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II ZR 193/67 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 30.06.1969
Aktenzeichen: II ZR 193/67
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Die nach § 18 Nr. 1 RheinSchPolVO zulässige Besetzung des Ruders eines in Fahrt befindlichen Fahrzeuges mit einer hierfür geeigneten Person von mindestens 16 Jahren kann die nautische Verantwortung des Schiffsführers weder einschränken noch beseitigen. 2) Gemäß § 4 RheinSchPolVO hat die Führung eines Anhangkahnes die entgegenkommenden Fahrzeuge, besonders bei Nacht, mit zu beobachten und den Führer des Schleppzuges, wenn dieser z. B. die Kursweisungen eines entgegenkommenden Bergfahrers übersieht oder einen unrichtigen Begegnungskurs einschlägt auf diese Fehler hinzuweisen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 30.6.1969

(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschifffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Wegen des Tatbestandes wird im Wesentlichen auf das vorstehend abgedruckte Urteil in Sachen II ZR 181/67 verwiesen.

Im vorliegenden Falle verlangen die gleichen Klägerinnen den Ersatz des Schadens von ca. 70 000,- DM auch von der Eignerin des Tankkahnes „E", der Beklagten zu 1, und dem Schiffsführer dieses Tankkahnes, dem Beklagten zu 2.

Die Beklagten bestreiten ein Verschulden aus den im Parallelprozess dargelegten Gründen und halten die Klage schon deshalb für unbegründet, weil der Beklagte zu 2 nicht Schleppzugführer gewesen sei. In allen 3 Instanzen wurde die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Wesentlichen wird auf die Entscheidungsgründe im Parallelprozess ZR 181/67 verwiesen (s. vorstehend abgedrucktes Urteil). Zu der Schutzbehauptung der Beklagten, der Beklagte zu 2 sei nicht Schleppzugführer gewesen, führt das Revisionsgericht u. a. folgendes aus:

Zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Revision, dass die nautische Verantwortung für die Führung des Schleppzuges bei dem Führer des TMS „A" und nicht bei dem Beklagten zu 2 gelegen hat (§ 2 Nr. 4 Abs. 1 RheinSch PolVO). Hingegen kann den Ausführungen der Revision insoweit nicht gefolgt werden, als sie meint, der Beklagte zu 2 sei auch für die Führung des TSK „E" nicht verantwortlich gewesen, weil sein Sohn das Ruder des Schiffes bedient hat. Die Revision übersieht, dass die nach § 18 Nr. 1 RheinSch PolVO zulässige Besetzung des Ruders eines in Fahrt befindlichen Fahrzeugs mit einer hierfür geeigneten Person von mindestens 16 Jahren die nautische Verantwortung des Schiffsführers weder einschränkt noch beseitigt (§ 2 Nr. 3 RheinSch PolVO; Wassermeyer, Der Kollisionsprozess, 3. Aufl. S. 175; Kählitz, Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen, § 18 Rhein SchPolVO Anm. 2). Auch bietet der Sach- und Streitstand keinen Anhalt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 Satz 2 RheinSchPolVO, wonach sich der Schiffsführer vorübergehend durch eine geeignete Person vertreten lassen kann. Selbst die Revision trägt in dieser Richtung nichts vor.

Danach steht, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, außer Zweifel, dass der Beklagte zu 2 zur Unfallzeit nicht nur alle Maßnahmen zu treffen hatte, die für die sichere Führung seines Schiffes geboten waren (§ 2 Nr. 4 Abs. 2 Satz 2 RheinSchPolVO), sondern dass ihm auch die Beachtung der nach § 4 RheinSchPolVO bestehenden allgemeinen Sorgfaltspflicht oblag. Diese Pflicht gebot aber dem Beklagten zu 2, das Revier, insbesondere die entgegenkommende Bergfahrt sorgsam zu beobachten, zumal es Nacht, wenn auch mondhell, war, und der Schleppzug vor der Begegnung mit dem Bergfahrer eine leichte Linksbiegung des Stromes zu durchfahren hatte. Des weiteren war der Beklagte zu 2 auf Grund des § 4 RheinSchPolVO gehalten, die Führung des Schleppzuges, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die rechtzeitige Kursweisung des Bergfahrers übersehen und einen unrichtigen Begegnungskurs eingeschlagen hatte, auf diesen Fehler hinzuweisen (BGHZ 34, 13 mit Anm. Liesecke, LM Seeschiffahrts-StrO Nr. 1). Dass dies dem Beklagten zu 2, der sich im Steuerstuhl des MTS „A" aufhielt, ohne weiteres möglich gewesen wäre, hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht. In einer derartigen Wahrschau hätte auch nicht, wie die Revision meint, ein gefährlicher, weil verwirrenden, Eingriff in die Führung des Schleppzuges durch den Beklagten zu 2 gelegen. Die Revision übersieht in diesem Zusammenhang, dass - nach den vom Berufungsgericht für glaubhaft gehaltenen Angaben des Zeugen W. - der Schleppzug etwa 600 m vor der Begegnung seinen Kurs nach Steuerbord gerichtet hat, mithin in einer Entfernung, die seiner Führung gestattet hätte, den Kursfehler bei einem rechtzeitigen Hinweis des Beklagten zu 2 auf das Fehlverhalten ohne Verwirrung oder Überstürzung zu berichtigen."