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Leitsatz:
Für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf Ersatz von Aufwendungen und Schäden, die einem Schiffseigentümer infolge des Einsatzes seines Fahrzeugs bei der Rettung der in Gefahr geratenen Besatzung eines anderen Fahrzeugs gegen dessen Eigner zustehen, gilt die einjährige Verjährungsfrist des § 117 BinnSchG entsprechend.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 9. Juli 1979
II ZR 192/78
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Das der Beklagten gehörende MS A war am 20. 5. 1975 auf der Elbe auf Grund gelaufen und in Seenot geraten. Bevor es sank, war die bei der Klägerin versicherte Motorschute N zu Hilfe geeilt und hatte die aus 2 Mann bestehende Besatzung geborgen.
Die Klägerin hat Schiffsschäden infolge Grundberührung bei dem Rettungsmanöver behauptet und zunächst diese in Höhe von rd. 11 750,- DM sowie etwa 500,- DM Sachverständigenkosten aus übergegangenem und abgetretenem Recht eingeklagt. Sodann hat sie während des Prozesses mit Schrift¬satz vom 15. 9. 1977 weitere Ansprüche geltend gemacht, und zwar 27 000,- DM Nutzungsverlust während der Reparatur der Schute und 1000,- DM für das Verklappen von 200 cbm Sand zur Verringerung des Tiefganges beim Rettungsmanöver, insgesamt fast 41 000,- DM.
Die Beklagte hat jede Beschädigung der Schute während des Rettungsmanövers bestritten und bezüglich der später gestellten Ansprüche die Verjährungseinrede erhoben.
Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 1500,- DM stattgegeben, das Oberlandesgericht nur in Höhe von 300,¬DM. Auf die Revision der Klägerin ist - unter Zurückweisung im übrigen - das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen worden, als die Klage auf Erstattung der Reparatur- und Sachverständigenkosten abgewiesen worden war.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Der Eigner eines Schiffes hat die selbstverständliche Pflicht, für die Sicherheit der Besatzung des von ihm für den Schiffsverkehr verwendeten Fahrzeugs zu sorgen (vgl. auch BGHZ 67, 368, 372).
Deshalb führt ein Dritter, der nach Eintritt einer Schiffsgefahr Maßnahmen zur Rettung der Besatzung vornimmt, jedenfalls auch ein „Geschäft" des Schiffseigners. Dessen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 677, 683 BGB steht demnach in einem engen Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb. Für derartige, letztlich aus diesem Betrieb entspringende Ansprüche liegt aber, wie
es schon in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt heißt (S. 126), „das Bedürfnis kürzerer Verjährungsfristen" vor; insoweit sei eine „schleunige Abwicklung.. . wünschenswert, weil (bezüglich dieser Ansprüche) nach Ablauf eines längeren Zeitraums eine zuverlässige Prüfung häufig nicht mehr möglich ist"; auch würden die meisten dieser Ansprüche „bei längerem Bestehen den Verkehr erheblich gefährden, zumal mit ihnen meist ein gesetzliches Pfandrecht verbunden ist". Ähnliche Überlegungen haben den Senat bereits bestimmt, den Anspruch, der dem Eigentümer einer öffentlichen Wasserstraße auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Suche und Bergung des von einem Schiff verlorenen Ankers gegen dessen Eigner gemäß §§ 677, 683 BGB zu¬steht, in die Verjährungsregelung des § 117 BinnSchG einzubeziehen (Urt. v. 10. 4. 69 - II ZR 239/67, VersR 1969, 562). Das ist ebenso geboten, soweit es um die Verjährung von Ansprüchen eines Dritten aus §§ 677, 683 BGB gegen einen Schiffseigner geht, der mit seinem Fahrzeug Rettungsmaßnahmen zugunsten der Besatzung des anderen Schiffes ergriffen und dabei Schaden am Fahrzeug oder Ladung erlitten hat. Hier ist besonders bedeutsam der Gedanke, daß eine Aufklärung des Schadenshergangs nach Ablauf längerer Zeit meist nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt, daß die Ansprüche des Sachretters gegen den Schiffseigner bereits der kurzen Verjährungsfrist des § 117 BinnSchG unterliegen (vgl. dessen Ziff. 4) und kein durchschlagender Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Verjährungsregelung hinsichtlich der Ansprüche des Lebensretters ersichtlich ist, zumal es in dem letzten Falle, der nicht die Hilfe für das Fahrzeug des Schiffseigners selbst, sondern die Rettung dritter Personen von dem Schiff betrifft, um so weniger vertretbar erscheint, diesen über einen langen Zeitraum hinweg mit etwaigen Ansprüchen des Lebensretters zu belasten. Von diesem Ausgangspunkt aus sind die erst im September 1977 rechtshängig gewordenen Ansprüche auf Ersatz von Nutzungsausfall und des Werts der verklappten Ladung seit 1. Januar 1977 verjährt.
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Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht bewiesen, daß die Schute bei dem Rettungsmanöver Grundberührung gehabt und dadurch Schäden am Rumpf erlitten habe. Demgegenüber rügt die Revision mit Recht, das Berufungsgericht habe gegen § 286 ZPO verstoßen, weil es den von der Klägerin zum Nachweis der Grundberührung benannten Zeugen A. nicht vernommen habe. Das Berufungsgericht hat hiervon abgesehen, weil der Zeuge zu diesem Beweisthema nicht schon in der Berufungsbegründungsschrift, sondern erst in der Berufungsverhandlung benannt worden und der Beweisantrag damit gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen sei. Das ist jedoch nicht richtig. Die Klägerin hat in der schriftlichen Berufungsbegründung gerügt, daß das Landgericht „den diesseits benannten Zeugen A. nicht mehr gehört habe, obwohl er als einer der Hauptzeugen anzusehen ist". Darin ist der von dem Berufungsgericht vermißte Antrag auf Vernehmung des Zeugen zu der behaupteten Grundberührung der Schute zu erblicken.
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Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit es den Anspruch auf Ersatz der Schäden an der Motorschute N und der Kosten für die Schadenstaxe abgewiesen hat. Vielmehr bedarf es zu beiden Punkten weiterer tatsächlicher Prüfung.
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Abschließend ist zu bemerken, daß der bisher vorgetragene Sachverhalt keinen Anlaß gibt, die Frage einer etwaigen Haftungbeschränkung der Beklagten aus der Sicht der §§ 4, 114 BinnSchG zu prüfen."