein Anspruch auf Ersatz von Wahrschauaufwendungen aus Gründen der Gefährdungshaftung nach § 22, II WHG zugebilligt, obwohl der Inhaber des als Anlage" angesehenen Tankschiffes ohne jedes eigene Verschulden angefahren und dadurch, also durch fremdes Verschulden, das Auslaufen eines Teiles der Ladung bewirkt wurde. Das Ergebnis widerspricht jedem Gerechtigkeitsgefühl, zumal unverständlicherweise im Falle der auch unverschuldeten Verunreinigung von Gewässern dem Transporteur weit härtere und schwerere Haftpflichten aufgebürdet werden als bei der Beförderung von Atomstoffen.
2. Ober die Frage der physikalischen Veränderung des Wassers und die möglichen Folgen, hat sich der BGH in einer Weise ausgelassen, die einer - allerdings mehr als zweifelhaften - Tatsachenbeurteilung gleichkommt. Natürlich vermögen schon geringe Mengen Mineralöl einer vielfachen Menge Wasser den Olgeschmack mitzuteilen". Aber das Wasser der Wasserstraßen, im vorliegenden Fall des Rhein-Herne-Kanals, ist ja in keinem Fall, so wie es fließt, als Trinkwasser anzusehen. Zum mindestens hätte deshalb erst einmal geprüft werden müssen, ob in' dem betreffenden Gebiet Wasserentnahmen zur Trinkwasserversorgung stattfinden und ob trotz der Filterung und Aufbereitungsanlagen die verlorene Menge Gasöl eine Veränderung und Verschlechterung des Trinkwasser hätten herbeiführen können.
3. Es wird mit Entschiedenheit bestritten, daß durch das Ansaugen von Gasöl durch die Schiffsmotore eine Explosionsgefahr heraufbeschworen worden wäre. Mit einer solchen Behauptung brauchte sich die Beklagte ernsthaft auch nicht zu befassen. Sie konnte ohne weiteres annehmen, daß hierüber ein Sachverständiger vernommen würde, wenn das Gericht einer solchen Frage überhaupt Gewicht beimessen wollte.
4. Unbestritten obliegt der Wasserstraßenverwaltung als wichtige Aufgabe die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Bundeswasserstraßen. Für die Sorge um die Reinhaltung des Wassers sind aber, wie bekanntlich das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, der Bund und seine Verwaltung nicht zuständig. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wird jedenfalls allein durch das Auslaufen eines Postens Gasöl nicht beeinträchtigt.
5. Der einzige Vorteil des Urteils besteht darin, daß die entscheidende Frage der Haftungsbeschränkung unentschieden geblieben ist. Nach wie vor steht nicht fest, daß der Schiffseigner aus § 22 WHG unbeschränkt haftet. Allerdings ist vom BGH übersehen worden, daß bei Bejahung einer Haftung aus § 22 WHG auch hätte entschieden werden müssen, ob auf diesen Anspruch die Haftungsbeschränkung des § 4 anzuwenden war. Dazu war in dem Rechtsstreit eine eingehende Begründung gegeben worden. Unzutreffend ist mit Sicherheit aber die Feststellung des BGH, daß die Frage, ob die Beklagte in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchG beschränkt hafte, unentschieden bleiben könne, weil sich die persönliche Haftung aus § 114 BSchG ergebe.

Auf § 114 kann sich nur ein Schiffsgläubiger berufen. Schiffsgläubiger konnte aber die Klägerin im vorliegenden Fall nur auf Grund von § 102 Nr. 5 Abs. 2 werden. Es mußte also entschieden werden, ob ein dinglicher Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 3 bestand. Demgemäß heißt es bei Vortisch-Zschucke zu § 114 Anm. 1 b, es handele sich bei § 114 um einen schuldrechtlichen Anspruch, der das Bestehen eines dinglichen Schiffsgläubigerrechtes voraussetze.
Wenn also der BGH § 114 anwenden wolle, mußte er gemäß § 3 ein Verschulden der Besatzung von Kahn Offenburg feststellen. Das aber konnte er nicht, weil der Berufungsrichter entsprechende Feststellungen nicht getroffen hatte. Daraus folgt die Unrichtigkeit der Begründung.