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II ZR 193/76 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 26.10.1978
Aktenzeichen: II ZR 193/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zum Begriff der „Packung" im Sinne des § 660 HGB.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 26. Oktober 1978

II ZR 193/76

(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Bei der Löschung der Ladung eines von der Beklagten ausgeführten Transports fehlten 189 Bündel („Bundles") Rinderhäute. Jedes einzelne Bündel wurde von einer Rinderhaut gebildet, die zu einem sog. Kissen zusammengefaltet und mit Bindfaden zusammengebunden worden war.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz in Höhe des durchschnittlichen CIF-Wertes der nicht
abgelieferten Rinderhäute.
Die Beklagte hat nur einen Teilbetrag anerkannt. Wegen des restlichen, noch streitigen Betrages meint sie, dass ihre Haftung für den Teilverlust der Ladung nach § 660 HGB auf den schon anerkannten Betrag beschränkt sei. Nach dieser Vorschrift haftet der Verfrachter für jede Packung oder Einheit bis zu einem Höchstbetrag von 1 250,- DM, wenn nicht - was hier nicht geschehen ist - der Abiader die Art und den Wert des Gutes vor dem Beginn der Einladung angegeben hat und diese Angabe in das Konnossement aufgenommen worden ist. Wenn es sich bei den einzelnen Bündeln um „Packungen" gehandelt hat, ist die Begrenzung der Haftung wegen des geringen Wertes der Rinderhäute bedeutungslos.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Klageantrag unter Bejahung des Begriffes „Packungen" entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...

Die Frage, was im Rahmen des § 660 HGB unter einer „Packung" zu verstehen ist, wird im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Gramm (Das Neue Deutsche Seefrachtrecht S. 178), Wüstendörfer (Neuzeitliches Seehandelsrecht 2. Aufl. S. 287) und anscheinend auch Schlegelberger/Liesecke (Seehandelsrecht § 660 Rnr. 3) halten hierfür in erster Linie die Angaben im Konnossement für maßgebend, wogegen Prüssmann (Seehandelsrecht § 660 Anm. C 2 a) und Schaps/Abraham (Seerecht 4. Aufl. § 660 HGB Rnr. 5) darauf abstellen, ob das zu verfrachtende Gut in irgendeiner Weise „verpackt" ist und dadurch einen gewissen äußeren Schutz besitzt. Für diesen Fall hat der erkennende Senat das Vorliegen einer „Packung" ebenfalls bejaht (BGHZ 69, 243, 244).
Nun kann aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine „Packung" auch dann gegeben sein, wenn das Gut lediglich in eine für die Versendung bestimmte, besondere Form gebracht, mithin zwar nicht „verpackt", jedoch „gepackt" worden ist. Dass diese Fälle, wie die Revision im Gegensatz zum Berufungsgericht meint, trotzdem grundsätzlich nicht unter den Begriff „Packung" im Sinne des § 660 HGB fallen können, lässt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch aus ihrem Sinn und Zweck herleiten:

a) So gibt die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Handelsgesetzbuches über das Seefracht-recht vom 10. August 1937 (RGBI. 1 891) - Reichs- und Preußischer Staatsanzeiger 1937 Nr. 186 -, durch welches auch die jetzige Fassung des § 660 in dieses eingefügt worden ist, für einen vom allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „Packung" abweichenden Sinngehalt nichts her. Ebensowenig lässt sich hierfür etwas aus Art. 4 § 5 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konossemente vom 25. April 1924 („Haager Regeln") entnehmen, dem § 660 HGB entspricht. Die Originalfassung der Haager Regeln verwendet das Wort „colis", das die amtliche deutsche Übersetzung (RGBI. 1939 II 1049) mit „Stück" wiedergibt.
...
b) Richtig ist, dass § 660 HGB - wie übrigens auch Art. 4 § 5 Abs. 1 der Haager Regeln - den Verfrachter vor unvorhergesehenen oder übermäßigen Schadensersatzansprüchen der Ladungsbeteiligten schützen will und er dieses Schutzes besonders in den Fällen bedarf, in welchen er den Wert der ihm übergebenen Güter nicht kennt oder diese wegen ihrer Verpackung nicht auf zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen untersuchen und sodann entsprechend behandeln kann (vgl. auch BGH aaO S. 245). Dieser Gesichtspunkt nötigt jedoch nicht zu der Auffassung, dass „Packung" im Sinne des § 660 HGB nur „verpackte" Güter sein können. Denn die Vorschrift knüpft den Eintritt der Haftungsbeschränkung des Verfrachters weder an seine Unkenntnis von dem Wert der zu verschiffenden Güter noch an den Umstand, dass es deren Verpackung, ihm nicht erlaubt, sie auf zu ergreifende Vorsichtsmaßregeln zu überprüfen und diese, sofern erforderlich, zu ergreifen.
Eine ganz andere Frage ist es hingegen, welche Bedeutung die allgemeine Ansicht der Schifffahrtskreise hat, ob in einem bestimmten Einzelfall eine „Packung" vorliegt.
...
Mit Recht hat daher das Berufungsgericht geprüft, ob im Streitfall auch nach der Anschauung der Schifffahrtskreise eine „Packung" gegeben war. Dass es diese Frage bejaht hat, lässt sich aus ver¬fahrensrechtlichen Gründen nicht beanstanden. Insbesondere konnte es in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen bei Rotermund/Koch, Die Ladung 4. bis 6. Aufl. Bd. II Abschnitt II - 113 f über die durchaus übliche Versendung naßgesalzener Rinderhäute in Form sog. Kissen und auf den weiteren Umstand zurückgreifen, daß die mit MS „Saarland" verschifften „BUNDLES" in den Konossementen als „packages" eingeordnet waren. Auch bestand danach kein Anlass, ein Sachverständigengutachten zu erheben.
..."